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Das Zeitwort ist der herrschende Redeteil, es nimmt Hauptwort, Fürwort und Beiwort in sich auf. Eigentliche Deklinationen sind in manchen Mundarten nicht vorhanden, dagegen aber die Verba stets regelmäßig, genau und vollständig ausgebildet. Die bei weitem größte Anzahl der Wurzelwörter ist, wenn man sie ihrer Zuthaten entledigt, nur ein- oder zweisilbig. Jede eingeschobene Zuthat wird, nach indianischem Ohr, [* 2] dem Wohlklang angepaßt; man beseitigt davon, was diesen beeinträchtigt. Wo zwei Selbstlauter oder Mitlauter zusammenkommen, wird der eine weggeworfen.
Bei dieser Verkürzung der Silben und dem Einschieben neuer Wurzeln bleibt bei dem Kompositum oft nur ein einziger Buchstabe von dem eingeschobenen Wort, aber dieser eine Buchstabe ist ein ideographisches Zeichen und behält seine volle Bedeutung bei. Naturgemäß sind die Sprachen und Völkerschaften weit weniger zahlreich in den offenen Savannen des Mississippi, wo die Jäger ungehindert umherschweifen konnten, als in den undurchdringlichen Wäldern des Amazonenstroms und Orinoko, in welchen die Horden sich gleichsam verloren und, obgleich räumlich einander nahe, sich dennoch fremd blieben.
Die gebildetsten der amerikanischen Sprachen sind die der Azteken oder Mexikaner, die der Peruaner oder die Quichuasprache und die der Araukaner in Chile. [* 3] Die aztekische und die Quichuasprache haben sich durch die Eroberungen der mexikanischen Fürsten und der Inkas weit verbreitet, jene über die ganze Hochebene von Anahuac und bis nach Guatemala, [* 4] diese die Andes entlang. Das Araukanische wird in Chile und den patagonischen Andes gesprochen. Die größte Verschiedenheit der Sprachen herrscht in den Gebirgen von Guayana. Weiteres über die amerikanischen Sprachen s. Sprache [* 5] und Sprachwissenschaft. Im übrigen bedient sich eine nicht geringe Zahl Eingeborner jetzt europäischer Sprachen.
Von den Einwanderern sind zunächst die Neger zu erwähnen. Die Zahl derselben beziffert sich in Amerika [* 6] auf etwa 10-12 Millionen, wovon 1880 allein 6½ Millionen auf die Vereinigten Staaten [* 7] entfielen. Sie sind durch den afrikanischen Sklavenhandel (seit 1510, lebhafter seit 1517 auf den Rat von Las Casas) zur Plantagenwirtschaft in den tropischen und subtropischen Gegenden eingeführt worden und haben hier der Hauptmasse nach bis in die neueste Zeit noch als Sklaven gelebt.
Nur ein kleiner Teil von ihnen nährte sich als Freigelassene (Emanzipierte) von Land- und Bergbau [* 8] oder von Gewerben. Auf Haïti [* 9] haben sie sich einen eignen Staat gebildet, der später in zwei zerfallen ist. Ein großer Teil der Neger wie auch fast alle Mischlinge sind getauft. Übrigens hat sich diese Rasse in den Vereinigten Staaten von 1789 bis 1860 (also während der Sklaverei) alle zehn Jahre um 28 Proz. (in dem Jahrzehnt von 1870 bis 1880 sogar um 35 Proz.) vermehrt und auf Haïti (also in der Freiheit) von 1793 bis 1868 sogar um etwas mehr, während die Urbevölkerung unter allen Verhältnissen an Zahl stets abgenommen hat. Seit dem Verbot des afrikanischen Sklavenhandels und der Aufhebung der Sklaverei in allen Staaten Amerikas scheint der schwarzen Rasse die Aufgabe vorbehalten zu sein, die Ackerbau treibende und Rohstoff erzeugende freie Bevölkerung [* 10] des tropischen Amerika zu bilden.
Die mittelländische, weiße Rasse hat in Amerika nur die romanische und germanische Völkerfamilie zu Vertretern und zwar die erstere vorzugsweise in Zentral- und Südamerika, [* 11] die letztere vorwiegend in Nordamerika [* 12] (mit ca. 48 Mill.). Unter den Germanen sind die Angelsachsen überwiegend vertreten, nämlich mit mehr als ⅔ hinsichtlich der Abstammung und mit über ¾ hinsichtlich der Sprache. Die deutsch redende Bevölkerung schlägt man zu 7-8 Mill. an, sie ist infolge der massenhaften deutschen Einwanderung in stetem Steigen begriffen, obschon immer ein nicht unbedeutender Teil derselben (man rechnet ⅓) von der englisch redenden Bevölkerung absorbiert wird. Von den andern Staaten haben besonders Südbrasilien, die Argentinische Republik, [* 13] Chile wie auch Kanada deutsche Niederlassungen. Ungünstigere Aussichten hat die romanische Bevölkerung Amerikas, welche sich wohl überall vermehrt, aber nirgends die durchschnittliche europäische Bevölkerungszunahme (1¼ Proz. jährlich) zeigt, sondern weit weniger.
Über die Zusammensetzung der Bevölkerung nach den einzelnen Rassen (in Millionen) gibt folgende Tabelle Auskunft:
Ländergruppen | Weiße | Amerikaner | Mischlinge beider | Neger, Mulatten etc. |
---|---|---|---|---|
1) Britisch-Nordamerika u. Vereinigte Staaten | 47¾ | ½ | ? | 6 ⅔ |
2) Mexiko und Zentralamerika | 1¾ | 6 | 4¼ | 1/10 |
3) Westindien, Venezuela, Guayana, Brasilien | 3 | 1 1/5 | 1 | 12½ |
4) Westküste Südamerikas u. La Plata-Staaten | 4¾ | 2 1/3 | 7¼ | ½ |
Zusammen rund: | 57 | 10 | 12½ | 20 |
Was die Religion betrifft, so ist jetzt (mit Ausnahme etwa des größtenteils noch von heidnischen Eskimo bewohnten Grönland etc.) in allen Ländern Amerikas das Christentum eingeführt. In ganz Nordamerika sowie in allen englischen und holländischen Kolonien ist der Protestantismus vorherrschend, während in Mexiko, [* 14] in den französischen und spanischen Besitzungen die katholische Kirche vorwiegt, ja bis vor nicht langer Zeit die allein herrschende und allein erlaubte Religionsform war.
Durch Einführung der religiösen Toleranz und durch Einwanderung hat sich gegenwärtig auch in diesen Ländern ein nicht unbedeutendes nichtkatholisches Bevölkerungselement gebildet. Die jüdische Bevölkerung beschränkt sich fast allein auf die Vereinigten Staaten und die europäischen Kolonien; sie erreicht in ganz Amerika kaum 1 Mill. Die Indianer leben noch zum großen Teil in ihren ursprünglichen religiösen Anschauungen. (Vgl. die statistische Übersicht und Karte bei Art. [* 15] »Bevölkerung«.)
Staatliche Einteilung.
Die selbständigen Staaten Amerikas sind bis auf eine einzige Monarchie (Brasilien) [* 16] sämtlich Republiken. Was die Kolonien europäischer Staaten in Amerika betrifft, so hat Großbritannien [* 17] den in jeder Hinsicht bedeutendsten Besitz daselbst. Ihm gehören im N. Ober- und Unterkanada, Neubraunschweig, Neuschottland, die Prinz Edward-Inseln, Neufundland, das Hudsonsbaigebiet, Britisch-Columbia und die Vancouverinsel, ferner die Bermudas, die Bahamainseln;
von den Kleinen Antillen: Trinidad, Tobago, Grenada, St. Vincent, Barbados, Santa Lucia, Dominica, Antigua, Barbuda, Anguilla, St. Christoph (St. Kitts), Nevis und Montserrat;
von den Jungferninseln: Virgingorda (Spanishtown), Tortola und Anegada;
die große Antilleninsel Jamaica, die Caymansinseln, die Turks- und Caicosinseln;
Honduras [* 18] oder Belize auf der Halbinsel Yucatan;
ein Teil von Guayana (Demerara und Berbice) und die Falklandinseln.
England zunächt ^[richtig: zunächst] steht Spanien, [* 19] das noch die Inseln Cuba und Puerto Rico besitzt, und ¶
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Holland, im Besitz der Inseln Curassao, St. Martin, St. Eustache, Saba und eines Teils von Guayana (Surinam). Im Besitz Frankreichs sind die Antilleninseln Guadeloupe, Martinique, seit 1877 das früher schwedische St. Barthélemy und ein Teil von Guayana (Cayenne) sowie St. Pierre und Miquelon an der Südküste Neufundlands. Außerdem besitzt Dänemark, [* 21] von seinen Niederlassungen in Grönland abgesehen, die Jungferninseln Ste. Croix, St. Thomas und St. John. - Größe und Bevölkerung der amerikanischen Staaten und Kolonien sind aus der folgenden Tabelle ersichtlich:
Jahr | QKilom. | Bewohner | Auf 1 QKil. | |
---|---|---|---|---|
1) Einheim. Staaten. | ||||
Verein. Staaten v. NA. | 1880 | 9212270 | 50445366 | 5.5 |
Brasilien | 1883 | 8337218 | 12002978 | 1.4 |
Argentinische Republik | 1882 | 2835970 | 2942000 | 1.0 |
Mexiko | 1883 | 1945723 | 9787629 | 5.0 |
Bolivia | 1884 | 1247040 | 2311000 | 1.8 |
Venezuela | 1882 | 1137615 | 2075245 | 1.8 |
Peru | 1884 | 1068440 | 3000000 | 2.8 |
Kolumbien | 1884 | 830700 | 3000000 | 3.6 |
Chile | 1882 | 665341 | 2271950 | 3.4 |
Ecuador | 1884 | 643295 | 1500000 | 2.1 |
Paraguay | 1879 | 238290 | 346048 | 1.4 |
Uruguay | 1880 | 186920 | 438245 | 2.3 |
Nicaragua | 1874 | 133800 | 275815 | 2.0 |
Guatemala | 1884 | 121140 | 1278311 | 10.5 |
Honduras | 1881 | 120480 | 351700 | 3.0 |
Dominikan. Republik | 1880 | 53343 | 300000 | 5.5 |
Costarica | 1874 | 51760 | 185000 | 3.6 |
Haïti | 1884 | 23911 | 550000 | 23.0 |
San Salvador | 1878 | 18720 | 553882 | 29.6 |
Zusammen: | 28871976 | 93615169 | 3.2 | |
2) Besitzungen europäischer Staaten. | ||||
Britische Besitzungen | 1881/82 | 8704148 | 6027067 | 0.7 |
Spanische Besitzungen | 1880 | 128148 | 2275997 | 17.7 |
Französische Besitz. | 1881 | 124506 | 400821 | 3.2 |
Niederländ. Besitzungen | 1882 | 120451 | 114919 | 0.9 |
Dänische Besitzungen | 1880 | 359 | 33763 | 94.0 |
Zusammen: | 9077612 | 8852567 | 0.9 |
Nähere Angaben über die Besitzungen enthält die statistische Übersicht beim Artikel »Kolonien«.
Entdeckungsgeschichte Amerikas.
Sagen von einer großen, im Westmeer außerhalb der Säulen des [* 22] Herkules gelegenen Insel Atlantis bei Platon, dann Diodors Bericht, wonach Phöniker, vom Sturm verschlagen, weit im W. von Afrika [* 23] ein fruchtbares, wohlbewässertes, waldreiches Eiland gefunden haben sollen, geben ebensowenig wie die Trümmer altamerikanischer Kunst, welche griechisch- oder phönikisch-ägyptisches Gepräge zutragen scheinen, der Annahme, daß der westliche Kontinent schon von Seefahrern des Altertums gefunden worden sei, eine Berechtigung.
Auf die Möglichkeit, daß von China [* 24] aus mit Amerika über Kamtschatka und die Aleutischen Inseln schon im 5. Jahrh. n. Chr. Verbindungen stattgefunden haben können, hat bereits de Guignes (Verfasser der Geschichte der Mongolen) 1761 hingewiesen; er suchte zu zeigen, daß die Chinesen Amerika unter dem Namen Fusang gekannt hätten. Klaproth sprach sich (1831) dagegen aus und suchte Fusang in Japan. Neumann hat aber 1864 nachgewiesen, daß in jener Zeit wirklich Schiffahrt von China nach Fusang stattgefunden, daß die Beschreibung dieses Landes nur auf Mittelamerika paßt, und daß von buddhistischen Einrichtungen daselbst berichtet wird aus einer Zeit, wo der Buddhismus in Japan noch gar nicht bekannt war. Neuerdings (1870) suchte Bretschneider Fusang mit der Insel Sachalin zu identifizieren, doch hat diese Ansicht wenig für sich; es scheint vielmehr in der That wahrscheinlich, daß den Chinesen vor 1300 Jahren bereits bekannt war.
Von Europa [* 25] aus haben, wenn wir von den sagenhaften Andeutungen der Alten absehen, zuerst die kühnen Normannen den Weg nach Amerika gefunden. Von der 863 entdeckten, seit 874 von zahlreichen aus der Heimat geflüchteten Norwegern besiedelten Insel Island [* 26] setzte 982 Erik Raudi (Erich der Rote) nach Grönland über und gründete dort auf der Westküste eine Kolonie, welche später 2 Städte, 16 Kirchen, 2 Klöster und 100 Weiler umfaßte und unter einem eignen, in Garde residierenden Bischof stand.
Auf der Fahrt nach diesen Ansiedelungen von einem Sturm verschlagen, sah zuerst Bjarni Herjulfson 986 den neuen Erdteil. Eriks Sohn Leif entdeckte alsdann um 1000 Helluland (Stein- oder Felsenland), Markland (Waldland) und das an Reben reiche Vinland, worunter man jetzt allgemein das heutige Labrador, die Gegend um die Mündung des St. Lorenz und des Hudson, und vielleicht noch südlichere Striche versteht, was einzelne an der amerikanischen Ostküste sich vorfindende Runensteine altgermanischen Gepräges bestätigen.
Funde solcher Runensteine unter nahezu 73° nördl. Br. deuten ferner auf das weite Vordringen der grönländischen Normannen gegen N. hin. Die von denselben im Vinland gegründeten Kolonien hatten indessen infolge innerer Uneinigkeiten und aufreibender Kämpfe mit den Skrälingern, wie die Ansiedler die eingebornen Eskimo nannten, keinen langen Bestand. Nur zeitweise besuchten die Normannen noch von Grönland aus das Vin- und Markland, bis 1347 auch diese Besuche aufhörten und Ende des 15. Jahrh. selbst die blühende grönländische Kolonie durch die häufigen Überfälle der Eskimo und das Auftreten des »schwarzen Todes« zu Grunde ging und in Europa in Vergessenheit geriet.
Von einer in die Jahre 1388-1404 fallenden Entdeckungsfahrt, welche von den Faröern (Frisland) ausging und einige Strecken der Nordostküste Amerikas berührt haben soll, brachten zwei Venezianer, die Brüder Antonio und Nicola Zeni, Kunde nach Europa. Indessen haben die vielfach mit griechischen Fabeln durchwebten Bruchstücke ihrer Erzählungen eine befriedigende Erklärung noch nicht gefunden. Auch die Biscayer sollen nach den neuesten Ermittelungen lange vor Kolumbus auf ihren Fischerfahrten bis Neufundland gelangt sein.
Trotz dieser frühern Auffindung gebührt indessen der Ruhm der eigentlichen Entdeckung des Festlandes für die Neuzeit dem Genuesen Christoph Kolumbus (s. d.). Mit drei schlecht bemannten, ärmlich ausgerüsteten Fahrzeugen segelte er, um Ostindien [* 27] und China auf einem kürzern Weg aufzusuchen, aus dem Hafen von Palos ab und betrat 12. Okt. die Küste der Bahamainsel Guanahani, der jetzigen Watlingsinsel. Noch in demselben Jahr entdeckte er Cuba und Hispaniola (Haïti), im folgenden Dominica, Marie Galante, Guadeloupe, Antigua, Puerto Rico, und schon nach wenig Jahren war die ganze später Westindien [* 28] genannte Inselwelt bekannt geworden. Nachdem inzwischen Sebastian Cabot (1497) Neufundland und Labrador sowie die Küste des Festlandes bis nach Florida hin entdeckt hatte, gelangte Kolumbus 1498 an den Orinokostrom und an die Küste von Cumana und betrat damit auch das Festland der Neuen Welt. Im J. 1500 entdeckte der Portugiese Pedro Alvarez Cabral, auf der Fahrt zum Kap der Guten Hoffnung durch Sturm verschlagen, Brasilien. Kolumbus suchte 1502 ¶