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führte ein riesiges Unternehmen, den Bau eines großen Nildamms, der den Flußlauf korrigierte und dem Ackerbau viele Tausend Acker Landes gewann, durch. Seine letzte Thätigkeit bezog sich auf die englische Überlandstraße und die Durchstechung des Isthmus von Suez (s. Suezkanal). Aber die Anzeichen von Geisteszerrüttung, die schon früher hervorgetreten, nahmen immer mehr überhand, so daß sein Adoptivsohn Ibrahim Pascha ihn von allem Verkehr abschloß und mit Genehmigung der Pforte (Juli 1848) die Regierung übernahm. Trotz seiner Schwäche überlebte der Vater den Sohn, der der Lungenschwindsucht erlag. Am folgte ihm der alte Pascha ins Grab nach, schmerzlich betrauert von den Bewohnern der Hauptstadt und allen, die unter seinem Aussaugungssystem nicht gelitten oder sich wohl gar bereichert hatten.
Nach der Erbfolgeordnung folgte der älteste männliche Sproß des Hauses, Abbas Pascha, Mehemed Alis Enkel, als Pascha. Er reduzierte die Marine auf das gebührende Maß, setzte die unverhältnismäßigen Gehalte der hohen Beamten auf ein Drittteil herab, beseitigte das Monopolwesen, legte den großen Grundpachtern das Handwerk und befreite dadurch die Masse der Landbebauer von willkürlichen Erpressungen und den Staatsschatz von indirekter Beraubung. Er suchte auf dem Weg friedlichen Verkehrs mit den innerafrikanischen Territorien die materielle und geistige Macht des Landes zu erweitern.
Mit der Pforte stand er sehr gut und erhielt bei Beginn des Krimkriegs mehrere bisher verweigerte Forderungen bewilligt, wie das Recht über Leben und Tod in seinem Land auf Lebenszeit und die unbeschränkte Autorität über alle Glieder [* 2] der Familie Mehemed Alis. Seitdem erwies er sich der Pforte stets gefällig, wie er namentlich den Sultan in dem bald darauf beginnenden Kriege gegen Rußland mit Truppen, Schiffen und Getreidelieferungen wirksam unterstützte. Als er plötzlich starb, folgte ihm nach der Senioratsordnung Said Pascha, der sechste Sohn Mehemed Alis.
Dem ihm vorausgehenden Ruf eines der europäischen Bildung warm zugethanen, wohlwollenden und aufgeklärten Mannes entsprachen Regierungsmaßregeln wie die Freigebung des Baumwoll- und Getreidehandels und das Verbot des Sklavenhandels. Für die Finanzverwaltung führte er eine Kontrolle ein, und seine persönlichen Ausgaben schied er von denen der Staatsverwaltung. Der Verwirklichung des Suezkanal-Projektes wandte er trotz der Anstrengungen Englands zur Vereitelung dieses Unternehmens und der Verweigerung der Zustimmung von seiten der Pforte eifriges Interesse und eine Teilnahme zu, welche seine finanziellen Kräfte überstieg.
Dadurch sowie durch seine Baulust, seine kostspieligen Reisen in die Hauptstädte Europas und seine maßlose Freigebigkeit belastete er das Land mit drückenden Schulden. Er starb und hatte seinen Neffen Ismail Pascha, einen Sohn Ibrahim Paschas, zum Nachfolger. Im allgemeinen bekannte sich dieser zu den Grundsätzen seines Vorgängers. Mit Eifer betrieb er den Bau des Suezkanals, der bei der von England beeinflußten Pforte auf Schwierigkeiten stieß.
Endlich rief er Napoleons III. Vermittelung an. Dieser trat im August 1864 mit einer Entscheidung hervor, welche die dringendsten Beschwerden der Pforte abstellte, auch den Forderungen Ägyptens der Kanalgesellschaft gegenüber mehrfach zur Anerkennung verhalf, anderseits aber den Fortgang des Kanalbaus sicherte, Ägypten [* 3] freilich mit enormen Geldopfern belastete. Zu deren Aufbringung gedachte der Pascha sich eines Scheinkonstitutionalismus zu bedienen. Am trat wiederum eine ägyptische Notabelnversammlung, aus 75 Mitgliedern aller Nationen bestehend, zusammen, um über Reform des Gerichtswesens, der Fronen etc. zu beraten, natürlich eine ganz wertlose Form.
Mit großen Opfern erlangte Ismail Pascha von der Pforte eine Änderung der Thronfolgeordnung, wonach die Herrschaft in direkter Linie forterben sollte, so daß die Brüder Ismail Paschas, namentlich der ihm verhaßte Fazyl Pascha, ihres Rechts beraubt und sein Sohn Tewfik Pascha präsumtiver Nachfolger wurde. Die Bedrängnis der Pforte durch den anfangs glücklichen Aufstand Kretas 1867 benutzte der Pascha, um derselben neue Zugeständnisse abzunötigen, namentlich eine Erhöhung seines Ranges, insofern er nicht mehr Wali, d. h. Statthalter, sondern Chedive, d. h. Vizekönig, heißen sollte.
Unabhängigkeitspläne waren unverkennbar, das zeigten das Wachstum der
Flotte und die
Vermehrung des
Heers. Damit stand auch
die
Reise
Ismail
Paschas nach
Europa
[* 4] und sein Besuch an den
Höfen von
Paris,
[* 5]
London,
[* 6]
Wien
[* 7] und
Brüssel
[* 8] in Zusammenhang, angeblich,
um die
Fürsten
Europas persönlich zu der bevorstehenden
Eröffnung des
Suezkanals einzuladen. Gegen dieses
selbständige
Verfahren sowie gegen die mit den Großmächten angeknüpften
Verhandlungen über Aufhebung der
Konsulargerichtsbarkeit
und Neutralisierung des
Suezkanals schritt aber die
Pforte 1869 ein und erlangte die
Auslieferung der
Panzerschiffe
[* 9] und
Zündnadelgewehre
sowie die
Reduktion des
Heers auf 30,000 Mann.
Ferner sollte der Chedive keine neuen Steuern ausschreiben, die Steuern überhaupt nur im Namen des Sultans erheben, ohne dessen Zustimmung keine Anleihen aufnehmen und sich des selbständigen Verkehrs mit den auswärtigen Mächten enthalten; die Antwort des Chedive (7. Nov.) fiel ungenügend aus, aber die gerade stattfindende feierliche Eröffnung des Suezkanals (16.-18. Nov.) und die Anwesenheit vieler fremder Fürstlichkeiten in Ägypten hielten den drohenden Bruch noch etwas hin.
Trotz der Vermittelungsversuche Englands und Frankreichs erklärte die Pforte (29. Nov.), daß Ismail Pascha, wenn er nicht gehorche, als abgesetzt anzusehen sei. Zu einem Krieg aber hatte der Chedive um so weniger Lust, als er von keiner Seite, selbst von Frankreich nicht, Hilfe hoffen durfte; so erklärte er denn, daß er fernerhin ohne Erlaubnis der Pforte keine neuen Steuern auflegen, keine Anleihen abschließen, sein Heer nicht über die vertragsmäßig festgesetzte Zahl vermehren, die Panzerschiffe ausliefern und keine selbständige Vertretung im Ausland halten wolle. Am wurde der diese Satzungen verkündende großherrliche Ferman in Kairo [* 10] verkündet.
Nach dem Tode des Großwesirs Aali Pascha des entschiedensten Gegners Ismails, erlangte dieser bei einem Besuch in Konstantinopel [* 11] (Juni 1872) durch Bestechung die Zustimmung der Pforte zur Abschaffung der Konsulargerichtsbarkeit und zur Justizreform nach europäischem Muster sowie einen neuen Ferman vom worin ihm sämtliche Privilegien des Fermans vom welche 1869 suspendiert worden waren, aufs neue gewährt, die Erlaubnis, ohne vorhergehendes Ansuchen Anleihen machen zu dürfen, erteilt und noch andre Zugeständnisse ¶
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gemacht wurden. Ja, 1873 verschaffte er sich von dem geldbedürftigen Sultan Abd ul Asis, der bei seiner unsinnigen Verschwendung für Geldbeisteuern sehr empfänglich war und gleichfalls mit einer Änderung der Thronfolgeordnung umging, einen neuen Ferman, welcher alle frühern an günstigen Bestimmungen übertraf. Durch denselben wurde die direkte Erbfolge nach dem Prinzip der Erstgeburt und der Linearsuccession aufrecht erhalten, völlige Unabhängigkeit der Verwaltung und Justiz sowie das Recht, Verträge mit fremden Staaten abzuschließen, Anleihen aufzunehmen, Münzen [* 13] zu prägen, die Stärke [* 14] der Armee zu bestimmen, Kriegsschiffe (außer Panzerschiffen) anzuschaffen, zugestanden.
Für alle diese Rechte und als Beweis seiner Anerkennung der Oberhoheit des Sultans sollte er an letztern einen jährlichen Tribut von 150,000 Beuteln (3 Mill. Mk.) bezahlen. Hiermit schien die völlige Unabhängigkeit Ägyptens von der Pforte begründet zu sein, und Ismail Pascha ging nun daran, sein Reich zu vergrößern. Die im Juli 1872 unternommene Expedition nach Abessinien, an deren Spitze der Schweizer Munzinger, Gouverneur von Massaua, [* 15] gestellt wurde, hatte die Annexion der nördlichen Teile Abessiniens zur Folge. Im Süden eröffnete sich 1874 dem Chedive eine neue Gelegenheit zur Erweiterung seines Gebiets.
Der Sultan von Dar Fur [* 16] war in die ägyptische Provinz Kordofan eingefallen, um Sklaven einzufangen. Ein kleines, aber europäisch ausgerüstetes Heer rückte darauf gegen den Sultan vor, schlug ihn in mehreren Gefechten (28. Jan., 17. Juni und 3. Juli), drang in Dar Fur selbst ein und nahm dasselbe, nachdem der Sultan gefallen, in Besitz. Darauf wurden Dar Fertit, die Somalstädte Zeila, Berbera u. a. und das Land Harar erobert. Sofort wurden die alten Straßen und Brunnen [* 17] in der Wüste wiederhergestellt, um das Land mit in bessere Verbindung zu bringen. Am traten auch die nach langen Verhandlungen mit den europäischen Mächten eingesetzten Gerichtshöfe, an der Spitze ein oberstes Gericht zu Alexandria, ins Leben, um an Stelle der bisherigen Konsulargerichtsbarkeit die Streitigkeiten der Einheimischen mit den Fremden und dieser unter sich zu entscheiden; wurden die betreffenden Gesetze publiziert.
Nun trat aber ein bisher durch große Anleihen und allerlei Blendwerk verhüllter Krebsschade in der ägyptischen Verwaltung
hervor, nämlich ein ungeheures Defizit in den Finanzen, welches hauptsächlich durch die unsinnige Verschwendung
des Chedive verursacht war. Um augenblickliche Hilfe zu schaffen, verkaufte dieser seine 176,602 Suezkanalaktien
für 4 Mill. Pfd. Sterl. an England und erbat sich zugleich von demselben einen tüchtigen Finanzmann
, um die ägyptischen
Finanzen zu ordnen.
Das englische Ministerium schickte auch 13. Dez. den Generalzahlmeister Cave zu diesem Zweck nach Ägypten ab. Obwohl dieser auch durch französische und italienische Financiers unterstützt wurde, vermochte er doch nicht, in das Chaos Ordnung zu bringen, da der Chedive vor allem nicht mit Ersparnissen in seinem luxuriösen Hofhalt beginnen wollte. Sowohl für die Staatsschuld als für die Privatschuld des Chedive wurde im Mai 1876 die Zahlung der Zinsen suspendiert, und zur Entschädigung wurden die verschiedenen Anleihen zu einer mit 7 Proz. zu verzinsenden Schuld unifiziert, auch für die schwebende Schuld 7 Proz. Obligationen mit 80 Proz. des Nominalwerts ausgegeben, endlich eine Oberfinanzkommission zur Überwachung der Obligationen eingesetzt.
Zwar
wurden die Steuern doppelt erhoben, den Beamten kein Gehalt, den Lieferanten keine Rechnungen bezahlt;
trotzdem mußte schließlich England mit einem Vorschuß für Bezahlung der Zinskoupons an die meistens englischen Gläubiger
eintreten. Zu dieser Zerrüttung der Finanzen kamen der unglückliche Ausgang des Kriegs mit Abessinien (s. d.) und 1877 ein
Aufstand in Dar Fur. Als der russisch-türkische Krieg ausbrach, schickte Ismail Pascha, seinen Vasallenpflichten
getreu, 6000 Mann
unter seinem in Berlin
[* 18] militärisch gebildeten Sohn Hassan Pascha der Türkei
[* 19] zu Hilfe.
Dieselben wurden der Armee im Festungsviereck zugeteilt, leisteten aber wenig. Im August 1878 kam es endlich in der Finanzfrage zu einer Vereinbarung mit den Westmächten, indem Nubar Pascha wieder zum leitenden Minister ernannt und zu durchgreifenden Reformen ermächtigt wurde; der Engländer Wilson trat ihm als Finanzminister, der Franzose Blignières als Bautenminister zur Seite. Der Chedive und seine Familie mußten ihren Privatgrundbesitz, die sogen. Daira, zur Verzinsung und Tilgung der Schulden hergeben. Durch eine Revolte der in großer Menge entlassenen Offiziere entledigte sich zwar der Chedive wieder Nubars und setzte im April auch Wilson und Blignières ab; ja, er verweigerte die Zinszahlung der unifizierten Schuld und suspendierte die Tilgung derselben.
Die Mächte verlangten aber nun von ihm die Abdankung, und als er sie verweigerte, ward er auf deren Betrieb vom
Sultan abgesetzt und sein Sohn Mehemed Tewfik Pascha an seiner Stelle zum Chedive ernannt. Der Ferman von 1873 wurde aufgehoben
und der von 1841 hergestellt; doch gestattete der Sultan die Abschließung von Zoll- und Handelsverträgen, die selbständige
Verwaltung der Finanzen und die Errichtung eines Heers von 18,000 Mann
gegen einen jährlichen Tribut von
75,000 türk. Pfd.
Die Regelung der Finanzen wurde einem französischen und einem englischen Kommissar übertragen, welche auch die Zahlung der Zinsen ermöglichten und das Budget ins Gleichgewicht [* 20] brachten, freilich nicht ohne harte Bedrückung der mit Steuern belasteten Einwohner und nicht ohne scharfe Maßregeln gegen die sich selbst bereichernden Beamten; auch wurden zahlreiche Offiziere entlassen, ohne daß ihnen der rückständige Sold ausgezahlt wurde. Die hierdurch veranlaßte Unzufriedenheit benutzte die Militärpartei unter dem Obersten Achmed Arabi, welche eine Vermehrung der Armee erstrebte, bereits 1881 zu einigen Revolten, durch welche sie den schwachen Chedive zwang, den Premierminister Riaz Pascha, der sich der Vermehrung widersetzte, zu entlassen, die Erfüllung ihrer Wünsche zu versprechen und eine Notabelnkammer zu berufen.
Diese Erfolge ermutigten Arabi Pascha, der im Februar 1882 zum Kriegsminister ernannt wurde, die Abschaffung der europäischen Finanzkontrolle und überhaupt die Beseitigung der europäischen Beamten zu fordern. Da der Chedive sich ganz haltlos zeigte und der Sultan nicht rechtzeitig einschritt, so riß Arabi Pascha alle Gewalt an sich, proklamierte sich als Haupt der Nationalpartei, die das Volk von allem Druck befreien werde, und reizte den Pöbel so gegen die Fremden auf, daß es 11. Juni Alexandria zu blutigen Exzessen gegen diese kam. Da die Übelthäter nicht bestraft wurden und Arabi die Forts von Alexandria neu befestigte und armierte, schritt die englische Flotte unter Admiral Seymour 11. Juli zum Bombardement derselben. Das Feuer der Ägypter wurde zum ¶