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Mystik ziehenden Juliane v. Krüdener (s. d.) entstand bei dem christlich-frommen Kaiser zuerst die Idee der Heiligen Allianz (s. d.), durch deren Verwirklichung er den Frieden der Welt auf einer von den Seitherigen politischen Bündnissen weit abweichenden Grundlage festzustellen trachtete, welche aber nur die Handhabe für die politische Reaktion wurde und, statt die Gemüter zu beruhigen, die Unzufriedenheit mit der bestehenden Ordnung nur noch steigerte.
Alexander
, dadurch erschreckt und, wie es scheint, durch böswillige Einflüsterungen gegen die
Völker mit Mißtrauen erfüllt,
versuchte mit andern
Fürsten gewaltsame
Gegenmittel. Man beriet und beschloß in diesem
Sinn auf den
Kongressen zu
Troppau,
[* 2]
Laibach
[* 3] und
Verona,
[* 4] und Alexander
bot willig die
Hand,
[* 5] mit den
Aufständen auch den politischen Fortschritt der
Völker
zu unterdrücken. In Rußland wurden die
Zensur und die strengste Überwachung der Büchereinfuhr wieder eingeführt, die
Wissenschaft, Litteratur und der
Unterricht gefesselt, Untersuchungen wegen demagogischer
Umtriebe eingeleitet, die Freimaurerlogen
und Missionsgesellschaften unterdrückt und allmählich alle
Pläne für
Reform und Fortbildung aufgegeben.
Über das ganze Reich breitete sich das Netz einer offenen und geheimen Polizei, welche allen Verkehr hemmte. Die Erfahrung, daß durch alle diese Maßregeln der Geist des Widerstandes sich nicht bannen ließ, verbitterte das krankhaft erregte Gemüt des Kaisers, der teils in den Zerstreuungen eines glänzenden, üppig-frömmelnden Hofs, teils in religiöser Mystik Zerstreuung und Befriedigung suchte. Die Entwickelung des griechischen Aufstandes brachte zugleich die Politik des Kaisers in schreienden Widerspruch mit der öffentlichen Meinung.
Sein
Volk war den Glaubensverwandten zugethan; Alexander
aber mißbilligte den
Aufstand der
Hellenen,
weil er darin nur eine Auflehnung
gegen ihren rechtmäßigen Oberherrn erblickte. Der
Tod seiner einzigen, heißgeliebten natürlichen Tochter,
die furchtbare
Überschwemmung, die 1824
Petersburg
[* 6] heimsuchte, endlich die
Furcht vor einer russisch-polnischen
Verschwörung
gegen das
Haus
Romanow trugen nicht wenig dazu bei, das
Herz des
Kaisers zu brechen. Körperlich leidend, verdüsterten
Gemüts
und voll Todesgedanken trat er Mitte
September 1825 mit seiner kranken Gemahlin eine
Reise in die
Krim
[* 7] an,
wo er von einem der
Halbinsel eigentümlichen
Fieber ergriffen wurde.
Über seinen Zustand besorgt, ließ er sich nach
Taganrog bringen und starb 1. Dez. in diesem fernen
Winkel
[* 8] des
Reichs.
Die Macht Rußlands stieg unter Alexander
zu einer gewaltigen
Höhe. Der
Wiener
Friede und sehr glücklich beendete
Kriege gegen
Schweden,
[* 9]
Persien
[* 10] und die Türkei
[* 11] führten zur Erwerbung des
Königreichs
Polen,
Bialystoks,
Finnlands,
Grusiens,
Schirwans
und
Bessarabiens mit zusammen etwa 10 Mill. Einw.
Fast wichtiger noch waren die innere Erstarkung Rußlands und der Einfluß,
den es auf die Angelegenheiten
Europas gewann. Unter den vielen
Denkmälern, die Alexanders
Andenken in
Rußland verewigen, ist besonders die großartige, 1832 auf dem Schloßplatz in
Petersburg aufgestellte Alexander
säule zu
erwähnen.
Vgl. Comtesse Choiseul-Gouffier, Mémoires historiques sur l'empereur Alexandre et la cour de Russie (Par. 1829);
Dieselbe, Reminiscences sur l'empereur Alexandre I (Besançon [* 12] 1862);
Bogdanowitsch, Geschichte der
Regierung
des
Kaisers Alexander
(russisch, Petersb. 1869, 4 Bde.);
Golowin, Histoire d'Alexandre I (Leipz. 1859);
Joynville, Life and times of Alexander
I. (Lond. 1875, 3 Bde.).
18) Alexander
II. Nikolajewitsch,
Kaiser von Rußland, Sohn des
Kaisers
Nikolaus I. und der
Kaiserin
Alexandra, geb. 29. (17.) April
1818, genoß unter der Leitung des Dichters
Shukowskij eine treffliche
Erziehung, trat aber in den öffentlichen Angelegenheiten
in keiner
Weise eingreifend hervor. Das Gerücht schrieb ihm eine friedliche, weise, wohlwollende
Richtung, nicht aber eben
Thatkraft und
Festigkeit
[* 13] zu. Indessen ward, nachdem Alexander
nach dem
Tod seines
Vaters 2. März den Zarenthron
bestiegen, der
Krieg gegen die
Pforte zunächst mit unermüdeter
Energie fortgesetzt, und der
Kaiser besuchte im
November selbst
Odessa
[* 14] und die
Krim. Der
Pariser
Friede (1856) schwächte dann zwar Rußlands Machtstellung im
Orient sehr, doch erholte es sich
von dieser
Niederlage durch die nach außen wie im Innern vorsichtige, aber energische
Politik des
Kaisers
bald völlig.
Auch nach diesem Frieden ward die Unterwerfung der kaukasischen Bergvölker fortgesetzt und vollendet, während zugleich die weiten Gebiete zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aralsee unter russischen Einfluß gebracht und zum Teil völlig okkupiert wurden. Noch wichtiger als diese Erwerbungen war die von in Angriff genommene innere Reform, als deren wesentlichste Bestandteile die seit 1862 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft und die neue Militärorganisation zu bezeichnen sind.
Trotz großer Schwierigkeiten, die diesen
Reformen entgegenstanden, wurden sie durch die ruhige, vorsichtige
Festigkeit Alexanders
dennoch durchgeführt.
Unmittelbar an jene schloß sich der polnische
Aufstand an, der 1863 mit schonungsloser
Härte niedergeworfen wurde. Die große Bedeutung der
Reformen und die völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse,
welche durch dieselben herbeigeführt wurde, konnten nicht verfehlen, in vielen davon betroffenen
Kreisen tiefgehende Mißstimmung
hervorzurufen und in der großenteils ungebildeten
Bevölkerung
[* 15] die Verbreitung sozialistischer und kommunistischer
Ideen zu begünstigen (s.
Nihilismus), während der
Sieg über die
Polen die nationale
Leidenschaft der
Russen erweckte und die
panslawistischen Bestrebungen ins
Leben rief.
Dabei machte Alexander keine energischen Versuche, die Korruption in der Büreaukratie zu unterdrücken; vielmehr duldete er gewissenlose, habsüchtige Beamte in seiner nächsten Umgebung in hohen Stellungen. Daher stieg die Unzufriedenheit in gewissen Schichten des Volks auch gegen Alexanders wohlwollende Regierung immer höher. Ein im April 1866 von dem Edelmann Karakosow versuchtes Attentat auf den Kaiser, das durch den Bauer Kommissarow verhindert wurde, veranlaßte eingehende Untersuchungen, welche die Existenz zahlreicher politischer Geheimbünde aufdeckten.
Dies und ein zweites Attentat, welches während der Pariser Ausstellung (1867) von einem wahnsinnigen Polen, Berezewski, versucht wurde, machten auf den Kaiser tiefen Eindruck und verminderten seine Neigung zu reformatorischem Vorgehen. Die Zensur wurde in alter Strenge wiederhergestellt und ein umfassendes polizeiliches Überwachungssystem eingerichtet. Während des Kriegs zwischen Österreich [* 16] und Preußen [* 17] 1866 bewahrte Alexander eine neutrale, aber preußenfreundliche Haltung. Auch während des Kriegs zwischen Frankreich und Deutschland [* 18] 1870/71 gab Alexander seine Sympathien durch Ordensverleihungen an die deutschen Heerführer und durch Ernennung des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich Karl zu russischen Generalfeldmarschällen kund. Infolge dieses Kriegs erlangte Alexander eine besonders hohe ¶
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Machtstellung: das neue Deutsche Reich [* 20] und sein Kaiser waren durch Dankbarkeit und verwandtschaftliche Bande ihm verpflichtet, und Frankreich bewarb sich eifrig um seine Freundschaft, um seine Hilfe zu dem Revanchekrieg zu gewinnen. Doch bewahrte Alexander seine deutschfreundliche Haltung und ging 1872 auf das Dreikaiserbündnis ein, welches auf einer persönlichen Zusammenkunft mit den Kaisern Wilhelm und Franz Joseph zu Berlin [* 21] im September d. J. geschlossen wurde, der langen Spannung zwischen Rußland und Österreich ein Ende machte und den Frieden der Welt aufrecht zu erhalten bestimmt war. Alexander verzichtete auf die Einmischung in einen etwanigen Konflikt Deutschlands [* 22] mit Frankreich, erlangte aber dafür freie Hand im Osten.
Der Feldzug nach Chiwa 1873 erweiterte Rußlands Macht im Innern Asiens beträchtlich, hatte aber zunächst noch keinen Konflikt mit England zur Folge. Im Gegenteil schien sich 1874 durch die Heirat der einzigen Tochter Alexanders, Maria, mit dem Herzog von Edinburg [* 23] sogar eine Annäherung zwischen Rußland und England zu vollziehen, und im Mai machte in England einen Besuch. Währenddessen betrieb er mit Eifer die Reorganisation der Armee nach deutschem Muster; aber noch ehe dieselbe vollendet war, wurde er fast wider Willen durch die hochgehende panslawistische Agitation, welche namentlich die altrussischen Adels- und Beamtenkreise ergriffen hatte, zur neuen Einmischung in die orientalische Frage gedrängt. Er duldete die Unterstützung Serbiens und Montenegros durch Freiwillige und Gelder, nahm selbst bei dem Sohn des Fürsten Milan Patenstelle an und sprach sein lebhaftes Mitgefühl für die Christen in der Türkei und seinen ernstlichen Willen aus, ihr Los endgültig zu bessern.
Bei der Begrüßung seitens des Adels in Moskau [* 24] ließ er sich durch die drohende Haltung Disraelis in seiner Rede vom 9. Nov. zu einer sehr kriegerischen Rede provozieren, welche ihn im Fall des Scheiterns der Konferenz in Konstantinopel [* 25] zum Krieg verpflichtete. Im April 1877 begab sich Alexander mit Gortschakow nach Bessarabien, folgte der vorrückenden Donauarmee durch Rumänien [* 26] nach Bulgarien und schlug sein Hauptquartier in Gorny Studen auf, wo er auch während der Unglücksfälle, welche Juli bis September die russische Armee betrafen und in arge Bedrängnis brachten, standhaft ausharrte.
Von der unerwarteten ungünstigen Wendung des ihm aufgedrungenen Kriegs ward er hart betroffen, und erst als der Fall von Plewna [* 27] den Eindruck der frühern Niederlagen verwischt hatte, kehrte er nach Petersburg zurück, wo er am 22. mit ungeheurem Jubel empfangen wurde. Auch nach dem Krieg blieb seine Lage inmitten der sich bekämpfenden Richtungen in Rußland, besonders nach den neuen Exzessen der Nihilisten 1879, eine schwierige. Mehrere Attentate wurden auf das Leben des Kaisers von den Nihilisten unternommen: schoß Solowiew beim Palais fünf Schüsse auf Alexander ab;
1. Dez. d. J. versuchten die Nihilisten bei Moskau den Eisenbahnzug, in dem Alexander fuhr, und das Winterpalais in die Luft zu sprengen.
Die strengsten Gegenmaßregeln waren die Folgen davon. Am starb seine Gemahlin, die Kaiserin Maria Alexandrowna, Prinzessin von Hessen [* 28] (geb. vermählt 1841). Wenige Wochen darauf vermählte er sich mit einer Fürstin Dolgorukij, mit welcher er schon seit längerer Zeit in vertrauten Beziehungen gestanden, und von der er mehrere Kinder hatte. Noch in den letzten Monaten seines Lebens beschäftigten den Kaiser Reformentwürfe, wie er denn gerade unmittelbar vor seiner Katastrophe die Berufung von Deputierten aus denjenigen Gebieten des Reichs, in denen die Landschaftsverfassung eingeführt war, zum Zweck der Durchberatung großartiger Veränderungen im Staatsleben Rußlands beschlossen hatte. Da machte 13. (1.) März 1881 ein von der Nihilistenpartei sehr geschickt angelegtes Attentat, an welchem mehrere Personen beteiligt waren, seinem Leben ein Ende.
Auf der Fahrt von der Michaelmanege, wo der Kaiser militärischen Übungen beigewohnt hatte, zum Winterpalais, am Katharinenkanal, wurde er durch Dynamitbomben tödlich verwundet, so daß er anderthalb Stunden später im Winterpalais starb. Sein ältester Sohn, Nikolaus (geb. 1843), starb 1865. Außer dem Thronfolger, jetzigen Kaiser Alexander III., hatte Alexander II. noch vier Söhne:
1) Wladimir, geb.
2) Alexei, geb.
4) Paul, geb.
Vgl. Golowin, Rußland unter Alexander II. (Leipz. 1870);
Laferté, Alexandre II, études inédits sur sa vie intime et sa mort (Bas. 1882).
19) Alexander III. Alexandrowitsch, Kaiser von Rußland, Sohn des vorigen und der Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt, geb. 10. März ward durch den Tod seines ältern Bruders, Nikolaus, Thronfolger und vermählte sich 9. Nov. mit dessen Braut Maria Feodorowna (Prinzessin Dagmar von Dänemark), [* 29] geb. Tochter König Christians IX. Aus dieser Ehe stammen:
1) Nikolaus (der jetzige Thronfolger), geb.
2) Georg, geb.
3) Xenia, geb.
5) Olga, geb. Alexander kommandierte im Türkenkrieg 1877 den linken Flügel der Donauarmee (11., 12. und 13. Korps). Nach dem Übergang der Russen über den Balkan verließ er die Armee und begab sich nach Petersburg. Alexander galt früher wohl als Anhänger des Panslawismus und Feind des Deutschtums und der deutschfreundlichen Politik seines Vaters, nahm indessen eine vermittelnde Stellung ein. Durch das jähe Ende seines Vaters 13. (1.) März 1881 auf den Thron [* 30] berufen, zeigte er in der allerersten Zeit eine beobachtende, zuwartende Haltung, bis sich eine gewisse Hinneigung zu den Tendenzen der reaktionären Moskauer Partei wahrnehmen ließ. Die Erwartung, daß er gründliche Reformen vornehmen und dem Reich eine neue Verfassung geben werde, erfüllte er vorerst nicht. In der auswärtigen Politik nahm er eine friedfertige Haltung ein und näherte sich Deutschland und Österreich. Seine Krönung fand im Mai 1883 zu Moskau statt.
[Schottland.]
20) Alexander I., Sohn Malcolms III., regierte 1107-24 über den nördlichen Teil Schottlands. Er begünstigte die Kirche und gründete ein Kloster zu Scone. - 21) Alexander II., Sohn Wilhelms des Löwen, [* 31] folgte diesem 1214, unterwarf die bis dahin von der schottischen Krone unabhängige Landschaft Argyll, starb 1249. - 22) Alexander III. Sohn des vorigen, folgte ihm 1249, kämpfte seit 1263 mit den Königen von Norwegen um den Besitz der Hebriden und erwarb diese durch einen Vertrag von 1266. Mit ihm starb der Mannesstamm der schottischen Könige aus, und heftige Thronstreitigkeiten folgten.
[Serbien.]
23) Alexander Karageorgewitsch, Fürst von Serbien, Sohn Czerny Georgs (Karageorgs), des ¶