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und Wucher traten dieselben vielfach als Wohlthätigkeitsanstalten (montes pietatis) auf. Eine der wichtigsten Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung war die der Bank des heil. Georg zu Genua, deren Ursprung auf das 12. Jahrh. zurückgeführt wird, und die 1407 durch Vereinigung verschiedener Gesellschaften gebildet wurde. Wie diese Bank, so sind auch früher die Banken andrer Länder aus Staatsanlehen hervorgegangen, welche die Gewährung verschiedener Rechte, insbesondere das der beschränkten Haftung, gleichzeitig aber auch staatliche Beeinflussung veranlaßten. Die 1694 gegründete Bank von England sollte nur bis zum Betrag des der Regierung gewährten Darlehens von 1,200,000 Pfd. Sterl. Schulden machen dürfen, für weitere Schulden waren die Aktionäre nach Maßgabe ihres Aktienbesitzes persönlich haftbar. Vorzüglich gab der überseeische Handel zur Gründung vieler privilegierter Aktiengesellschaften unter dem Titel von Handelskompanien Veranlassung, so der Holländisch-Ostindischen (1602-1734), der Holländisch-Westindischen (1621-1734), der Englisch-Ostindischen (1599, beziehentlich 1613-1858), der englischen Südseekompanie, der französischen Compagnie des Indes occidentales (1628-74), der Compagnie d'occident (1717), welche zuerst Inhaberaktien ausgab, u. a. Eine hervorragendere Bedeutung gewannen aber die Aktiengesellschaften mit der modernen Änderung der Technik und des Verkehrswesens, welche mehr Gelegenheiten zur Bildung großer Unternehmungen geschaffen hat (Fabriken, Bergbau, Eisenbahnen, Versicherungswesen). Aber wie zur Zeit der Handelskompanien (Südseeschwindel in England, Laws Unternehmungen in Frankreich), so boten auch die Eigentümlichkeiten des Aktienwesens in der neuern Zeit ein weites Feld der Bethätigung für Spiel- u. Gewinnsucht, Übervorteilung und Schwindel.
Die Quelle dieser Übelstände sucht man meist im Aktienrecht und dessen Entwickelung. Nach Renaud lassen sich in der Geschichte der Aktiengesetzgebung zwei Richtungen unterscheiden. Die eine, welche auf dem europäischen Kontinent vorherrscht, betrachtet die Aktiengesellschaft als eine neue Rechtsbildung, welche nur als Ganzes thätig ist, deren Mitglieder in keinem obligatorischen Verhältnis unter sich stehen und den Vereinsgläubigern nicht verhaftet sind. Die Mitgliedschaft ist übertragbar, die Ausgabe von Inhaberaktien gestattet. Die andre Richtung ist dem englisch-nordamerikanischen Recht eigentümlich. Dieselbe betrachtet, von besondern Privilegien abgesehen, die Vereine, deren Kapital von mehreren nach Aktien zusammengebracht ist, als Gesellschaften im Sinn des Zivilgesetzbuchs, bei welchen alle Genossen solidarisch für die von den Vertretern der Gesellschaft in deren Namen eingegangenen Verbindlichkeiten haften. Hiernach ist die mit solcher Haftung unverträgliche Inhaberaktie nicht gestattet.
Besonders interessant ist nun die Entwickelung des Aktienrechts in Frankreich und England. In Frankreich gab es schon seit dem 17. Jahrh., vorzüglich aber in den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrh. zahlreiche Aktiengesellschaften mit beschränkter Haftung, mit der Generalversammlung als höchstem Vereinsorgan mit durch den Aktienbesitz bedingtem Stimmrecht und mit dem Rechte der Ausgabe von Inhaberaktien als »negoziabler Ware« (zuerst 1717 durch die Compagnie d'occident), welche später, jedoch nur vorübergehend, verboten wurde. Eigentümlich ist diesen Gesellschaften die Privilegierung und Abhängigkeit von der Regierung mit staatlicher Überwachung. Neben den privilegierten Kompanien bildeten sich im 18. Jahrh. auch Privatgesellschaften, welche durch Anwendung von Rechtsklauseln sich beschränkte Haftbarkeit zu sichern suchten. Doch stellt ein Gesetz von 1793 ausdrücklich die Forderung der Staatsgenehmigung, an welcher bis in die neuere Zeit festgehalten wurde. Nachdem das Recht der Aktiengesellschaften (sociétés anonymes) im Code de commerce geregelt worden war, gestattete ein Gesetz vom 23. Mai 1863 neben denselben auch die Société à responsabilité limitée, für welche Staatsgenehmigung nicht erforderlich, die aber gewisse gesetzliche Normativbestimmungen einzuhalten hatten. Dies Gesetz wurde durch Gesetz vom 24. Juli 1867 aufgehoben, welches nur die eine Art der Sociétés anonymes zuläßt, dieselben vom Erfordernis staatlicher Genehmigung befreit, dagegen zur Verhütung von Mißbrauch die gleichen Beschränkungen anordnet wie das erstere Gesetz (geringste Mitgliederzahl 7 Personen; geringster Betrag Aktien und Aktienanteile 100 Frank, wenn das Kapital nicht größer als 200,000 Fr., sonst 500 Fr.; Zeichnung des ganzen Kapitals und Einzahlung von 25 Proz.; genaue, von einer zweiten Generalversammlung zu genehmigende Einschätzung der Apports sowie der für einzelne Mitglieder ausbedungenen Vorteile als Bedingung für Entstehung der Gesellschaft; Verkäuflichkeit der Aktien als Nominativaktien nach Einzahlung von 25 Proz. ihres Nominalwerts; die Generalversammlung kann, wenn dies statutenmäßig zulässig, auch die Ausgabe von Inhaberaktien beschließen, sobald 50 Proz. des Kapitals eingezahlt sind, doch bleiben die ersten Zeichner und weitern Inhaber der Aktien noch zwei Jahre lang für den Rest verhaftet). Die Aktiengesellschaft kann auch als Société à capital variable errichtet werden, so daß das Kapital durch allmähliche Einzahlungen oder Aufnahme neuer Mitglieder vermehrt, durch Herausnahme von Einlagen oder Teilen derselben vermindert wird; doch dürfen die Einlagen nicht unter eine im Statut festzusetzende Summe (mindestens ein Zehntel des ursprünglichen Vereinsvermögens) sinken. Das anfängliche Grundkapital darf 200,000 Fr. nicht übersteigen, Aktien werden nur auf Namen und nicht unter 50 Fr. ausgestellt.
In England führte der Südseeschwindel mit seinem Börsenspiel zum Erlaß der Bubble Act vom 18. Aug. 1720. Nachdem vorher zahlreiche nicht privilegierte Gesellschaften sich gebildet hatten, welche sich der solidarischen Haftung durch Ausgabe von Inhaberaktien zu entziehen suchten, wurden jetzt alle nicht von der Krone durch Freibriefe oder vom Parlament inkorporierten Gesellschaften unterdrückt und die Gründung neuer Vereine mit Ausschließung der Solidarhaft und Übertragbarkeit der Anteile verboten. Das Jahr 1824 brachte ein neues Gründungsfieber (auf etwa 400 Mill. Pfd. Sterl. der damals gegründeten und projektierten Gesellschaften wurden nur 17,6 Mill. wirklich eingezahlt). Infolgedessen wurde 1825 die genannte Akte aufgehoben, und es trat das gemeine Recht für Aktiengesellschaften wieder in Kraft. Das Eisenbahnwesen mit den an dasselbe geknüpften Mißbräuchen gab Veranlassung zum Gesetz vom 5. Juli 1844, dasselbe stellte für alle andere als die durch königliche Freibriefe oder durch das Parlament inkorporierten Kapitalgesellschaften die Solidarhaft wieder her (joint stock companies without limited liability). Doch wurden durch Gesetze vom 14. Aug. 1855, 14. Juli 1856, 13. Juli 1857 wieder Erleichterungen gewährt. Die Joint companies' Acts von 1856 und 1857 gestatteten allen Vereinen (jedoch den Banken von 1858, den
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Versicherungsgesellschaften von 1862 ab), sich als Joint stock companies with limited liability zu konstituieren. Weiter ging die Companys' Act vom 7. Aug. 1862, nach welcher sich jeder Verein von wenigstens sieben Personen mit oder ohne Zerlegung seines Vermögens in Kapitalanteile (shares) frei bilden kann. Es wurden gestattet Kapitalvereine: 1) mit unbeschränkter Solidarhaft (company unlimited having a capital divided into shares); 2) mit auf die Anteile beschränkter Haftung (company limited by shares); 3) mit einer bestimmt begrenzten, über den Betrag der Aktie hinausgehenden Haftung (company limited by guarantee and having a capital divided into shares). Bei beschränkter Haftbarkeit müssen Firma und Anzeigen mit dem Beisatz limited versehen sein. Die Staatsaufsicht ist nur eine regressive, direkte Regierungseinmischung findet nur auf Antrag eines Teils der Aktionäre statt. War durch dieses Gesetz die Inhaberaktie noch verboten, so wurde sie durch die Companys' Act vom 20. Aug. 1867 für Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit unter der Bedingung der vollen Einzahlung des Aktienbetrags gestattet. Auch kann das Handelsamt die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit und mit Ausschließung der Dividendenzahlung zu gemeinnützigen Zwecken erlauben. Endlich gestattete die Companies' Act vom 15. Aug. 1879 allen Gesellschaften mit Solidarhaft, sich in solche mit beschränkter Haftbarkeit zu verwandeln. Dagegen bleibt bei Notenbanken, mit Ausnahme der Bank von England, die volle Haftbarkeit bestehen. Die Gründung erfolgt einfach durch Vereinigung von wenigstens sieben Personen und durch Eintrag beim Registrierungsamt. Die Zahl der Aktiengesellschaften Großbritanniens war 16. Febr. 1883: 8849 mit 489,2 Mill. Pfd. Sterl. Kapital.
In Deutschland gab es zwar auch früher Gesellschaften mit ähnlichen Einrichtungen wie die heutigen Aktiengesellschaften, so die Iglauer Tuchkompanie (1592-1620), die 1719 in Wien gegründete Orientalische Kompanie sowie einige unter Friedrich II. in Preußen ins Leben gerufene Gesellschaften; doch waren die meisten Gesellschaften Staatsanstalten mit privaten Vermögenseinlagen, errichtet auf Grund verliehener Spezialprivilegien. Nun machte der Eisenbahnbau den Erlaß allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nötig, so in Preußen des Eisenbahngesetzes vom 3. Nov. 1838, des Gesetzes über Aktiengesellschaften vom 9. Nov. 1843, des österreichischen Patents vom 26. Nov. 1852. Eine allgemeine Regelung trat durch das Handelsgesetzbuch, welches, wie die frühern Gesetze, am Erfordernis staatlicher Genehmigung festhielt. Doch wurde der Konzessionszwang für das Deutsche Reich durch Gesetz vom 11. Juni 1870, ebenso der Unterschied zwischen Aktien-Gesellschaften, welche Handelsgeschäfte treiben, und den übrigen (Zivil-) Aktiengesellschaften, die früher durch Landesgesetze geregelt wurden, aufgehoben. Auch in Ungarn wurde der Konzessionszwang 1875 beseitigt, während er, wie überhaupt die bezüglichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, in Cisleithanien noch in Kraft steht. Das neue Gesetz mit seinen die Konzession ersetzenden Normativbestimmungen erleichterte nicht allein die Gründung neuer Gesellschaften, sondern es bot auch Umgehungen und Mißbräuchen großen Spielraum.
In Preußen bestanden 1867 (ohne Eisenbahn- und Wegebaugesellschaften) 225 Aktiengesellschaften, davon waren konzessioniert 1790-1842:31, 1843-49:25, 1850-59:111 und 1860-67:58 Gesellschaften. Mit dem Jahr 1871, in welchem 185 neue Gesellschaften gegründet wurden, trat eine plötzliche Steigerung ein, die aber ebenso schnell wieder einer Abnahme Platz machte, denn es entstanden
1872: 470 Gesellschaften mit | 1477,7 Mill. Mk. |
1873: 237 - | 544,2 - |
1874: 84 - | 105,9 - |
Bis 1878 fiel die Zahl der gegründeten Gesellschaften auf 38 mit einem Aktienkapital von nur 13,2 Mill. Mk. Von da an stieg die Gründungsthätigkeit aber wieder schnell, so daß 1881:102 Gesellschaften mit einem Kapital von 199,2 Mill. Mk. entstanden und 1883:121 mit 86,3 Mill. Mk. Kapital. Die Gesamtzahl der in Preußen seit Einführung des Aktiengesetzes eingetragenen Aktiengesellschaften beträgt bis Ende 1883:1620; davon sind vom 1. Jan. 1872 bis 31. Dez. 1883 gegründet worden 1411 mit 2738,6 Mill. Mk. Kapital. Für 1882 liegen 1196 Bilanzen vor; danach verzinsten sich 93 Versicherungsgesellschaften (92 Mill. Kapital) mit 16,2, 41 chemische Fabriken (79,4 Mill.) mit 12,8, 42 Zuckerfabriken (45,7 Mill.) mit 10,6, 43 Gas- und Wasserversorgungen (50,5 Mill.) mit 10,7, 79 Textilfabriken (198,8 Mill.) mit 7,7, 205 Banken (1344,7 Mill.) mit 7, 95 Brauereien (114,7 Mill.) mit 5,5, 102 Anstalten der Metallindustrie (198,8 Mill.) mit 5,1, 50 Eisenbahnen (940,9 Mill.) mit 4,3, 115 Anstalten der Montanindustrie (823,8 Mill.) mit 2,9, 52 Baugesellschaften (138,7 Mill.) mit 1,4 Proz. Die Gummifabriken realisierten 10,6, die Müllerei 7,7, die Reederei 7,2, die Pferdebahnen 4,6, die Industrie der Steine und Erden 4,4, die in Holz und Leder 4,2 Proz. Doch können diese Zahlen nicht als absolut maßgebend für die Ertragsfähigkeit dieser Gesellschaften angesehen werden, da auch der relativ sehr verschiedene Stand der Obligationen, Hypotheken und Reservefonds in Betracht zu ziehen ist.
Die Reformbestrebungen der neuern Zeit zielen teils auf Wiedereinführung der Staatsgenehmigung, teils auf Erweiterung der Staatsaufsicht ab. Ferner wird vorgeschlagen, die Aktiengesellschaften möglichst durch öffentliche Unternehmungen (Staatseisenbahnen, Gemeindeanstalten) zu ersetzen, während von andrer Seite größere persönliche Verantwortlichkeit der Gründer und Gesellschaftsorgane, volle Öffentlichkeit, Wegfall statutarischer Vorbehalte für Gründer und erste Zeichner, Erweiterung der Individualrechte der Aktionäre, Ermöglichung einer schärfern Kontrolle etc. gefordert werden. Nicht alle Vorschläge sind unbedenklich. Die Geschichte des Aktienwesens beweist, daß Schwindel und Mißbrauch bei den verschiedensten gesetzlichen Regelungen vorkamen. Lassen sich dieselben auch durch gesetzliche Reformen zum Teil mindern und beseitigen, so wird doch das Publikum selbst durch Hebung der wirtschaftlichen Einsicht und Förderung einer gesunden Geschäftsmoral das Wichtigste zur Besserung beitragen müssen. Das deutsche Aktiengesetz vom 18. Juli 1884 bestrebt sich, die Mangel der seitherigen Gesetzgebung dadurch zu beseitigen, daß es die Pflichten des Aufsichtsrats schärfer präzisiert, seine Verantwortlichkeit erweitert, über eine Reihe von Gegenständen ausschließlich die Beschlußfassung der Generalversammlung vorbehält, den Mehrheitsbeschluß derselben möglichst unverfälscht zum Ausdruck bringen und den Aktionären Gelegenheit zur eignen Prüfung der Sachlage verschaffen will, daß es ferner die Minoritätsrechte in erweitertem Umfang zur Anerkennung bringt, die Haftung bei nicht voll eingezahlten Aktien ausdehnt, durch neue Bestimmungen über die Bildung eines Reservefonds eine größere Sicherheit für Unternehmen und Beteiligte zu erzielen sucht etc.