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1803 besetzt hielten, unterstützt, ihre alte Macht wiederzugewinnen. Durch den Abzug der Engländer verloren sie ihre Hauptstütze, boten aber dennoch der Pforte Trotz und ermordeten deren Statthalter Aali Pascha, wurden aber von den Albanesen aus Kairo vertrieben. Chosrew Pascha, der, als Privatmann zu Alexandria lebend, hierbei sehr thätig gewesen war, erhielt darauf 1804 die Statthalterschaft, wurde aber bald durch die Ränke Mehemed Alis, des Befehlshabers des Albanesenkorps, verdrängt.
Neueste Zeit.
Mit der Wirksamkeit Mehemed Alis (s. d.) als Statthalters (1805) beginnt eine neue Epoche in der Geschichte Ägyptens. Seine erste erfolgreiche That war die Vernichtung der Mamelucken, seine zweite die Organisation eines regelmäßigen Heers und die Herstellung einer Flotte zur Durchführung seiner ehrgeizigen Pläne. Dem entsprechend verfolgte eigentlich seine ganze Regierung die eine Tendenz, durch Anwendung europäischer Regierungskünste den Despotismus auf das höchste zu steigern.
Nachdem er fast sämtliche Ländereien des Nilthals in seinen Besitz gebracht hatte, konnte er die Landbauern nach Gutdünken ausbeuten. Gegen die unglücklichen Fellahs brachte er ein geregeltes System der Aussaugung in Anwendung und unterwarf sie der rücksichtslosesten Konskription für das Heer. Maßlos war auch der Steuerdruck. Bis auf den trocknen Kuhmist und das Stroh, das kümmerliche Brennmaterial des Fellahs, herab wurde alles besteuert; von jedem Palmbaum mußte eine bestimmte Abgabe entrichtet werden.
Besteuert wurden auch alle Fabrikate von den Palmen, die Barken, das Vieh jeder Art. Die Kopfsteuer betrug jährlich 700,000 Beutel, etwa 8¼ Mill. Mk., und zwar war durch das System der Solidarität der Steuerzahler der Regierung stets der volle Betrag dieser Steuern gesichert. Zu diesem allen kam nun noch das Handels- und Monopolsystem. Dasselbe ging aus der altorientalischen Gewohnheit hervor, die Steuern durch Naturallieferungen zu ersetzen, und wurde bis 1833 in solchem Umfange geübt, daß die Regierung dem Fellah seine ganze Ernte um von ihr selbst festgesetzte Preise abkaufte und ihm dann um höhern Preis so viel wieder verkaufte, als er zum Lebensunterhalt und zur Aussaat brauchte.
Seit 1833 nahm die Regierung nur noch so viel, als die Steuern betrugen; doch wurde nun, abgesehen von der noch fortbestehenden Willkür bei Bestimmung des Preises, dem Fellah von der Regierung vorgeschrieben, wieviel Getreide, Baumwolle etc. er bauen sollte. Der größte Teil seiner Felder war für den Indigo- und Baumwollbau bestimmt, wofür die Regierung sich ein Monopol ausbedungen hatte, und die ganze Ernte mußte eingeliefert werden, um dann vom Pascha zu von ihm selbst festgesetzten Preisen verkauft zu werden.
Sind auch die Verdienste Mehemed Alis um die Fabrikation von Seide, Baumwolle und Indigo nur zweifelhafter Natur, so blieben doch seine umfangreichen Damm- und Kanalbauten ein Geschenk von höchstem Wert für Ägypten Als er 1805 die Zügel der Regierung ergriff, hatte Ägypten nicht mehr als 2,500,000 Morgen (Feddans) urbares Land, 1840 aber bereits 6,500,000 Morgen. Gleich groß war die Sorge des Paschas für Ordnung und Sicherheit im Innern. Mehemed Ali setzte sich ferner über die gewohnte Intoleranz hinweg; er berief Christen zu den höchsten Stellen, schickte junge Araber und Türken zur Ausbildung nach Europa und gründete Schulen und Institute aller Art. Hierauf schritt er zu einer durchgreifenden Reform der öffentlichen Verwaltung.
Eine Notabelnversammlung wurde 1829 nach Kairo berufen, um Vorschläge der Regierung über die Verwaltung zu beraten. Zu den Maßregeln, die durch diese Versammlung hervorgerufen wurden, gehörte namentlich die Einführung von Verwaltungsräten in den 16 Provinzen, welche aus öffentlichen Beamten bestanden und über die Angelegenheiten des gemeinen Wohls sich zu beraten hatten. Durch die neue Ordnung wurde einiges System in das Verwaltungswesen gebracht.
Auch nach außen wuchs Ägyptens Macht. Durch glückliche Expeditionen seines Adoptivsohns Ibrahim Pascha machte sich Mehemed Ali seit 1816 einen Teil von Arabien (die Landschaft Hidschas mit den heiligen Städten Mekka und Medina) sowie die Länder am obern Nil (Nubien, Senaar, Kordofan) zinspflichtig. Im Kampf gegen das aufständische Griechenland wurde die ägyptische Flotte bei Navarino vernichtet. Um eine neue imposante Seemacht herzustellen, mußte das Land seine letzten Kräfte aufbieten.
Händel mit dem Pascha von Akka gaben dem Pascha willkommene Veranlassung, mit Heeresmacht in Syrien einzurücken, und im Lauf eines Jahrs eroberte Ibrahim Pascha (1831) die ganze Provinz. Durch die Intervention Rußlands zu gunsten des Sultans mußte aber Mehemed Ali in den Frieden von Kutahia willigen, der ihm zwar nicht volle Unabhängigkeit, aber doch den erblichen Besitz Ägyptens und den lebenslänglichen Syriens gab. In einem neuen Krieg (1839) sah sich Mehemed Ali nach dem Sieg von Nisib (24. Juni) und dem Übergang der türkischen Flotte zur ägyptischen am Ziel seiner ehrgeizigen Bestrebungen. Aber Rußland und England brachten die Londoner Quadrupelallianz vom zu stande, in der sich die beiden genannten Mächte mit Österreich und Preußen zur gemeinschaftlichen Intervention zu gunsten des Sultans verpflichteten. Frankreich beobachtete eine dem Pascha günstige Politik, welche Absonderung einen europäischen Krieg in Aussicht stellte. Inzwischen erschien ein britisch-österreichisch-türkisches Geschwader an der syrischen Küste und begann die Beschießung der dortigen festen Plätze. Von Frankreich im Stiche gelassen und plötzlich von Kleinmut befallen, zog Mehemed Ali seine Kriegsmacht, ohne daß ein entscheidender Kampf stattgefunden, aus Syrien zurück und unterwarf sich dem Sultan völlig. Durch einen unter Vermittelung der Großmächte im Februar 1841 zwischen dem Sultan und Mehemed Ali abgeschlossenen Vertrag wurde das Verhältnis Ägyptens zur Pforte neu geregelt. Hiernach sollte den männlichen Deszendenten des Paschas nach dem Rechte der Erstgeburt die erbliche Herrschaft über Ägypten mit Einschluß der Erwerbungen am obern Nil verbleiben; doch sollten die Administrativgesetze des Landes mit denen der übrigen Provinzen in Einklang gebracht, die Abgaben im Namen und unter Zustimmung des Sultans erhoben, sämtliche von der Pforte mit dem Ausland geschlossenen Traktate auch für Ägypten gültig sein und der von dem Pascha jährlich zu entrichtende Tribut (vorläufig ein Dritteil der Jahreseinkünfte) pünktlich bezahlt werden. Auch mußte sich der Pascha zu einer Reduktion seines Heers auf 18,000 Mann verstehen, die Ernennung der höhern Offiziere vom Obersten an dem Sultan überlassen und versprechen, zur Vermehrung des Heers sowie zum Bau von Kriegsschiffen die Genehmigung des Sultans einzuholen.
Nach der syrischen Katastrophe warf sich Mehemed Ali mit ganzer Energie auf die Landeskultur und
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führte ein riesiges Unternehmen, den Bau eines großen Nildamms, der den Flußlauf korrigierte und dem Ackerbau viele Tausend Acker Landes gewann, durch. Seine letzte Thätigkeit bezog sich auf die englische Überlandstraße und die Durchstechung des Isthmus von Suez (s. Suezkanal). Aber die Anzeichen von Geisteszerrüttung, die schon früher hervorgetreten, nahmen immer mehr überhand, so daß sein Adoptivsohn Ibrahim Pascha ihn von allem Verkehr abschloß und mit Genehmigung der Pforte (Juli 1848) die Regierung übernahm. Trotz seiner Schwäche überlebte der Vater den Sohn, der der Lungenschwindsucht erlag. Am folgte ihm der alte Pascha ins Grab nach, schmerzlich betrauert von den Bewohnern der Hauptstadt und allen, die unter seinem Aussaugungssystem nicht gelitten oder sich wohl gar bereichert hatten.
Nach der Erbfolgeordnung folgte der älteste männliche Sproß des Hauses, Abbas Pascha, Mehemed Alis Enkel, als Pascha. Er reduzierte die Marine auf das gebührende Maß, setzte die unverhältnismäßigen Gehalte der hohen Beamten auf ein Drittteil herab, beseitigte das Monopolwesen, legte den großen Grundpachtern das Handwerk und befreite dadurch die Masse der Landbebauer von willkürlichen Erpressungen und den Staatsschatz von indirekter Beraubung. Er suchte auf dem Weg friedlichen Verkehrs mit den innerafrikanischen Territorien die materielle und geistige Macht des Landes zu erweitern.
Mit der Pforte stand er sehr gut und erhielt bei Beginn des Krimkriegs mehrere bisher verweigerte Forderungen bewilligt, wie das Recht über Leben und Tod in seinem Land auf Lebenszeit und die unbeschränkte Autorität über alle Glieder der Familie Mehemed Alis. Seitdem erwies er sich der Pforte stets gefällig, wie er namentlich den Sultan in dem bald darauf beginnenden Kriege gegen Rußland mit Truppen, Schiffen und Getreidelieferungen wirksam unterstützte. Als er plötzlich starb, folgte ihm nach der Senioratsordnung Said Pascha, der sechste Sohn Mehemed Alis.
Dem ihm vorausgehenden Ruf eines der europäischen Bildung warm zugethanen, wohlwollenden und aufgeklärten Mannes entsprachen Regierungsmaßregeln wie die Freigebung des Baumwoll- und Getreidehandels und das Verbot des Sklavenhandels. Für die Finanzverwaltung führte er eine Kontrolle ein, und seine persönlichen Ausgaben schied er von denen der Staatsverwaltung. Der Verwirklichung des Suezkanal-Projektes wandte er trotz der Anstrengungen Englands zur Vereitelung dieses Unternehmens und der Verweigerung der Zustimmung von seiten der Pforte eifriges Interesse und eine Teilnahme zu, welche seine finanziellen Kräfte überstieg.
Dadurch sowie durch seine Baulust, seine kostspieligen Reisen in die Hauptstädte Europas und seine maßlose Freigebigkeit belastete er das Land mit drückenden Schulden. Er starb und hatte seinen Neffen Ismail Pascha, einen Sohn Ibrahim Paschas, zum Nachfolger. Im allgemeinen bekannte sich dieser zu den Grundsätzen seines Vorgängers. Mit Eifer betrieb er den Bau des Suezkanals, der bei der von England beeinflußten Pforte auf Schwierigkeiten stieß.
Endlich rief er Napoleons III. Vermittelung an. Dieser trat im August 1864 mit einer Entscheidung hervor, welche die dringendsten Beschwerden der Pforte abstellte, auch den Forderungen Ägyptens der Kanalgesellschaft gegenüber mehrfach zur Anerkennung verhalf, anderseits aber den Fortgang des Kanalbaus sicherte, Ägypten freilich mit enormen Geldopfern belastete. Zu deren Aufbringung gedachte der Pascha sich eines Scheinkonstitutionalismus zu bedienen. Am trat wiederum eine ägyptische Notabelnversammlung, aus 75 Mitgliedern aller Nationen bestehend, zusammen, um über Reform des Gerichtswesens, der Fronen etc. zu beraten, natürlich eine ganz wertlose Form.
Mit großen Opfern erlangte Ismail Pascha von der Pforte eine Änderung der Thronfolgeordnung, wonach die Herrschaft in direkter Linie forterben sollte, so daß die Brüder Ismail Paschas, namentlich der ihm verhaßte Fazyl Pascha, ihres Rechts beraubt und sein Sohn Tewfik Pascha präsumtiver Nachfolger wurde. Die Bedrängnis der Pforte durch den anfangs glücklichen Aufstand Kretas 1867 benutzte der Pascha, um derselben neue Zugeständnisse abzunötigen, namentlich eine Erhöhung seines Ranges, insofern er nicht mehr Wali, d. h. Statthalter, sondern Chedive, d. h. Vizekönig, heißen sollte.
Unabhängigkeitspläne waren unverkennbar, das zeigten das Wachstum der Flotte und die Vermehrung des Heers. Damit stand auch die Reise Ismail Paschas nach Europa und sein Besuch an den Höfen von Paris, London, Wien und Brüssel in Zusammenhang, angeblich, um die Fürsten Europas persönlich zu der bevorstehenden Eröffnung des Suezkanals einzuladen. Gegen dieses selbständige Verfahren sowie gegen die mit den Großmächten angeknüpften Verhandlungen über Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit und Neutralisierung des Suezkanals schritt aber die Pforte 1869 ein und erlangte die Auslieferung der Panzerschiffe und Zündnadelgewehre sowie die Reduktion des Heers auf 30,000 Mann.
Ferner sollte der Chedive keine neuen Steuern ausschreiben, die Steuern überhaupt nur im Namen des Sultans erheben, ohne dessen Zustimmung keine Anleihen aufnehmen und sich des selbständigen Verkehrs mit den auswärtigen Mächten enthalten; die Antwort des Chedive (7. Nov.) fiel ungenügend aus, aber die gerade stattfindende feierliche Eröffnung des Suezkanals (16.-18. Nov.) und die Anwesenheit vieler fremder Fürstlichkeiten in Ägypten hielten den drohenden Bruch noch etwas hin.
Trotz der Vermittelungsversuche Englands und Frankreichs erklärte die Pforte (29. Nov.), daß Ismail Pascha, wenn er nicht gehorche, als abgesetzt anzusehen sei. Zu einem Krieg aber hatte der Chedive um so weniger Lust, als er von keiner Seite, selbst von Frankreich nicht, Hilfe hoffen durfte; so erklärte er denn, daß er fernerhin ohne Erlaubnis der Pforte keine neuen Steuern auflegen, keine Anleihen abschließen, sein Heer nicht über die vertragsmäßig festgesetzte Zahl vermehren, die Panzerschiffe ausliefern und keine selbständige Vertretung im Ausland halten wolle. Am wurde der diese Satzungen verkündende großherrliche Ferman in Kairo verkündet.
Nach dem Tode des Großwesirs Aali Pascha des entschiedensten Gegners Ismails, erlangte dieser bei einem Besuch in Konstantinopel (Juni 1872) durch Bestechung die Zustimmung der Pforte zur Abschaffung der Konsulargerichtsbarkeit und zur Justizreform nach europäischem Muster sowie einen neuen Ferman vom worin ihm sämtliche Privilegien des Fermans vom welche 1869 suspendiert worden waren, aufs neue gewährt, die Erlaubnis, ohne vorhergehendes Ansuchen Anleihen machen zu dürfen, erteilt und noch andre Zugeständnisse
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gemacht wurden. Ja, 1873 verschaffte er sich von dem geldbedürftigen Sultan Abd ul Asis, der bei seiner unsinnigen Verschwendung für Geldbeisteuern sehr empfänglich war und gleichfalls mit einer Änderung der Thronfolgeordnung umging, einen neuen Ferman, welcher alle frühern an günstigen Bestimmungen übertraf. Durch denselben wurde die direkte Erbfolge nach dem Prinzip der Erstgeburt und der Linearsuccession aufrecht erhalten, völlige Unabhängigkeit der Verwaltung und Justiz sowie das Recht, Verträge mit fremden Staaten abzuschließen, Anleihen aufzunehmen, Münzen zu prägen, die Stärke der Armee zu bestimmen, Kriegsschiffe (außer Panzerschiffen) anzuschaffen, zugestanden.
Für alle diese Rechte und als Beweis seiner Anerkennung der Oberhoheit des Sultans sollte er an letztern einen jährlichen Tribut von 150,000 Beuteln (3 Mill. Mk.) bezahlen. Hiermit schien die völlige Unabhängigkeit Ägyptens von der Pforte begründet zu sein, und Ismail Pascha ging nun daran, sein Reich zu vergrößern. Die im Juli 1872 unternommene Expedition nach Abessinien, an deren Spitze der Schweizer Munzinger, Gouverneur von Massaua, gestellt wurde, hatte die Annexion der nördlichen Teile Abessiniens zur Folge. Im Süden eröffnete sich 1874 dem Chedive eine neue Gelegenheit zur Erweiterung seines Gebiets.
Der Sultan von Dar Fur war in die ägyptische Provinz Kordofan eingefallen, um Sklaven einzufangen. Ein kleines, aber europäisch ausgerüstetes Heer rückte darauf gegen den Sultan vor, schlug ihn in mehreren Gefechten (28. Jan., 17. Juni und 3. Juli), drang in Dar Fur selbst ein und nahm dasselbe, nachdem der Sultan gefallen, in Besitz. Darauf wurden Dar Fertit, die Somalstädte Zeila, Berbera u. a. und das Land Harar erobert. Sofort wurden die alten Straßen und Brunnen in der Wüste wiederhergestellt, um das Land mit in bessere Verbindung zu bringen. Am traten auch die nach langen Verhandlungen mit den europäischen Mächten eingesetzten Gerichtshöfe, an der Spitze ein oberstes Gericht zu Alexandria, ins Leben, um an Stelle der bisherigen Konsulargerichtsbarkeit die Streitigkeiten der Einheimischen mit den Fremden und dieser unter sich zu entscheiden; wurden die betreffenden Gesetze publiziert.
Nun trat aber ein bisher durch große Anleihen und allerlei Blendwerk verhüllter Krebsschade in der ägyptischen Verwaltung hervor, nämlich ein ungeheures Defizit in den Finanzen, welches hauptsächlich durch die unsinnige Verschwendung des Chedive verursacht war. Um augenblickliche Hilfe zu schaffen, verkaufte dieser seine 176,602 Suezkanalaktien für 4 Mill. Pfd. Sterl. an England und erbat sich zugleich von demselben einen tüchtigen Finanzmann, um die ägyptischen Finanzen zu ordnen.
Das englische Ministerium schickte auch 13. Dez. den Generalzahlmeister Cave zu diesem Zweck nach Ägypten ab. Obwohl dieser auch durch französische und italienische Financiers unterstützt wurde, vermochte er doch nicht, in das Chaos Ordnung zu bringen, da der Chedive vor allem nicht mit Ersparnissen in seinem luxuriösen Hofhalt beginnen wollte. Sowohl für die Staatsschuld als für die Privatschuld des Chedive wurde im Mai 1876 die Zahlung der Zinsen suspendiert, und zur Entschädigung wurden die verschiedenen Anleihen zu einer mit 7 Proz. zu verzinsenden Schuld unifiziert, auch für die schwebende Schuld 7 Proz. Obligationen mit 80 Proz. des Nominalwerts ausgegeben, endlich eine Oberfinanzkommission zur Überwachung der Obligationen eingesetzt.
Zwar wurden die Steuern doppelt erhoben, den Beamten kein Gehalt, den Lieferanten keine Rechnungen bezahlt; trotzdem mußte schließlich England mit einem Vorschuß für Bezahlung der Zinskoupons an die meistens englischen Gläubiger eintreten. Zu dieser Zerrüttung der Finanzen kamen der unglückliche Ausgang des Kriegs mit Abessinien (s. d.) und 1877 ein Aufstand in Dar Fur. Als der russisch-türkische Krieg ausbrach, schickte Ismail Pascha, seinen Vasallenpflichten getreu, 6000 Mann unter seinem in Berlin militärisch gebildeten Sohn Hassan Pascha der Türkei zu Hilfe.
Dieselben wurden der Armee im Festungsviereck zugeteilt, leisteten aber wenig. Im August 1878 kam es endlich in der Finanzfrage zu einer Vereinbarung mit den Westmächten, indem Nubar Pascha wieder zum leitenden Minister ernannt und zu durchgreifenden Reformen ermächtigt wurde; der Engländer Wilson trat ihm als Finanzminister, der Franzose Blignières als Bautenminister zur Seite. Der Chedive und seine Familie mußten ihren Privatgrundbesitz, die sogen. Daira, zur Verzinsung und Tilgung der Schulden hergeben. Durch eine Revolte der in großer Menge entlassenen Offiziere entledigte sich zwar der Chedive wieder Nubars und setzte im April auch Wilson und Blignières ab; ja, er verweigerte die Zinszahlung der unifizierten Schuld und suspendierte die Tilgung derselben.
Die Mächte verlangten aber nun von ihm die Abdankung, und als er sie verweigerte, ward er auf deren Betrieb vom Sultan abgesetzt und sein Sohn Mehemed Tewfik Pascha an seiner Stelle zum Chedive ernannt. Der Ferman von 1873 wurde aufgehoben und der von 1841 hergestellt; doch gestattete der Sultan die Abschließung von Zoll- und Handelsverträgen, die selbständige Verwaltung der Finanzen und die Errichtung eines Heers von 18,000 Mann gegen einen jährlichen Tribut von 75,000 türk. Pfd.
Die Regelung der Finanzen wurde einem französischen und einem englischen Kommissar übertragen, welche auch die Zahlung der Zinsen ermöglichten und das Budget ins Gleichgewicht brachten, freilich nicht ohne harte Bedrückung der mit Steuern belasteten Einwohner und nicht ohne scharfe Maßregeln gegen die sich selbst bereichernden Beamten; auch wurden zahlreiche Offiziere entlassen, ohne daß ihnen der rückständige Sold ausgezahlt wurde. Die hierdurch veranlaßte Unzufriedenheit benutzte die Militärpartei unter dem Obersten Achmed Arabi, welche eine Vermehrung der Armee erstrebte, bereits 1881 zu einigen Revolten, durch welche sie den schwachen Chedive zwang, den Premierminister Riaz Pascha, der sich der Vermehrung widersetzte, zu entlassen, die Erfüllung ihrer Wünsche zu versprechen und eine Notabelnkammer zu berufen.
Diese Erfolge ermutigten Arabi Pascha, der im Februar 1882 zum Kriegsminister ernannt wurde, die Abschaffung der europäischen Finanzkontrolle und überhaupt die Beseitigung der europäischen Beamten zu fordern. Da der Chedive sich ganz haltlos zeigte und der Sultan nicht rechtzeitig einschritt, so riß Arabi Pascha alle Gewalt an sich, proklamierte sich als Haupt der Nationalpartei, die das Volk von allem Druck befreien werde, und reizte den Pöbel so gegen die Fremden auf, daß es 11. Juni Alexandria zu blutigen Exzessen gegen diese kam. Da die Übelthäter nicht bestraft wurden und Arabi die Forts von Alexandria neu befestigte und armierte, schritt die englische Flotte unter Admiral Seymour 11. Juli zum Bombardement derselben. Das Feuer der Ägypter wurde zum
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Schweigen gebracht, die Forts besetzt, zugleich aber ein Teil der Stadt zerstört und von den erbitterten Soldaten und Einwohnern ein furchtbares Blutbad unter den Europäern angerichtet, deren Häuser meist in Brand gesteckt wurden. Die englische Regierung sah sich daher genötigt, ein Landheer unter Wolseley nach Ägypten zu schicken, das zunächst Alexandria besetzte, dann das ägyptische Heer unter Arabi, der den Widerstand fortsetzte, vom Suezkanal aus 13. Sept. bei Tell el Kebir angriff und vollständig in die Flucht schlug.
Die Empörer wurden in die Verbannung geschickt. Tewfik Pascha wurde darauf wieder in die Herrschaft eingesetzt, doch hatte er alles Ansehen verloren und behauptete sich nur mit Hilfe der englischen Truppen, welche Ägypten besetzt hielten. Englische Beamte und Offiziere machten zwar Versuche, dem Land eine neue, bessere Verfassung und Verwaltung zu geben sowie das Heer zu reorganisieren, doch ohne Erfolg. Die Ausfälle in den Einkünften während der Empörung und die erheblichen Kosten der englischen Okkupation hatten ein solches Defizit zur Folge, daß weder die Entschädigungen an die durch die Ereignisse von Alexandria betroffenen Europäer noch die Zinsen der Staatsschuld gezahlt werden konnten.
Der Versuch, den England auf der Londoner Konferenz 1884 machte, die Zustimmung der Mächte zu einer Zinsreduktion zu erlangen, scheiterte an seiner Weigerung, die frühere internationale Finanzkontrolle herzustellen. Dazu kam der Aufstand des Mahdi im Sudân, wo die ägyptischen Truppen mehrere Niederlagen erlitten, die den Abfall des ganzen Landes von zur Folge hatten. Auch die Besitzungen am Roten Meer und in Harar gingen verloren. So wurden durch die Rebellion Arabi Paschas und die englische Intervention die innern und äußern Erfolge früherer Jahre wieder vernichtet.
Aus der neuern geschichtlichen Litteratur sind hervorzuheben: Bunsen, Ägyptens Stellung in der Weltgeschichte (Hamb. 1844-57, 5 Bde.);
Lepsius, Königsbuch der alten Ägypter (Berl. 1858);
Brugsch, Geschichte Ägyptens unter den Pharaonen (Leipz. 1877);
Maspero, Geschichte der morgenländischen Völker (deutsch, das. 1877);
Dümichen, Geschichte des alten Ägypten (Berl. 1878-82, 3 Lfgn.);
Wiedemann, Ägyptische Geschichte (Gotha 1883 ff.);
Lumbroso, L'Egitto al tempo dei Greci e dei Romani (Tur. 1882);
Weil, Geschichte des Abbasidenkalifats in Ägypten (Stuttg. 1860, 2 Bde.);
Quatremère, Histoire des Sultans Mameloucks (Par. 1837-41, 2 Bde.);
Paton, History of Egyptian revolution from the period of the Mamelukes to the death of Mohammed Ali (2. Aufl., Lond. 1870, 2 Bde.);
Cusieri, Storia fisica e politica dell' Egitto dalle prime memorie de suoi abitanti al 1842 (Flor. 1862, 3 Bde.);
über die Regierung Mehemed Alis die Werke von Mengin und Jomard (1839), Mouriez (1855-58, 4 Bde.);
über die Zustände unter Ismail die Schriften von Sacré und Outrebon (1865), Lesseps (s. d.);
über die neueste Zeit Malortie, Egypt, native rulers and foreign interference (2. Aufl., Lond. 1883);
H. Vogt, Die kriegerischen Ereignisse in Ägypten 1882 (Leipz. 1882).