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Frankreich werde sich nicht herablassen, mit einem Dei von Algier zu korrespondieren. Hierüber wütend, schlug der Dei den Konsul mit einem Fliegenwedel ins Gesicht [* 2] und erging sich gegen den König von Frankreich in Schmähungen. Nun erschien ein französisches Geschwader vor Algier, nahm den Konsul auf und begann, da der Dei die Annahme des französischen Ultimatums verweigerte, die Blockade Der Dei ließ dagegen die zur Korallenfischerei bei Bone gegründeten französischen Niederlassungen (18. Juni d. J.) zerstören.
Mit der Blockade wurde aber wenig ausgerichtet, und so beschloß die französische Regierung einen Hauptschlag. Am ging von Toulon [* 3] eine Flotte von 75 Kriegsschiffen und 400 Transportschiffen unter Vizeadmiral Duperré mit einem Landheer von 37,500 Mann unter General Bourmont unter Segel. Am 13. Juni ankerte die Flotte in der Bucht von Sidi el Ferruch, 5 Stunden westlich von Algier; am 15. landete das Heer ungehindert und rückte unter leichten Gefechten gegen Algier vor.
Die in der Ebene sich um die türkische Miliz des Deis sammelnden Beduinenmassen, gegen 40,000 Mann, griffen am 19. das französische Lager [* 4] vergeblich an, wogegen die Division Berthezène das Lager des Deis erstürmte. Nach Ankunft des schweren Geschützes wurde am 29. das Algiers Südseite verteidigende Kaiserfort, wohin sich die Türken zurückgezogen hatten, eingeschlossen. Am 4. Juli früh begann das Feuer, und schon um 10 Uhr [* 5] flog das Fort in die Luft. Algier wurde enger eingeschlossen und mit Breschbatterien umgeben.
Schon schickten sich die Franzosen an, die Kasba zu erstürmen, als der Dei Kapitulationsanträge machte. Übergabe und Abtretung der Stadt und des ganzen Landes an die Franzosen war das Resultat der Unterhandlung, und 5. Juli besetzten die Sieger die Thore und Festungswerke. Dem Dei nebst seiner Familie ward persönliche Freiheit, der Besitz seines Privatvermögens und die freie Wahl eines Wohnorts außerhalb Algeriens bewilligt. Allen Soldaten der türkischen Miliz wurde französischer Schutz zugesichert, den Einwohnern Achtung der Religion und des Eigentums, Freiheit des Handels und der Gewerbe und strenge Mannszucht. Alle Türken wurden nach Asien [* 6] (Smyrna) transportiert, die Sklaverei der Christen, alle Tribute der europäischen Staaten und alle Monopole für immer abgeschafft.
Mit der Einnahme Algiers war der Krieg noch nicht beendet. Der Bei von Titteri veranlaßte 23. Juli, als der Oberbefehlshaber das 8 Stunden von Algier entfernte Blida besetzte, einen allgemeinen Angriff der Araber auf die Franzosen, wodurch diese zum Rückzug genötigt wurden. Schon war Oran durch einen Vertrag gewonnen und das wichtige Bone besetzt, als der Sturz Karls X. durch die Julirevolution eine Stockung in den französischen Unternehmungen verursachte. Bourmont wollte sein Heer in die Vendée oder Normandie führen.
Aber die Truppen und die Flotte erklärten sich für die neue Regierung, worauf Bourmont 2. Sept. Algerien [* 7] verließ. Der neue französische König, Ludwig Philipp, sandte darauf den Marschall Clauzel als Gouverneur nach um das Land als französische Provinz zu organisieren. Clauzel setzte zu diesem Zweck 16. Okt. einen Regierungsausschuß mit drei Sektionen ein. Auch begann er sofort die Erweiterung des französischen Gebiets durch Streifzüge in das Innere und durch Kolonisationsversuche.
Doch wurde er schon im Februar 1831 abberufen, da er eigenmächtigerweise Oran und Konstantine an den Bei von Tunis abgetreten hatte. Sein Nachfolger, General Berthezène, richtete durch übereilte Neuerungen große Verwirrung an und reizte durch zahlreiche Konfiskationen und Sequestrationen die verschiedenen Klassen der Bevölkerung, [* 8] die Kabylen oder Berber, die Araber und die Türken (Kulugli), statt sie durch kluge Politik voneinander zu trennen, zu gemeinsamem Widerstand gegen die fremden Eindringlinge an. Zu Hunderten eilten Glücksritter aus Europa [* 9] nach um an der allgemeinen Beute teilzunehmen. So mißlang die französische Kolonisation in von vornherein, und trotz einiger guter Einrichtungen kam die Kolonie um keinen Schritt vorwärts.
Unter Savary (Dezember 1831 bis März 1833) wurde zwar Bone erobert, aber in Oran erhob sich der Emir von Mascara, Abd el Kader (s. d.), und der Kaiser von Marokko leistete demselben Vorschub, so daß in Oran die französische Herrschaft nicht weiter reichte als die Kanonen von Oran, Mostaganem und Arzew. Savarys Gewaltstreiche brachten bald die ganze Provinz zum Aufstand. Die wiederholten gerechten Klagen vermochten das Ministerium endlich, Savary zurückzurufen (März 1833) und zur Verantwortung zu ziehen; aber er starb schon 2. Juni d. J. Auch unter seinem Nachfolger Voirol war der Stand der afrikanischen Kolonie so traurig, daß auf Antrag der Kammer eine Kommission ernannt wurde, um den Zustand derselben zu prüfen.
Infolge dieser Untersuchung entschied man sich für die fernere Behauptung Algeriens; eine Ordonnanz vom verordnete, das eroberte Gebiet solle fortan »französische Besitzungen im Norden [* 10] Afrikas« heißen. Ein Generalgouverneur sollte mit dem Generalkommando zugleich die Administration führen und unter dem Kriegsministerium stehen, die Regierung aber mittels Ordonnanzen geschehen, welche von dem Gouverneur entworfen und von dem Kriegsminister bestätigt werden sollten. Für die Justiz wurden Tribunale erster Instanz zu Algier, Bone, Oran, ein Obertribunal und ein Handelstribunal zu Algier eingesetzt und ein Generalprokurator ernannt, welcher das einheimische Recht prüfen und mit der neuen Justizverfassung in Übereinstimmung bringen sollte.
Während nun
geordnetere Zustände eintraten, ruhten in entferntern Teilen der
Provinz die
Waffen
[* 11] nicht, besonders in
Konstantine
und
Oran. Mit
Abd el Kader kam endlich ein erster
Friede zu stande, in welchem der
Emir den König der
Franzosen
als Lehnsherrn anerkannte und
Freundschaft und Einigkeit zwischen beiden
Nationen auf jede
Weise zu befördern
versprach. Derselbe war aber nicht von langer Dauer.
General Trézel verlor die
Schlacht an der Makta gegen den
Emir.
Marschall Clauzel, der im August 1835 auf den friedfertigen Drouet d'Erlon als Gouverneur folgte, zerstörte im Dezember Abd el Kaders Residenz Mascara und schlug ihn mehrere Male, aber ohne durchgreifenden und dauernden Erfolg. Besonders traurig lief Clauzels Zug gegen Konstantine ab. Von den 8000 Mann, mit denen Clauzel im November 1836 von Bone ausgezogen, kehrten nur 2800 zurück: der Rest war durch Hunger, Kälte, Krankheit und die Scharen Achmed Beis aufgerieben worden. Clauzel wurde daher im Februar 1837 zum zweitenmal abberufen und durch General Damrémont ersetzt, der sofort eine neue Expedition gegen Konstantine betrieb, während General Bugeaud Abd el Kader zum Frieden zu zwingen suchte. Wirklich wurde unweit der Tafna der zweite Friede unterzeichnet und ¶
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15. Juni zu Paris [* 13] ratifiziert, durch den Frankreich in den Besitz eines beträchtlichen Teils von Oran und des größten Teils der Provinz Algier diesseit des Atlas [* 14] kam. Unterdes zog Damrémont mit 15,000 Mann gegen Konstantine; 10. Okt. begann das Feuer der Belagerer, am 12. fiel Damrémont, von einer Kanonenkugel getroffen. Der Befehlshaber der Artillerie, Generalleutnant Graf Valée, übernahm das Kommando und stürmte 13. Okt. die alte Felsenfeste. General Valée wurde zum Generalgouverneur von Algerien ernannt.
Seit der Einnahme von Konstantine wurde das System planloser Kriegführung verlassen und das allmählicher Ausbreitung der französischen Herrschaft nach bestimmtem Plan und auf möglichst friedlichem Weg angenommen, welches gleich an Valée einen entschiedenen Verteidiger fand und die Sicherung der Provinz Konstantine, die fast unblutige Einnahme von Stora, Milah und La Calle (1838 und 1839) sowie die Vernichtung der Macht Achmed Beis zur Folge hatte.
Inzwischen eröffnete Abd el Kader, den Frieden von Tafna brechend, die Feindseligkeiten abermals. Wiederholte Verhandlungen und neue geplante Vereinbarungen blieben resultatlos. Abd el Kader predigte den Söhnen der Wüste überall den »heiligen Krieg« zur Vernichtung der Franzosen. Im November 1839 fielen die Araber über die Niederlassungen der Europäer her, und bis zum 24. Nov. waren die Franzosen und ihre Herrschaft vom platten Land verschwunden und auf die Festungen und festen Lager beschränkt.
Erst im folgenden Frühjahr nach Eintreffen der nötigen Verstärkungen konnte Valée den Rachekrieg eröffnen, richtete aber
wenig aus. Valée erhielt deshalb den Generalleutnant Bugeaud zum Nachfolger Das von diesem angenommene System,
einesteils den Feind durch unun
terbrochene Razzias zu ermüden und daneben die Künste der Bestechung spielen
zu lassen, andernteils in größern Expeditionen die Macht des Emirs aufzureiben und durch Besetzung und Zerstörung seiner
festen Stützpunkte im Innern sein Ansehen zu untergraben und seine Hilfsquellen zu verstopfen, bewirkte glänzende Erfolge. 1841 wurde
Mascara besetzt (30. Mai), dann Abd el Kaders letztes Bollwerk, Saida, zerstört (Oktober), und nachdem 1842 (30. Jan.)
Tlemsen und (9. Febr.) das feste Tafrua gefallen waren, sah sich der Emir gezwungen, auf marokkanischem Gebiet Zuflucht zu suchen,
worauf sich die meisten der ihm bisher anhängenden Stämme ergaben oder sich wenigstens ruhig verhielten.
Schon wähnte man, nachdem ein Einfall Abd el Kaders abgeschlagen worden, die Pazifikation beendigt, als plötzlich im Sommer 1842 der
Emir von neuem auf dem Kampfplatz erschien, viele Stämme ihm wieder zufielen und bald alles eben Gewonnene wieder in Frage
gestellt war. Auch in den folgenden Feldzügen, an denen des Königs vierter Sohn, der Herzog von Aumale,
teilnahm (welcher 1843 Abd el Kaders Smalah, d. h. sein bewegliches Lager, durch Überfall nahm), wurde den Franzosen kein entscheidender
Erfolg zu teil, da der Emir in Marokko jederzeit nicht bloß eine Zuflucht, sondern auch Unterstützung zu neuen Einfällen
in Algerien fand.
Daß die hierfür geforderte Genugthuung verweigert und bei den angeknüpften Verhandlungen Verrat versucht
wurde, machte 1844 für Frankreich zur Sicherung Algeriens den Krieg gegen Marokko notwendig. Nach mehrfachen Plänkeleien, in
denen Abd el Kader mit seinen Reitern die Vorhut der Marokkaner bildete, griff Bugeaud 14. Aug. das weit ausgedehnte marokkanische
Lager an. An den Furten des Flusses Isly begann der Kampf, der trotz des tapfern Widerstands und der überlegenen
Reiterei der Marokkaner bereits mittags mit einem entscheidenden Sieg der Franzosen endete. Da gleichzeitig ein französisches
Geschwader unter dem Prinzen von Joinville an der marokkanischen Küste erschienen war, Tanger (6. Aug.) und Mogador
(10. Aug.) bombardiert und die vor letzterm Hafen liegende Insel (16. Aug.) erobert hatte, so kam unter Vermittelung Englands der Friede
zwischen Frankreich und Marokko zu stande, wonach sich der Kaiser von Marokko verpflichtete, Abd el Kader keine Art von Vorschub
zu leisten. Aber schon im Frühjahr 1845 stand der unermüdliche Abd el Kader wieder auf algerischem Gebiet.
Der Krieg wurde von beiden Seiten mit steigender Grausamkeit geführt. Bugeaud arbeitete gleichzeitig unermüdet an der Verbesserung
der algerischen Zustände; er gründete nicht nur militärisch eingerichtete Kolonien, sondern rief auch die Zivilorganisation
ins Leben. Im Mai 1847 kehrte er nach Frankreich zurück, worauf General Bedeau provisorisch als Generalgouverneur
folgte. Abd el Kader gewann mehrere marokkanische Stämme, kämpfte 1847 glücklich gegen die Marokkaner, bedrohte Fes und schien
nach der Herrschaft über Marokko zu streben, als er vom Sultan Abd ur Rahmân (11. Dez.) geschlagen und zum Übertritt auf französisches
Gebiet genötigt wurde (21. Dez.). Als er sich aber nach der Wüste zurückziehen wollte, verlegten ihm die Franzosen den Weg, worauf
er sich an sie ergab. General Lamoricière führte ihn 24. Dez. zu dem im September zum Generalgouverneur ernannten Herzog von Aumale,
der ihn nach Frankreich bringen ließ. Durch die eingeführte neue Verwaltungsordnung
trat für
jede der drei Provinzen Algier, Oran und Konstantine neben dem Militärgouvernement eine Direktion der Zivilverwaltung mit je
einem Konseil unter dem Vorsitz des Direktors in Wirksamkeit.
Die Pariser Februarrevolution aber störte die eben beginnende Entwickelung. An Stelle des Herzogs von Aumale ernannte die provisorische Regierung den General Cavaignac zum Generalgouverneur, welcher eine mildere und liberalere Praxis einführte. Als Cavaignac im Mai als Deputierter für das Departement Lot in die Nationalversammlung trat, wurde Changarnier Generalgouverneur in Algerien. Unter Cavaignacs Einfluß beschloß die Nationalversammlung, daß Algerien französisches Gebiet bleiben und vier Deputierte der Kolonie an den Beratungen über algerische Angelegenheiten teilnehmen sollten.
Der Krieg gegen die Stämme dauerte inzwischen fort, und wiederholte Aufstände hielten die französische Armee unausgesetzt in Atem. Im September wurde General Charron Generalgouverneur. Um die Bevölkerung in Algerien zu vermehren, wurden seit September 1848 einige Kolonien von Arbeitern aus Paris dahin geführt, welche jedoch nicht gedeihen wollten. Die schon früher beschlossene Deportation Verurteilter nach Algerien kam seit dem Staatsstreich vom zur Ausführung, indem Lambessa neben Cayenne zur Deportationskolonie bestimmt wurde. In den folgenden Jahren machte namentlich Kabylien die Aufbietung bedeutenderer Streitkräfte nötig. 1851 erhoben sich fast alle Gebirgsstämme zwischen Dschidschelli, Philippeville und Milah. Auf einer der kühnsten und gefahrvollsten Expeditionen besiegte General Saint-Arnaud innerhalb 80 Tagen sämtliche empörten ¶