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angegebene Art nachgewiesen. Aus den kleinen, länglichrunden, weißen Eiern schlüpfen nach einigen Tagen kleine, fußlose, weiße Larven mit hornigen Kiefern, welche von den alten Ameisen gefüttert werden müssen. Anfangs werden nur Eier [* 2] gelegt, woraus Arbeitsameisen hervorkommen. Die kleine Made wächst bei reichlicher Nahrung sehr schnell und fertigt nach 14 Tagen ein längliches, schmutzig weißes oder bräunliches Gespinst, in welchem sie zur gemeißelten Puppe wird (Ameiseneier); andre Arten spinnen niemals.
Nach 14 Tagen bis 4 Wochen zerbeißen die alten Ameisen die Puppe, und die junge, sehr weiche und zarte Ameise, welche noch einige Tage gefüttert werden muß, kriecht hervor. Sie erhält bald die gehörige Farbe und Härte und verrichtet nun alle ihr zukommenden Geschäfte. Bis dahin mußte das vereinzelte Weibchen diese alle selbst verrichten; hat es sich aber mit Arbeiterinnen umgeben, so legt es nur noch Eier und läßt sich von seinen Nachkommen füttern. Die nach der Begattung von den Arbeiterinnen eingefangenen und ins Nest zurückgebrachten Weibchen haben insofern ein besseres Los, als die im Haufen befindlichen Arbeitsameisen die Eier, Maden und Puppen von Anfang an aufs sorgfältigste pflegen.
Die Zahl der Arbeitsameisen vermehrt sich infolge des den ganzen Sommer hindurch fortgesetzten Eierlegens sehr stark, und erst im Spätsommer werden Eier gelegt, aus welchen geflügelte Männchen und Weibchen entstehen. Alle zur Bildung der Kolonie nötigen Arbeiten liegen den Geschlechtslosen ob. Sie öffnen am Morgen die verrammelten Zugänge und schweifen dann entweder, um Nahrung zu suchen, umher, oder tragen Larven und Puppen, um sie der Wärme [* 3] der Sonnenstrahlen auszusetzen oder vor eindringendem Regen zu schützen, an höhere und tiefere Stellen des Nestes.
Viele Arbeiterinnen sind mit dem weitern Ausbau des Nestes beschäftigt oder stehen auf Wache, bereit, jeden Angriff auf die Kolonie mit Aufopferung des eignen Lebens abzuwehren. Die auf Nahrung ausgezogenen Ameisen kehren mit gefülltem Vormagen zurück, um Larven und Weibchen zu füttern, wobei sie ihnen ein Tröpfchen des im Vormagen bereiteten Zuckersaftes in den Mund spritzen. Auch putzen und reinigen die Arbeiterinnen die Weibchen und Larven und schaffen die Puppenhülsen hinweg.
Gegen Abend werden Larven und Puppen von ihnen tiefer ins Innere des Nestes gebracht und die Zugänge verrammelt. Wo zwei Formen von Arbeitern vorhanden sind, tritt eine gewisse Arbeitsteilung ein, indem die großköpfigen, die sogen. Soldaten, bei den Streifzügen die Ordner und Führer bilden und die Beute zerschroten, um sie für die kleinern Genossen mundrecht zu machen. Dieses geschäftige Treiben im Nest währt von den ersten Frühlingstagen bis tief in den Herbst hinein. Um diese Zeit ist die junge Brut ausgeschlüpft, und die Männchen sind tot, so daß das Nest nur Weibchen und Arbeiterinnen enthält.
Bei Beginn des Winterfrostes ziehen sich alle in den tiefsten Teil des Nestes zurück und fallen hier in Erstarrung. Die meisten erwachen nicht wieder, viele aber, namentlich die befruchteten Weibchen, überleben den Winter, um im Frühling das geschäftige Treiben von neuem zu beginnen. Die Glieder [* 4] eines und desselben Haufens erkennen einander beim Begegnen auf der Straße oder während des Kampfes zweier Haufen, selbst nach monatelanger Trennung;
sie begrüßen, betasten und streicheln einander;
sie verständigen sich miteinander über Verrichtungen, welche für eine einzelne zu schwer sind;
sie gehen einander mit Rat und That an die Hand, [* 5] reißen wohl auch nach vorhergegangener Beratung einen angefangenen Bau wieder ein oder ändern ihn um etc.
Einige Ameisenarten leben in Baumstämmen, in welchen sie Gänge und Hohlräume erzeugen, indem sie die festern Jahresringe meist als Wandungen stehen lassen. Gewisse kleine Arten minieren in der dicken Borke alter Bäume wenige flache, unter sich verbundene Kammern. Lasius fuliginosus baut in hohlen Bäumen Nester aus Holzspänchen, welche mit dem Absonderungsprodukt gewisser Drüsen zusammengeknetet werden, und die Comehens auf Puerto Rico bauen vielleicht aus ähnlichem Material große, bienenkorbähnliche Nester zwischen Baumästen und überwölben auch ihre Straßen.
Die meisten Ameisen graben und mauern Erdnester oft unter einem schützenden Stein oder bilden zusammengesetzte Nester in großen, aus kleinen Holzstückchen zusammengetragenen Haufen. Je größer die Gesellschaft, um so komplizierter ist das Nest, und bisweilen stehen zahlreiche Nester derselben Art auf einer größern Bodenfläche untereinander in Verbindung, während anderseits auch unter einem und demselben Stein zwei Arten in dicht benachbarten, aber voneinander getrennten Nestern hausen können.
Das Bauen und Erhalten der Nester fällt den Arbeitern zu. Während ein Teil der Ameisen mit Graben beschäftigt ist, befördert der andre die abgelöste Erde heraus. In festem, zusammenhängendem Boden gleicht ein solcher Bau öfters einem Badeschwamm; die Kammern und Gänge sind nur durch dünne Zwischenwände getrennt, wogegen in lockerm, sandigem Boden letztere weit dicker hergestellt werden. Von der gemeinsamen Behausung aus führen sie oft durch Abbeißen des Grases Straßen nach verschiedenen Richtungen hin, auf denen sich gehende und kommende fort und fort ausweichen; erstere sind gewöhnlich hungrig, und treffen sie nun auf letztere, die mit eingenommener Nahrung zurückkehren, so halten sie dieselben an und lassen sich füttern. Eine fremde Ameise, die sich auf eine solche Straße wagt, wird angefallen und erwürgt, während außerhalb der Straßen fremde Ameisen einander ausweichen.
Ist die Bevölkerung [* 6] in einem Bau zu groß geworden, so werden neue Kolonien angelegt, deren ein starker Haufe in einem Sommer drei aussenden kann. Gewöhnlich siedelt sich die Kolonie in der Nähe des Mutterbaus an. Die ersten derartigen Auszüge beginnen im Juli. Man sieht dann ganze Züge aus dem Mutterhaufen hervorkommen, die aus jungen, an der hellen Farbe kenntlichen Ameisen bestehen. Voran ziehen die Weibchen. Bisweilen wandert auch eine ganze Gesellschaft aus, um eine neue Wohnung zu bauen.
Die Ameisen bekunden unter allen Insekten [* 7] die größte geistige Begabung und stehen in dieser Hinsicht dem Menschen näher als irgend ein andres Tier. Es gibt Arten, wie Formica fusca, welche noch vollständig den untersten Menschenrassen, [* 8] den Jagdvölkern entsprechen, in verhältnismäßig wenig zahlreichen Herden leben und nicht leicht gemeinsame Operationen ausführen. Andre zeigen in ihrer Architektur mehr Kunst, domestizieren Blattläuse und sind den Hirtenvölkern vergleichbar; ihre Gesellschaften sind zahlreicher, und sie jagen mehr gemeinsam. Endlich gibt es erntende Ameisen, welche den entwickeltsten Typus darstellen und den ackerbautreibenden Völkern vergleichbar sind. Die Charakterzüge der verschiedenen Arten differieren sehr stark: manche sind furchtsam, von geringer Initiative, andre sehr kühn, kriegerisch, grausam;
einige Arten verteidigen sich mutig, andre stellen sich tot, rollen sich zusammen etc.;
manche Ameisen ¶
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halten Sklaven und zwar Individuen einer andern Ameisenart. Die rote Ameise, welche ihre Brut nicht selbst zu versorgen vermag, zieht in regelmäßigen Kriegsmärschen aus, um sich aus der Behausung der schwarzgrauen Ameise (Formica fusca und F. cunicularia) durch stürmischen Angriff und harten Kampf Larven und Puppen zu erbeuten. Durch die bereits im Bau befindlichen Sklaven wird dann diese erbeutete Brut wie die einheimische der Herren ernährt und großgezogen.
Aber die Sklavenameisen tragen und nähren auch ihre rötlichen Herren, welche wegen Unvollkommenheit ihrer Freßwerkzeuge sonst verhungern müßten. Bei manchen Arten fehlen die Arbeiter, und Männchen und Weibchen leben mit den Arbeitern einer andern Art in demselben Bau. Auch F. sanguinea geht auf solchen Sklavenraub aus, doch arbeiten deren Arbeiter gleich ihren Sklaven. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in welchen gewisse Arten in ihren drei Formen in den Nestern einer andern Art leben.
Diese sogen. Gastameisen dürften oft nicht im stande sein, in selbständigen Kolonien zu existieren. Die kleine Stenamma Westwoodii lebt ausschließlich in den Nestern von Formica rufa und benimmt sich gegen diese ganz so wie etwa Hunde [* 10] oder Katzen [* 11] gegen die Menschen. Die kleine Solenopsis fugax dagegen, welche kleine Galerien in den Mauern der Ameisenhaufen größerer Arten aushöhlt, raubt letztern die Larven, um sie zu fressen. Öfters geraten Haufen von verschiedenen Arten, ja selbst nahegelegene von derselben Art untereinander in heftige Kriege, welche jeden Morgen erneuert werden, und wobei viele unterliegen, bis entweder ein abkühlender Regen oder das Auswandern des einen Haufens der Fehde ein Ende macht. Vorräte schleppen die in die gemeinsame Wohnung nur wenig und bei uns gar nicht ein, da sie im Winter keiner Nahrung bedürfen.
Die Nahrung der Ameisen besteht aus animalischen und vegetabilischen Stoffen; besonders lieben sie Süßigkeiten, den Honigsaft mancher Pflanzen, der Blatt- und Schildläuse, süßes Obst, Zucker, [* 12] Sirup, Honig u. dgl. Sie wissen diese Gegenstände mit bewunderungswürdigem Scharfsinn aufzufinden und dringen in sorgfältig verwahrte Vorratskammern und schwache Bienenstöcke ein. Außerdem fressen sie Regenwürmer, Raupen und andre kleinere Tiere (Frösche, [* 13] Mäuse etc.), welche man durch sie skelettieren lassen kann, indem man dieselben in durchlöcherte Schachteln legt und diese in einen Ameisenhaufen gräbt. An größere Äser gehen sie ungern, an Getreide [* 14] und ähnliche Sämereien bei uns gar nicht. Mit toten und stinkenden Fischen kann man sie wie mit Petersilie und Kerbel vertreiben. Auch Teer, Thran, Spieköl, Holunderblüten (frisch und getrocknet) sind den Ameisen zuwider.
Die Ameisen sind erklärte Feinde fast der ganzen übrigen Insektenwelt; lebende wie tote Kerfe schleppen sie in ihr Nest und fressen sie bis auf die harte Haut [* 15] oder Schale auf. Nur zu gunsten einiger Arten machen sie eine Ausnahme. So hegen sie für die Blattläuse (Aphis) eine ganz besondere Freundschaft, indem sie den Honigsaft, den dieselben aus dem Hinterleib absondern, aufsaugen und, um die Absonderung desselben zu befördern, sie sanft mit den Fühlern streicheln und klopfen (Milchkühe der Ameisen). Von abgestorbenen Zweigen nehmen sie dieselben behutsam ab, um sie auf saftreiche zu versetzen, und im Spätsommer bringen sie dieselben unter die Erde an die Wurzeln der Gewächse.
Oft aber entführen sie auch die Blattläuse in ihre Nester, um sie wie Haustiere auszunutzen, oder umgeben eine Gesellschaft von Blattläusen mit einem Gehäuse von Erde oder andern Baustoffen, tragen auch ihre Larven in dasselbe oder setzen eine Blattlausgesellschaft durch einen bedeckten Gang [* 16] mit ihrem Nest in Verbindung (stallfütternde Ameisen). Eine Anzahl von Insekten sind längere oder kürzere Zeit auf Ameisenhaufen wie auf eine Pfleg- und Versorgungsanstalt angewiesen.
Gegen 300 Insektenarten leben im unentwickelten Zustand in Ameisenhaufen, wie die Larve des Goldkäfers (Cetonia aurata), oder finden sich nur gelegentlich und nicht ausschließlich in Ameisenhaufen, wie manche Kurzflügler [* 17] (Homalota, Tachyporus), während das Dasein andrer ganz an die Ameisen geknüpft ist, insofern sie ausschließlich in deren Haufen leben (Myrmedonia, Lomechusa) und von den Ameisen gepflegt und gefüttert werden. Man will beobachtet haben, daß die Ameisen die Hinterleibsspitze solcher Käfer [* 18] belecken, und schließt daraus, daß sie den Exkrementen derselben nachgehen. Die meisten dieser sogen. Inquilinen oder Myrmekophilen (»Ameisenfreunde«) beherbergt die Waldameise (Formica rufa) und die Holzameise (F. fuliginosa). Über die Beziehung mancher dieser Insekten, welche förmlich wie Haustiere von den Ameisen gehalten werden, zu diesen ist man noch im unklaren. Viele andre Insekten, namentlich die Laufkäfer, [* 19] sind Ameisenfeinde und halten sich in der Nähe der Ameisenhaufen auf, um deren Puppen nachzustellen.
Nutzen und Schade der Ameisen mögen sich im allgemeinen, wenigstens in Deutschland, [* 20] das Gleichgewicht [* 21] halten. Die Ameisen töten eine Menge schädlicher Insekten, namentlich Raupen und Käfer, und werden auch medizinisch benutzt. Dagegen richten sie in der Haus-, Land- und Gartenwirtschaft auch manchen Schaden an, indem sie der Süßigkeit der Speisen und Früchte nachgehen, in Bienenstöcken nicht nur den Honig, sondern selbst die zarten Bienenpuppen verzehren etc. Von Gärtnern sind die kleinen, braunen oder schwarzbraunen Ameisen, welche sich zwischen den Wurzeln der Topfpflanzen (besonders gern in Warmhäusern und Lohbeeten) öfters in außerordentlicher Menge ansiedeln, große Löcher in die Wurzeln fressen und hierdurch sowie durch ihre ätzende Säure die Wurzeln verderben, sehr gefürchtet.
Weit lästiger sind die in den heißen Ländern. Große, rotgelbe Arten dringen in die Wohnungen ein und beunruhigen die Schlafenden in den Betten, während eine kleinere, schwarze Art empfindlich beißt. Die am weitesten verbreitete Formica omnivora wird in Kasan [* 22] häufig zur Landplage. Die Treiberameisen (Anomma arcens Westwood) an der Westküste von Afrika [* 23] leben ohne feste Baue unter Baumwurzeln etc. und ziehen nachts oder bei trüben Tagen auf Beute aus. Sie töten durch ihre Menge selbst große Tiere, indem sie ihren ersten Angriff vornehmlich auf deren Augen richten.
Wenn sie nachts in die Häuser eindringen, fliehen Ratten, Mäuse, Schaben und selbst die Menschen. Die Zuckerameise (Formica saccharivora) hat in Westindien [* 24] ganze Zuckerplantagen vernichtet. Dagegen leben die Eingebornen am Rio Negro [* 25] einen großen Teil des Jahrs von Ameisen, die sie zu einem Teig kneten und in Beuteln aufbewahren, und die dornhalsige Ameise (F. spinicollis) in Amerika [* 26] verfertigt aus Pflanzenwolle eine Art von Filz, der als Zunder benutzt wird. In China [* 27] benutzen die Gärtner eine Ameisenart zum Schutz ihrer Orangerien, um von diesen andre Insekten fern zu halten. Auf Ceylon [* 28] hat man in den Kaffeeplantagen eine Schildlaus durch künstlich angesiedelte Ameisen vertilgt ¶