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welche, phantastisch ausgeschmückt, Wünsche als Thatsachen hinstellten und so die Versuche, dasselbe Ziel zu erreichen, gerechtfertigt erscheinen ließen. Hierin und in der fortdauernden Herrschaft der Aristotelischen Lehren [* 2] haben wir den einfachen Schlüssel zu der auffallenden Thatsache, daß sich mehrere Jahrhunderte hindurch die erleuchtetsten Geister sämtlicher Nationen mit der Aufgabe, Gold [* 3] zu machen, beschäftigten.
Die unwissenschaftliche
Richtung kam zuerst in die Alchimie durch die
Anschauung, es gebe einen
Stoff, welcher alle
Körper in
Gold
verwandle.
Diesen
Stoff nannten die Alchimisten
Magisterium, während
Geber, der größte Chemiker seiner Zeit, einen
Stoff, der
alle
Krankheiten heilen sollte,
Magisterium nannte. Diese
Übereinstimmung des
Namens führte zu der
Annahme,
daß ein
Stoff beide
Eigenschaften vereinige, daß er alle
Körper in
Gold verwandle, und daß er alle
Krankheiten heile.
Auch die bilderreiche
Sprache,
[* 4] deren sich
Geber, wie alle Alchimisten, bediente, gab
Anlaß zu dem gleichen
Irrtum. Er will an
einer
Stelle sagen: »Gebt mir die sechs unvollkommenen
Metalle
(Silber,
Quecksilber,
Blei,
[* 5]
Kupfer,
[* 6]
Eisen
[* 7] und
Zinn), damit ich sie in das vollkommene
Metall
(Gold) verwandle«, und drückt dies aus: »Bringt mir die sechs Aussätzigen,
daß ich sie heile«. Diese
Worte konnten leicht mißverstanden werden, ebenso wie die oft vorkommende Bestimmung späterer
Alchimisten, daß man ein, zwei, sechs oder mehr
Vaterunser beten solle, den
Wahn hervorrief, daß die
Anrufung
Gottes bei diesen
Arbeiten notwendig sei, während doch in
Wahrheit jene Bestimmung nur die Zeitdauer der
Operation
angeben sollte.
Wie der
Stoff, den jene Alchimisten suchten, beschaffen sei, darüber waren die Meinungen sehr geteilt; der eine sagt, er
sei ein rotes, der andre, er sei ein safrangelbes
Pulver, der dritte bezeichnet ihn als eine biegsame,
der vierte als eine spröde
Substanz etc.; darin aber stimmten alle Alchimisten überein, daß diese
Substanz, wenn man sie
auf schmelzendes
Metall werfe, dasselbe in
Gold verwandle. In der quantitativen
Wirkung gehen aber wieder
die Meinungen auseinander; der eine meint, man könne das 10-100fache
Gewicht der
Substanz in
Gold verwandeln, ein zweiter,
das 1000fache etc., ja
Raimundus Lullus (gest. 1315) geht so weit, daß er sagt, wenn das
Meer von
Quecksilber wäre, so wolle
er es in
Gold verwandeln.
Geber war der Repräsentant der Alchimie, wie sie sich unter den Arabern bis zum 19. Jahrh. ausgebildet hatte; von jener Zeit an verbreitete sich das Studium der Alchimie über alle Länder, und die Geschichte nennt viele Namen, welche für die Entwickelung der Chemie von Bedeutung waren, aber sämtlich unter dem Bann der alchimistischen Anschauungen standen. Zu ihnen gehört Raimundus Lullus, welcher die wunderbarsten Resultate erhalten haben wollte, was nicht in Erstaunen setzen kann, wenn man bedenkt, daß er ein Fanatiker im höchsten Sinn des Worts war, der nur deshalb Gold machen wollte, um es zu einem Kreuzzug gegen die Ungläubigen zu verwenden; dann der berühmte deutsche Bischof Albert von Bollstädt, genannt Albertus Magnus, welcher in seinem Werk über Alchimie deutlich sagt, er habe gefunden, daß die Verwandlung in Gold und Silber möglich sei, und gleichzeitig mit ihm Arnold Bachuone, genannt Arnoldus Villanovus, und Roger Baco.
Villanovus unterscheidet übrigens ausdrücklich das philosophische Gold von dem natürlichen, denn er sagt: »Wenn auch die Alchimisten die Substanz und die Farbe nachmachen können, so geben sie demselben doch nicht die früher aufgezählten guten Eigenschaften desselben«. Aus späterer Zeit sind bemerkenswert Nikolaus Flamel, von welchem eine angeblich genaue Beschreibung seiner Arbeiten existiert, die aber in so bilderreicher Sprache geschrieben ist, daß auch die erfahrensten Deuter der alchimistischen Schriften niemals eine Spur zum Entziffern gefunden haben, und die beiden holländischen Ärzte Isaak und Johann Hollandus.
Diese
beiden sind besonders bemerkenswert, weil man auf ihre
Autorität dem
Stein der Weisen (dies war schon damals die allgemeine
Bezeichnung für das Goldpulver) die
Kraft
[* 8] zuschrieb, das
ewige Leben zu geben. Sie selbst haben nicht
an solche
Wirkung gedacht, im Gegenteil, die betreffende
Stelle in der
Schrift des
Isaak Hollandus sagt ausdrücklich, man werde
gesund bleiben bis zu der
Stunde, welche Gott gesetzt hat; aber man hat den
Schlußsatz unbeachtet gelassen und so das Unwissenschaftliche
des alchimistischen
Strebens gesteigert. An die Genannten reiht sich im 15. Jahrh.
Basilius Valentinus, welcher behauptete,
der
Stein der Weisen könne 10-30 Teile unedlen
Metalls in
Gold verwandeln, und, um den ersten wissentlichen Fälscher unter
den Alchimisten nicht zu vergessen, der
Franzose Le
[* 9]
Cor, welcher, als Goldmacher vom König von
Frankreich
zum Finanzminister und Münzmeister erwählt, ganz einfach seine Goldmacherei in der
Weise betrieb, daß er mit dem
Stempel
des
Königs falsche
Münzen
[* 10] schlug und in
Umlauf setzte.
Das 15. Jahrh. bezeichnet die Grenze, wo die Betrügerei anfängt, in der Alchimie eine hervorragende Rolle zu spielen, und es folgt jetzt eine Reihe von Alchimisten, welche man nicht mehr zu den Männern der Wissenschaft zählen kann. Den Reigen eröffnet Le Cor;
dann kommt die Kaiserin Barbara, Witwe des Kaisers Siegmund, welche Kupfer und Arsenik zusammenschmolz und die so erhaltene weiße Legierung als Silber verkaufte;
später in England eine Reihe von Personen, welche sich auf den Wunsch des Königs Heinrich VI. mit der Alchimie beschäftigten;
dann in Deutschland [* 11] Sebald Schwarzer, welcher schließlich aber die Alchimie aufgab und als Berghauptmann in Joachimsthal starb;
ferner ein
Schotte, Kelley, welcher in
Prag
[* 12] im Gefängnis starb,
u.
v. alchimie. Zu erwähnen sind noch der
Pole Sendivogus, der
Schotte
Alexander Setonius, der Grieche
Laskaris,
der
Hamburger
Brandt, welcher bei seinen
Arbeiten die
Darstellung des
Phosphors entdeckte,
Böttger, welcher als Gefangener in
Sachsen
[* 13] die
Darstellung des
Porzellans fand, und Philaletha, welcher dem bekannten holländischen
Arzt
Helvetius ein
Stück von der
goldmachenden
Substanz gab, mit welcher dieser
, der bis dahin ein heftiger Gegner der Alchimie war, eine
Projektion
[* 14] ausführte, welche angeblich gelang. Im 17. Jahrh. nahm jedoch das
Treiben der Alchimisten allmählich ab;
Spuren finden sich noch vereinzelt, so im Anfang des 18. Jahrh. die Gesellschaft der Buccinatoren, die ihren Zentralpunkt in Nürnberg [* 15] hatte, und am Ende desselben Jahrhunderts die Hermetische Gesellschaft, an deren Spitze Kortum in Bochum, [* 16] der Verfasser der »Jobsiade«, stand.
In der neuesten Zeit tauchen nur noch sporadisch Alchimisten auf, z. B. der Franzose Javary, dessen sogar Baudrimont in seinem »Handwörterbuch der Chemie« mit der Bemerkung erwähnt, er habe Hoffnung, derselbe werde das große Werk vollbringen. Gegenwärtig hat die Alchimie allen Boden verloren, und solange nicht nachgewiesen ist, daß die chemischen Elemente keine einfachen Stoffe, sondern Verbindungen uns bis jetzt noch nicht bekannter Körper sind, kann von künstlicher Erzeugung von Gold keine Rede sein. ¶
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Allerdings mehren sich die Anzeichen, daß die jetzigen Elemente nicht die höchste Stufe chemischer Erkenntnis darstellen; doch
haben wir noch gar keinen Anhalt,
[* 18] auf welchem Weg es gelingen möchte, dieselben
zu zerlegen. Mit dem Nachweis, daß Gold ein
zusammengesetzter Körper ist, würde freilich auch die Möglichkeit gegeben sein, es aus seinen Bestandteilen
zusammenzusetzen. Jedenfalls würde man zu solchem Ziel nicht durch vereinzelte planlose Versuche, sondern nur auf streng wissenschaftlichem
Wege gelangen.
Was die Frage anlangt, ob schon jemals Gold gemacht worden ist, so müssen wir sie trotz aller beglaubigten Zeugnisse, welche darüber existieren, entschieden verneinen; wir können in vielen Fällen die Täuschung, welche vorgenommen wurde, genau konstatieren, in andern Fällen läßt sie sich mit ziemlicher Gewißheit nachweisen, und in den wenigen Fällen, wo uns jede Erklärung fehlt, müssen wir annehmen, daß die Vorbereitungen so geschickt getroffen waren, daß sich heute nicht mehr der Weg bestimmen läßt, auf welchem das Gold in den Schmelztiegel gekommen ist.
Vgl. Kopp, Geschichte der Chemie (Braunschw. 1843-47, 4 Bde.);
Derselbe, Beiträge zur Geschichte der Chemie (das. 1869-75, 3 Stück);
Schmieder, Geschichte der Alchimie (Halle [* 19] 1832);
Lewinstein, Die Alchimie und die Alchimisten (Berl. 1870).