mehr
Provinz Mauretania Cäsariensis, von der noch später die
Provinz Mauretania Sitifensis abgetrennt wurde. Die
Provinz befand
sich unter den römischen
Kaisern im blühendsten Zustand und hatte viele volkreiche
Städte, allein
123 Bischofsitze. Aber
durch die verwüstenden Einfälle erst der
Vandalen, dann der Araber sank das nördliche
Afrika
[* 2] in die alte
Barbarei zurück, und unter den Arabern erhob sich Al
gerien
[* 3] nicht wieder zu der frühern
Blüte.
[* 4] Um 935 gründete der arabische
Fürst Zeiri auf der
Stelle der karthagischen Pflanzstadt, später römischen Veteranenkolonie Icosium die Stadt
Al
Dschesair,
das jetzige
Algier.
Seine Nachkommen herrschten im Land bis 1148, nach ihnen bis 1269 die Almohaden von Marokko. Dann zerfiel das Land in mehrere kleinere Gebiete. Zu dem bedeutendsten, dem Königreich Tlemsen, unter den Zizaniden, gehörte Algier. Die Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien [* 5] (1492) führte Nordafrika eine Menge neuer Ansiedler zu; diese aber waren Erbfeinde der Christen, und Seeräuberei wurde ihr Hauptgewerbe. Schon Ferdinand der Katholische zog gegen sie, nahm 1509 Oran und Bugia und 1510 die Stadt Algier selbst, wo er vor dem Hafen ein Kastell errichtete, um das Raubnest zu überwachen.
Gegen die
Spanier rief der
Emir der
Mitidscha,
Selim Eutemi, den türkischen Piratenhäuptling
Horuk
Barbarossa zu
Hilfe, der 1515 in
Al
gerien landete und sich nach Ermordung
Selim Eutemis zum Herrscher von Al
gerien machte, dann auch die
Sultane von
Tenes und
Tlemsen ihrer
Gebiete beraubte, aber 1518 auf einem
Streifzug gegen einen Beduinenstamm fiel.
Der von den algerischen
Korsaren hierauf zum
Sultan ausgerufene
Bruder
Horuks, Chaireddin
Barbarossa, stellte 1519 sein
Reich unter die Lehnshoheit der
Pforte, wurde
Pascha und erhielt türkische
Hilfstruppen, mit denen er die
Spanier aus ihrem Inselfort vertrieb; er verband dieses
durch einen
Damm mit
Algier, dessen
Hafen dadurch sehr verbessert wurde.
Chaireddin eroberte auch Tunis und wurde an der Spitze seiner Piratenschiffe der Schrecken der Christen im Mittelmeer. Kaiser Karl V. unternahm eine große Expedition gegen Algerien und landete mit einer Flotte von 370 Segeln und 30,000 Mann, mußte aber, nachdem furchtbares Unwetter sein Lager [* 6] und viele Schiffe [* 7] zerstört hatte, nach schweren Verlusten abziehen. So dauerten die Raubzüge der algerischen Korsaren im Mittelmeer fort. Dieselben erweiterten ihre Macht auch im Innern und eroberten noch vor dem Ende des 16. Jahrh. alles westlich gelegene Land bis zur Grenze von Marokko, außer dem spanischen Oran.
Damals hatten die algerischen Korsaren oft über 200 Schiffe in See, und ihre Raubzüge erstreckten sich in den Atlantischen Ozean hinaus. Im J. 1600 erlangten die türkischen Janitscharen das Recht, einen Dei aus ihrer Mitte zu wählen, der neben dem Pascha stehen und ihr Befehlshaber sein sollte. Seitdem kam es oft zu innern Kämpfen. Mehrere Angriffe, welche die Engländer 1655 und mit den Holländern 1669 und 1670 auf Algerien machten, blieben ohne Resultat. Erst Ludwig XIV. von Frankreich trat energischer gegen die Piraten auf. Am beschoß Admiral Duquesne Algier ziemlich erfolglos.
Ein zweites Bombardement richtete zwar in der Stadt Schaden an, hatte aber sonst auch keine Wirkung. Aber 1687 wurde Algier unter Marschall d'Estrées bombardiert und größtenteils in Asche gelegt. Gleichwohl erlangte Frankreich nur einen zweifelhaften Frieden. Im J. 1708 ging Oran, die letzte Besitzung der Spanier an der Küste Algeriens, an den Dei Ibrahim verloren. Dessen Nachfolger Baba Ali machte sich von der Pforte thatsächlich unabhängig und entrichtete keinen Tribut mehr nach Konstantinopel. [* 8] Algerien bildete seitdem eine Soldatenrepublik unter dem von den Janitscharen gewählten Dei, diesem zur Seite stand ein Diwan oder Staatsrat aus 60 der vornehmsten Beamten. 1732 eroberten die Spanier Oran und Mers el Kebir wieder und behielten diese Plätze bis 1791. Ihre letzte große Expedition gegen Algerien (1775) scheiterte völlig. So trotzte das Raubnest den christlichen Mächten nach wie vor und machte sich die schwächern tributär.
Nur während der Kriege zwischen Frankreich und England zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts hielt die Anwesenheit großer Kriegsflotten im Mittelmeer die Korsaren im Zaum. Nach dem Friedensschluß von 1814 begann das alte Unwesen wieder. Zwar schritten nun die Vereinigten Staaten [* 9] von Nordamerika [* 10] ein. Der amerikanische Kommodore Decatur schlug bei Cartagena die algerische Flotte und erzwang die Unverletzlichkeit der Unionsflagge. Als darauf der Dei die Mannschaft von 359 italienischen Schiffen, welche die Erlaubnis zum Korallenfischen für Geld erlangt hatten und unter britischer Flagge in Bone lagen, überfallen und niedermetzeln ließ, erzwang eine englisch-niederländische Flotte unter Admiral Exmouth 28. Aug. durch ein Bombardement von Algier die Freilassung von 1211 Christensklaven sowie das Versprechen, von der Seeräuberei abzulassen.
Aber schon 1817 wagten sich algerische Seeräuber wieder bis in die Nordsee und nahmen Schiffe der Mächte weg, welche ihnen nicht Tribut und Geschenke bewilligt hatten. So zahlte noch 1829 das Königreich beider Sizilien [* 11] jährlich 24,000 Piaster Tribut, und zu Ähnlichem hatten sich Portugal, Toscana, Sardinien, [* 12] Schweden [* 13] und Dänemark [* 14] verstehen müssen; selbst England bequemte sich, bei jedem Konsulwechsel ein Geschenk von 600 Pfd. Sterl. zu machen. Österreich [* 15] war durch Vermittelung der Pforte von Tribut und Konsulargeschenken frei. Hannover [* 16] und Bremen [* 17] zahlten ansehnliche Gratifikationen, und die Schiffe der übrigen Staaten waren den algerischen Korsaren preisgegeben. Die Gefangenen verfielen nach wie vor der Sklaverei, und alle Vorstellungen der christlichen Mächte blieben unbeachtet.
Um sich von den Janitscharen, die 1817 den Dei Omar ermordet hatten, zu befreien, verlegte dessen Nachfolger Ali seine Residenz in die Citadelle (Kasba), bemächtigte sich daselbst des heiligen Schatzes und gewann damit die Mauren und Neger, mit deren Hilfe er die Janitscharen im Zaum hielt. Ihm folgte im Februar 1818 Husein, unter welchem das moslemische Regiment in Algerien infolge eines Konflikts mit Frankreich sein Ende erreichte. Wiederholte Verletzungen der französischen Flagge und 1823 eine solche der Wohnung des französischen Konsularagenten hatten schon eine feindliche Spannung erzeugt, als noch ein Streitpunkt hinzukam, indem der Dei von Frankreich die Zahlung einer hohen Summe, welche dies für 1798 während der ägyptischen Expedition von algerischen Juden geliefertes Getreide [* 18] schuldig sei, verlangte. Ein hierauf bezüglicher Brief des Deis an den König von Frankreich blieb ohne Antwort. Als nun am Beiramfest 1827 der Dei die Konsuln empfing, fragte er den französischen Konsul Deval nach der Ursache dieses Stillschweigens. Dieser antwortete beleidigend, der König von ¶
mehr
Frankreich werde sich nicht herablassen, mit einem Dei von Algier zu korrespondieren. Hierüber wütend, schlug der Dei den Konsul mit einem Fliegenwedel ins Gesicht [* 20] und erging sich gegen den König von Frankreich in Schmähungen. Nun erschien ein französisches Geschwader vor Algier, nahm den Konsul auf und begann, da der Dei die Annahme des französischen Ultimatums verweigerte, die Blockade Der Dei ließ dagegen die zur Korallenfischerei bei Bone gegründeten französischen Niederlassungen (18. Juni d. J.) zerstören.
Mit der Blockade wurde aber wenig ausgerichtet, und so beschloß die französische Regierung einen Hauptschlag. Am ging von Toulon [* 21] eine Flotte von 75 Kriegsschiffen und 400 Transportschiffen unter Vizeadmiral Duperré mit einem Landheer von 37,500 Mann unter General Bourmont unter Segel. Am 13. Juni ankerte die Flotte in der Bucht von Sidi el Ferruch, 5 Stunden westlich von Algier; am 15. landete das Heer ungehindert und rückte unter leichten Gefechten gegen Algier vor.
Die in der Ebene sich um die türkische Miliz des Deis sammelnden Beduinenmassen, gegen 40,000 Mann, griffen am 19. das französische Lager vergeblich an, wogegen die Division Berthezène das Lager des Deis erstürmte. Nach Ankunft des schweren Geschützes wurde am 29. das Algiers Südseite verteidigende Kaiserfort, wohin sich die Türken zurückgezogen hatten, eingeschlossen. Am 4. Juli früh begann das Feuer, und schon um 10 Uhr [* 22] flog das Fort in die Luft. Algier wurde enger eingeschlossen und mit Breschbatterien umgeben.
Schon schickten sich die Franzosen an, die Kasba zu erstürmen, als der Dei Kapitulationsanträge machte. Übergabe und Abtretung der Stadt und des ganzen Landes an die Franzosen war das Resultat der Unterhandlung, und 5. Juli besetzten die Sieger die Thore und Festungswerke. Dem Dei nebst seiner Familie ward persönliche Freiheit, der Besitz seines Privatvermögens und die freie Wahl eines Wohnorts außerhalb Algeriens bewilligt. Allen Soldaten der türkischen Miliz wurde französischer Schutz zugesichert, den Einwohnern Achtung der Religion und des Eigentums, Freiheit des Handels und der Gewerbe und strenge Mannszucht. Alle Türken wurden nach Asien [* 23] (Smyrna) transportiert, die Sklaverei der Christen, alle Tribute der europäischen Staaten und alle Monopole für immer abgeschafft.
Mit der Einnahme Algiers war der Krieg noch nicht beendet. Der Bei von Titteri veranlaßte 23. Juli, als der Oberbefehlshaber das 8 Stunden von Algier entfernte Blida besetzte, einen allgemeinen Angriff der Araber auf die Franzosen, wodurch diese zum Rückzug genötigt wurden. Schon war Oran durch einen Vertrag gewonnen und das wichtige Bone besetzt, als der Sturz Karls X. durch die Julirevolution eine Stockung in den französischen Unternehmungen verursachte. Bourmont wollte sein Heer in die Vendée oder Normandie führen.
Aber die Truppen und die Flotte erklärten sich für die neue Regierung, worauf Bourmont 2. Sept. Algerien verließ. Der neue französische König, Ludwig Philipp, sandte darauf den Marschall Clauzel als Gouverneur nach um das Land als französische Provinz zu organisieren. Clauzel setzte zu diesem Zweck 16. Okt. einen Regierungsausschuß mit drei Sektionen ein. Auch begann er sofort die Erweiterung des französischen Gebiets durch Streifzüge in das Innere und durch Kolonisationsversuche.
Doch wurde er schon im Februar 1831 abberufen, da er eigenmächtigerweise Oran und Konstantine an den Bei von Tunis abgetreten hatte. Sein Nachfolger, General Berthezène, richtete durch übereilte Neuerungen große Verwirrung an und reizte durch zahlreiche Konfiskationen und Sequestrationen die verschiedenen Klassen der Bevölkerung, [* 24] die Kabylen oder Berber, die Araber und die Türken (Kulugli), statt sie durch kluge Politik voneinander zu trennen, zu gemeinsamem Widerstand gegen die fremden Eindringlinge an. Zu Hunderten eilten Glücksritter aus Europa [* 25] nach um an der allgemeinen Beute teilzunehmen. So mißlang die französische Kolonisation in von vornherein, und trotz einiger guter Einrichtungen kam die Kolonie um keinen Schritt vorwärts.
Unter Savary (Dezember 1831 bis März 1833) wurde zwar Bone erobert, aber in Oran erhob sich der Emir von Mascara, Abd el Kader (s. d.), und der Kaiser von Marokko leistete demselben Vorschub, so daß in Oran die französische Herrschaft nicht weiter reichte als die Kanonen von Oran, Mostaganem und Arzew. Savarys Gewaltstreiche brachten bald die ganze Provinz zum Aufstand. Die wiederholten gerechten Klagen vermochten das Ministerium endlich, Savary zurückzurufen (März 1833) und zur Verantwortung zu ziehen; aber er starb schon 2. Juni d. J. Auch unter seinem Nachfolger Voirol war der Stand der afrikanischen Kolonie so traurig, daß auf Antrag der Kammer eine Kommission ernannt wurde, um den Zustand derselben zu prüfen.
Infolge dieser Untersuchung entschied man sich für die fernere Behauptung Algeriens; eine Ordonnanz vom verordnete, das eroberte Gebiet solle fortan »französische Besitzungen im Norden [* 26] Afrikas« heißen. Ein Generalgouverneur sollte mit dem Generalkommando zugleich die Administration führen und unter dem Kriegsministerium stehen, die Regierung aber mittels Ordonnanzen geschehen, welche von dem Gouverneur entworfen und von dem Kriegsminister bestätigt werden sollten. Für die Justiz wurden Tribunale erster Instanz zu Algier, Bone, Oran, ein Obertribunal und ein Handelstribunal zu Algier eingesetzt und ein Generalprokurator ernannt, welcher das einheimische Recht prüfen und mit der neuen Justizverfassung in Übereinstimmung bringen sollte.
Während nun geordnetere Zustände eintraten, ruhten in entferntern Teilen der Provinz die Waffen [* 27] nicht, besonders in Konstantine und Oran. Mit Abd el Kader kam endlich ein erster Friede zu stande, in welchem der Emir den König der Franzosen als Lehnsherrn anerkannte und Freundschaft und Einigkeit zwischen beiden Nationen auf jede Weise zu befördern versprach. Derselbe war aber nicht von langer Dauer. General Trézel verlor die Schlacht an der Makta gegen den Emir.
Marschall Clauzel, der im August 1835 auf den friedfertigen Drouet d'Erlon als Gouverneur folgte, zerstörte im Dezember Abd el Kaders Residenz Mascara und schlug ihn mehrere Male, aber ohne durchgreifenden und dauernden Erfolg. Besonders traurig lief Clauzels Zug gegen Konstantine ab. Von den 8000 Mann, mit denen Clauzel im November 1836 von Bone ausgezogen, kehrten nur 2800 zurück: der Rest war durch Hunger, Kälte, Krankheit und die Scharen Achmed Beis aufgerieben worden. Clauzel wurde daher im Februar 1837 zum zweitenmal abberufen und durch General Damrémont ersetzt, der sofort eine neue Expedition gegen Konstantine betrieb, während General Bugeaud Abd el Kader zum Frieden zu zwingen suchte. Wirklich wurde unweit der Tafna der zweite Friede unterzeichnet und ¶