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in Dörfern ansässig in der Nähe des Kulturlands oder auf sandigen Strichen innerhalb desselben. Mit den Beduinen gleicher Abstammung sind die in den Städten seßhaften Araber. Der Osmane ist in Ägypten [* 2] derselbe wie allenthalben, in stolzem, gravitätischem Genuß der Herrschaft träger Ruhe hingegeben. Die Mamelucken kamen seit dem 13. Jahrh. ursprünglich als Sklaven von den Kaukasusländern herein, bildeten dann die Truppenmacht und nahmen nach und nach als Beis die Zügel der Herrschaft in die Hand, [* 3] bis sie von Mehemed Ali 1811 auf der Citadelle zu Kairo [* 4] vernichtet wurden. Vorherrschend bei der ganzen Bevölkerung [* 5] ist die arabische Sprache; die Regierung verkehrt in dieser mit ihren Unterthanen, in französischer Sprache [* 6] mit den Fremden, in türkischer mit der Pforte. Im sogen. ägyptischen Sudân bilden echte afrikanische Neger die Hauptbevölkerung, in Nubien die Berâbra.
Staatsverwaltung. Finanzen. Armee.
Ägypten ist ein türkischer Vasallenstaat, dessen Verwaltung auf Grund des von England, Rußland, Preußen [* 7] und Österreich [* 8] abgeschlossenen Vertrags und des großherrlichen Hattischerifs vom stets einem vom Sultan gewählten Gliede der Familie Mehemed Alis auf Lebenszeit gegen einen jährlichen Tribut von 678,397 Pfd. Sterl. garantiert ward. Der tributpflichtige Statthalter, welcher seit 1867 offiziell die Titel »Hoheit« und »Chedive« (Vizekönig) führt, hat 1866 nach jahrelangen Anstrengungen die direkte Erbfolge nach dem Prinzip der Erstgeburt und der Linearsuccession endlich zugestanden erhalten.
Neuerdings ist das Verhältnis zwischen Ägypten und der Pforte durch den Ferman des Großsultans vom geregelt worden. (Weiteres s. unter Geschichte.) Zur obersten Führung der Geschäfte hatte bereits Mehemed Ali eine Art Ministerium gebildet, welches jetzt aus den Ministerien des Innern, des Äußern, des Kriegs, der Finanzen, des Handels, des Unterrichts, des Kultus, der öffentlichen Arbeiten, der Justiz und des Sudân besteht. Seit 1882 von den Engländern okkupiert, harrt Ägypten einer neuen staatlichen Organisation.
Eingeteilt wird in das eigentliche Ägypten (vom Mittelmeer bis zum Wadi Halfa) als das Hauptland und in die Besitzungen außerhalb des eigentlichen Ägypten als dessen Dependenzen. Diese Besitzungen umfassen die Landschaften Kordofan, Dar Fur, [* 9] die Äquatorialprovinzen u. a., welche man insgesamt als ägyptischen Sudân bezeichnet. Den Namen Nubien, worunter man die Landschaft von den ersten Katarakten bis Chartum verstand, kennt man im Land nicht; Nubien ist heute nur ein geographischer Begriff, namentlich seitdem durch Verlegung der Südgrenze des eigentlichen von Assuân nach Wadi Halfa ein großer Teil des nubischen Gebiets zu Oberägypten gezogen wurde.
Das eigentliche Ägypten (Beled Misr) teilt man herkömmlich in Ober-, Mittel- und Unterägypten, Bezeichnungen, die indes nur eine geographische, keineswegs eine administrative Bedeutung haben. Administrativ zerfällt das Land in Gouvernorate oder Mohafzas und Provinzen oder Mudiriehs. Die Einteilung nach Gouvernoraten besteht nur für die größern Städte, welche in ihrer Verwaltung von der des übrigen Ägypten völlig unabhängig sind; die Einteilung der oberägyptischen, noch mehr der sudânischen Provinzen ist häufigen Schwankungen unterworfen, indem bald mehrere unter einem Generalgouverneur vereinigt und dann wieder getrennt, bald einer Kommission des Ministeriums des Innern untergeordnet werden. Die vom ägyptischen Generalstab angestellten Berechnungen ergaben für Areal und Bevölkerung nachstehende Ziffern:
Gouvernorate und Provinzen | Areal QKilom. | Davon nutzbar u. vermessen | Bevölkerung 1877 |
---|---|---|---|
Gouvernorate (Mohafzas): | |||
Kairo | - | - | 327462 |
Alexandria bis Siwah | 88202 | 93 | 165752 |
Rosette | 123 | 16243 | |
Damiette | 904 | 32730 | |
Port Said | 6238 | 3854 | |
Ismailia | 1897 | ||
Suez | 11327 | ||
El Arisch und Wüste im O. des Suezkanals und des Roten Meers bis El Wisch | 86079 | 2506 | |
Provinzen (Mudiriehs): | |||
Behera | 10780 | 1085 | 238590 |
Gizeh | 24716 | 873 | 270072 |
Kaliubieh | 842 | 814 | 205380 |
Scharkieh | 4368 | 2182 | 414470 |
Menufieh | 1583 | 1564 | 484550 |
Gharbieh | 3092 | 5639 | 678979 |
Dakahlieh | 2061 | 2141 | 531954 |
Unterägypten: | 223988 | 14991 | 3385766 |
Provinzen (Mudiriehs): | |||
Beni Suef | 50430 | 920 | 140848 |
Fayûm | 1233 | 173655 | |
Minia | 110901 | 1812 | 338616 |
Mittelägypten: | 161331 | 3965 | 653119 |
Assiut | 128700 | 1806 | 461679 |
Ghirga | 15703 | 1491 | 617869 |
Kenneh mit Kosseir | 87075 | 1285 | 310257 |
Esneh | 404557 | 657 | 281593 |
636035 | 5239 | 1471398 | |
Stadt Massaua | - | - | 2744 |
" Suakin | - | - | 4600 |
Eigentliches Ägypten: | 1021354 | 24195 | 5517627 |
Hierzu kommen nun die Besitzungen außerhalb des eigentlichen der ägyptische Sudân mit Kordofan, Dar Fur und den Äquatorialprovinzen. Diese umfassen 1,965,560 qkm mit 10,800,000 Einw. und zwar:
QKilom. | Bewohner | |
---|---|---|
Kordofan | 108280 | 278740 |
Dar Fur | 451980 | 4000000 |
Andre Länder des Sudân und Äquatorialprovinzen | 1405300 | 6500000 |
Somit berechnet sich das Areal Ägyptens auf 2,986,900 qkm (54,246 QM.) mit einer Bevölkerung von 16,300,000 Seelen. An der Spitze jeder Provinz steht der Mudir, ihm zur Seite ein Diwan höherer Beamten als Staatskollegium. Unter dem Mudir stehen die Kreisverwalter (Kâschif) und die Kantonverwalter (Nazir el kism), von denen die Ortsvorsteher oder Dorfschulzen (Schêch) ressortieren. Der Mudir verwaltet die Provinz in administrativer, finanzieller und politischer Beziehung und entscheidet auch in allen Rechtssachen, welche nicht in die Kompetenz des religiösen Gerichts, dem ein Kadi vorsteht, fallen. Eine der wichtigsten Obliegenheiten des Mudirs ist die Eintreibung der Steuern. Der Sitz aller Zentralbehörden sowie die gewöhnliche, nur periodisch mit Alexandria wechselnde Residenz des Chedive ist Kairo. Seit 1866 besitzt Ägypten, wiewohl nur nominell, eine Art von Volksvertretung in einer aus 75 Abgeordneten bestehenden Kammer (Madschliß el Nuab), zu welcher die Vertreter in den verschiedenen Distrikten je nach ¶
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deren Volksdichtigkeit auf drei Jahre in geheimer Abstimmung gewählt werden.
Die Finanzwirtschaft Ägyptens ist eine übelberüchtigte. Nur den unerschöpflichen Reichtümern des Landes ist es zu danken, daß bei der herrschenden Wirtschaft und dem übergroßen Luxus des Chedive Ismail Pascha die Zustände nicht noch elender sind, als sie erscheinen. Dies hat das Eingreifen der europäischen Mächte, die Absetzung Ismails und die Bestellung von europäischen Finanzkontrolleuren zur Folge gehabt. Die Staatseinnahmen betrugen 1881: 9,012,010, die Ausgaben 7,677,806 Pfd. Sterl.;
der so erzielte Überschuß ist aber durch die Kosten der englischen Okkupation, den Aufstand im Sudân in ein Defizit verwandelt worden.
Die Staatsschuld belief sich auf 97,161,220 Pfd. Sterl., wozu noch die Mukabalahschuld kommt, eine Entschädigung in Gestalt von jährlichen Zinsen an Besitzer von Landgütern, welche im voraus eine Summe bezahlt haben, um den steuerfreien Besitz ihres Landes zu erlangen, im Betrag von 150,000 Pfd. Sterl. 50 Jahre lang zahlbar, und die Zinsen der 1875 von England gekauften Suezkanalaktien im Betrag von 193,858 Pfd. Sterl. Die Einkünfte fließen hauptsächlich aus der Grundsteuer (Scharâg), der Einkommensteuer und der Marktsteuer.
Die Grundsteuer wird nicht erhoben von den im Privateigentum des Chedive befindlichen Gütern (ein Viertel des ganzen Kulturbodens), in ermäßigter Weise von solchem Lande, das der Chedive mit vollem Eigentumsrecht an Private zur Urbarmachung verlieh; diese Ländereien sind drei Jahre steuerfrei und zahlen später 3 Proz. Hauptsächlich lastet sie auf den sogen. Regierungsgrundstücken, die jedes Jahr neu abgeschätzt und danach in drei Klassen geteilt werden.
Diese Steuer wird monatlich durch den Rendanten (Serraf) der Provinz eingehoben; sie beträgt bis 20 Proz. und soll in barem Geld gezahlt werden, was freilich nicht immer möglich ist. Etwa 1,400,000 Hektar sind durchschnittlich mit 10 Schill. pro Hektar und 532,000 Hektar mit 4,4 Schill. pro Hektar besteuert. Letztere Kategorie findet sich hauptsächlich im Besitz der Domänen, der Daira und der reichen Paschas. Die Einkommensteuer für Handwerker, Bazarinhaber und Kaufleute beträgt 4-20 Proz.; die Marktsteuer betrifft die auf die städtischen Märkte gebrachten Landesprodukte und beträgt im Durchschnitt 1½ Proz. Außer diesen Abgaben fließen der Regierung noch zahlreiche andre Einkünfte zu von der Verpachtung der Fischerei, [* 11] von den auf dem Nil gehenden Barken, den Dattelpalmen, den Zöllen der seewärts eingehenden Waren, den Eisenbahnen und Telegraphen [* 12] u. a. Noch mehr ist der Binnenhandel mit Zöllen belastet, die von den Sudânkarawanen meist zu Siut erhoben werden. Das heillose Finanzsystem stürzte die Fellahs in das tiefste Elend, während es die Familie des Chedive, die höhern Beamten und die bei der Regierung beteiligten Europäer reich machte.
Die Armee, welche der Chedive nach den Verträgen mit der Türkei [* 13] halten darf, und die durch Konskription ergänzt wird, sollte nach dem Plan Baker Paschas eine Stärke [* 14] von 10,900 Mann haben (die Hälfte der Stabsoffizierstellen wurde mit Engländern besetzt), zu denen sich nach Bedürfnis in den unruhigen Distrikten des Sudân eine zeitweilig zusammengezogene Armee gesellt. Im Krieg soll sie auf 60,000 ergänzt werden. Die Zahl der Kriegsschiffe beträgt zusammen 13 mehr oder weniger schadhafte Dampfer; der Staat besitzt außerdem 16 gut gebaute Paketboote für den Dienst zwischen den Häfen des Roten und mehreren Häfen des Mittelländischen Meers.
Bildung. Handel und Verkehr.
Die geistige und wissenschaftliche Ausbildung steht noch auf einer sehr niedrigen Stufe. In den nur von Knaben besuchten Elementarschulen (Anhängseln der Moscheen oder Privatunternehmungen) wird notdürftig Lesen und Schreiben und der Koran auswendig gelernt; in der hohen Schule der Moschee El Azhar wird fast nur Religions- und Gesetzeslehre gepflegt. Die eben genannte Universität ist die bedeutendste des Orients und zugleich Hauptsitz des mohammedanischen Fanatismus; sie wird von ca. 10,000 Studenten aus allen Ländern des Islam besucht.
Zwar machte schon Mehemed Ali den Versuch, höhere Lehranstalten nach europäischem Muster zu gründen; aber erst der Chedive Ismail rief eine Reihe von Regierungsschulen ins Leben, in welchen Unterricht und Lebensunterhalt unentgeltlich gewährt werden: Elementarschulen, Sekundärschulen und Spezialschulen. Zu den letzten gehören eine polytechnische Schule, eine Rechtsschule, eine philologische und arithmetische Schule, eine Kunst- und Gewerbeschule, Medizinalschule, Marineschule und eine Schule für Ägyptologen, welche sich auf das ägyptische Museum zu Bulak stützt. Doch kränkeln alle diese Anstalten infolge der allgemeinen zerrütteten Verhältnisse Ägyptens. Als Rechtskodex für die Mohammedaner gilt der Koran. Der Großkadi zu Kairo ist oberster Landesrichter, der in den Provinzen durch Substituten (Naibs) vertreten wird.
Der Kunstfleiß des Landes ist noch nicht weit gediehen. Die besten Handwerker und Künstler finden sich unter den Kopten, [* 15] Griechen und Armeniern, welche grobe Leinwand, Segeltuch, baumwollene und seidene Zeuge, feine Matten aus Binsen und namentlich in Oberägypten treffliche Geschirre aus ungebranntem Nilschlamm herstellen. Feine Juwelierarbeiten werden in Kairo und andern größern Städten gefertigt. Im Gefolge europäischer Unternehmer sind in den größern Städten einige Fabriken, Baumwollspinnereien, Pulverfabriken, Bierbrauereien entstanden; doch können sie bei dem lebhaften Handel und den verbesserten Verkehrsmitteln mit europäischen Erzeugnissen nicht konkurrieren. Ansehnlich ist noch die Fabrikation von Natron aus den erwähnten Natronseen und ausgedehnt endlich die Produktion junger Hühner [* 16] mittels Brütöfen.
Einen bedeutenden Aufschwung hat in neuerer Zeit der Handel Ägyptens genommen, seit die Überlandroute von Europa [* 17] nach Indien mit der Eisenbahn und durch den Suezkanal ihren Weg wieder über Ägypten nimmt und dort zahlreiche europäische Handelshäuser, namentlich in Alexandria, sich niedergelassen haben. Die wichtigsten Handelshäfen für den Verkehr mit Europa sind Alexandria und Port Said; für Indien Suez; für den Verkehr mit dem afrikanischen Binnenland und Arabien Kosseir, Suakin und Massaua. [* 18]
Die Einfuhr betrug 1883: 732,9, die Ausfuhr 1217,7 Mill. Piaster. Ausfuhrprodukte sind: Baumwolle [* 19] und Baumwollsamen, Zucker, [* 20] Bohnen, Mais, Gummi, rohe Häute, Reis, Gemüse und Früchte, Weizen, Elefantenzähne, arabischer Kaffee, Datteln u. a. Im Innern ist trotz des Verbots der Sklavenhandel noch stark im Schwange. Hauptplätze für den Karawanenhandel daselbst sind: Berber, Kassala, Chartum, Senaar, El Obeïd. Einfuhrartikel sind allerlei europäische Fabrikate, namentlich baumwollene Stoffe, Steinkohlen, Kramwaren, Bauholz, Kaffee, Indigo, [* 21] Weine und Spirituosen, Tabak, [* 22] ¶