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Flächeninhalt kaum mehr als 1/15 des Ganzen, und doch war [* 2] von alters her eins der gesegnetsten Länder. So viel vermögen die Überflutungen des Nils unter dem glühenden Himmel [* 3] Ägyptens. Jene von den periodischen Regengüssen in den tropischen Hochländern, denen der Fluß entströmt, herrührende Nilanschwellung ist für das regenlose Stromthal Ägyptens der einzige Ersatz des mangelnden atmosphärischen Niederschlags und die Quelle [* 4] der Fruchtbarkeit.
Der Nil tritt mit brausenden Stromschnellen ins Land ein, indem er zwischen der Insel Elephantine und der Insel Philä über zahllose Klippen [* 5] zwischen Felswänden dahinstürzt und sich dabei in viele Arme teilt, zwischen denen man bei hohem Wasserstand 20 Inseln zählt. Bei niedrigem Wasserstand hat er auf dieser Strecke eine Breite [* 6] von 1000-1200 m. Weiter nördlich im ruhigen Lauf dahinströmend, verengert er sich wieder, so daß er bei Theben nur eine Breite von 400 m hat, die aber bei Siut wieder bis zu 800 m wächst.
Bei Derût geht aus der westlichen Seite der Josephskanal (Bahr Yusuf), ein Werk der Kunst, ab und folgt in seinem 350 km langen Lauf dem Fuß der libyschen Bergkette bis unterhalb Kairo, [* 7] wo er sich südlich von Terraneh mit dem Rosettearm des Nils vereinigt. Ein Arm desselben wendet sich durch die Schlucht El Lahun nach dem Fayûm, welches durch ihn in vielen Ästen bewässert wird 22 km unterhalb Kairo, wo das Thal [* 8] sich zur Ebene erweitert, teilt sich der hier ¾ Stunden breite Strom in mehrere Arme, von denen aber nur noch zwei, ursprünglich von Menschenhänden ausgegraben, die von Rosette und Damiette, von Wichtigkeit sind, indem die übrigen im Lauf der Zeit mehr und mehr versandeten.
Das zwischen beiden
Armen sich ausbreitende
Delta
[* 9] wird von zahllosen Verbindungskanälen der Nilarme quer durchzogen. Im Anschluß
an den
Bahr Yusuf wurde von Derût nach
Siut der Ibrahimkanal und von
Siut bis Sohâg der Sohâgiyekanal
erbaut. Von großer Wichtigkeit auch für den gesamten Wohlstand des
Landes ist der
Mahmudiehkanal bei
Alexandria (s. d.).
Ferner
sind in Oberägypten
große
Bassins zur Regulierung der Nilüberschwemmungen angelegt und behufs der Schließung und Öffnung
der beiden Hauptarme des
Nils an dessen
Gabelung große Dammbauten in
Angriff genommen, die aber nicht vollendet
worden sind
(Barrage des
Nils).
Das Anschwellen des
Stroms beginnt bei
Gondokoro (5° nördl.
Br.) im
Februar, bei
Chartum Ende März, in
Dongola Ende Mai, bei
Assuân gegen Ende Juni, bei
Kairo Anfang Juli und erreicht in der ersten Hälfte des
Oktobers den höchsten
Stand. Die darauf
folgende Abnahme ist so langsam, daß der
Fluß erst April,
Mai und in den ersten Junitagen des folgenden
Jahrs seinen niedrigsten
Stand erreicht. Der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Wasserstand beträgt bei
Assuân 15 m,
bei
Theben 8½ m, bei
Kairo 7½ m. Ein Zurückbleiben hinter der normalen
Überschwemmung (für unser
Zeitalter 8 m)
um nur 1 m hat in Oberägypten
bereits
Dürre und
Hungersnot im
Gefolge, aber schon 50
cm mehr kann furchtbare Verwüstungen
im
Delta anrichten.
Mit
Hilfe von
Ziehbrunnen (Schadufs), welche nur von einem
Menschen in
Bewegung gesetzt werden, von unsern Baggermaschinen ähnlichen
Schöpfrädern (Sakîye) und hydraulischen
Maschinen, auf den Zuckerrohrplantagen des
Chedive auch mit Dampfpumpwerken
bringt man das Nilwasser zuweilen durch mehrere übereinander liegende
Etagen auch auf höher gelegenes
Terrain, wo die
Überschwemmungen
nicht
hingelangen. Das ganze kulturfähige Land ist durch
Dämme in ungeheure
Bassins eingeteilt, in welche das befruchtende
Wasser durch
Kanäle eingeführt und so lange auf einer gewissen
Höhe erhalten wird, bis die gehörige
Menge Nilschlamm abgesetzt ist. Ein willkürliches Überfluten des
Landes ist jetzt ganz ausgeschlossen; Ägypten
hat aufgehört,
zur Zeit der Nilschwelle wie ehemals ein großer
See zu sein.
Von andern fließenden Gewässern ist in Ägypten
nördlich von der Mündung des
Atbara in den
Nil nicht die
Rede. Auch der perennierenden
Quellen entbehrt der größte Teil des
Landes ganz.
Andre
Quellen, besonders mineralische, zum Teil
lauwarme, finden sich in dem Querthal zwischen Kosseïr und
Kenneh und zunächst der
Küste des
Roten
Meers, dann bei
Kairo
(Heluan),
besonders aber im Oasenzug, dessen
Quellen eisen- oder schwefelhaltig und großenteils
Thermen sind.
Seen
sind in in ziemlich großer Anzahl vorhanden. Im Innern sind die bedeutendsten der salzige
Birket el Kerun am Westrand vom
Fayûm (26,000
Hektar), die Bitterseen (30,000
Hektar) auf der
Landenge von
Suez und die sechs kleinen
Natronseen (zusammen 6000
Hektar)
südöstlich von
Alexandria.
Der im Altertum berühmteste aller ägyptischen Seen, der Mörissee, früher irrtümlich mit dem Birket el Kerun identifiziert, ist längst eingetrocknet. Ansehnlicher als diese Binnenseen sind die vom Mittelmeer meist nur durch eine schmale, sandige Landzunge getrennten salzigen Lagunenseen, worunter folgende die bedeutendsten sind: der Birket Mariut (der alte Mareotis) bei Alexandria, der sich erst 1801 wieder füllte, als die englisch-türkische Armee bei der Belagerung von Alexandria die Dämme des die Ebene vom See von Abukir trennenden Kanals von Alexandria durchstach, wodurch eine Fläche von 40,000 Hektar kultivierbaren Bodens bedeckt wurde;
der seichte Maadieh oder See von Abukir (14,000 Hektar), vom vorigen nur durch den Damm des Mahmudiehkanals getrennt;
der Edkusee (34,000 Hektar), zwischen dem vorigen und dem Rosettearm, jetzt fast wasserleer;
der gleichfalls sehr seichte Burlos, zwischen dem Rosette- und Damiettearm, mit vielen Inseln und fischreich (112,000 Hektar), und der Mensaleh (184,000 Hektar), der größte von allen, östlich vom Damiettearm bis Pelusium sich erstreckend und erst in der neuern Zeit infolge der Vernachlässigung der Dammbauten entstanden, 67 km lang, durchschnittlich 33 km breit und 1-1½ m tief, mit vielen Inseln, fischreich und vom Suezkanal durchschnitten.
Merkwürdig sind endlich noch die erst in neuerer Zeit genauer bekannt gewordenen unterirdischen Wasserbecken im westlichen Oasenzug, welche schon im Altertum zum Bohren artesischer Brunnen [* 10] Veranlassung gegeben haben.
Klima.
Die höher gelegenen südlichen Gegenden haben als einzige
Jahreszeit nur einen trocknen und heißen
Sommer und das ganze Jahr
über eine ziemlich gleichbleibende mittlere
Temperatur, die mittlern und nördlichen dagegen eine kühle und eine heiße
Jahreszeit. Jene dauert vom
Dezember bis März und gleicht der
Herbst- und Frühlingszeit der gemäßigten
Länder
Europas; diese
umfaßt die übrigen
Monate und ist erst trocken, dann feucht. Der mittlern
Temperatur nach gehört das südliche Ägypten
zu den
heißesten
Ländern der
Erde, die außerhalb der
Tropen liegen, während das
Delta infolge der kühlenden
Einwirkung der
Seewinde das südeuropäische Küstenklima teilt.
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In den wasserlosen südlichen Strichen erreicht die Hitze beim Wehen des Chamsîns, eines heißen, aus den Äquatorgegenden kommenden Windes, eine außerordentliche Höhe, zu Theben und Philä von 47-48° C., zu Assuân von 60-70°, wobei der Sand so heiß wird, daß man Eier [* 12] darin hartkochen kann. Um Kairo steigt die Hitze selten über 41°, und im Delta erreicht sie sogar selten 29°. Dezember, Januar und Februar sind die kühlsten Monate. Das Mittel der niedrigsten Temperatur beträgt im Delta etwas über 11°, wobei aber die Differenz zwischen der Tag- und Nachttemperatur oft zwischen 20 und 30° beträgt.
Selbst in Oberägypten
sinkt um diese Zeit das Thermometer
[* 13] um 5 Uhr
[* 14] morgens bis auf 5° herab. Ausnahmsweise
ist zu Alexandria, Rosette und bis Atfeh 1833 Schnee
[* 15] gefallen, und zu Anfang des 9. Jahrh. soll selbst der Nil einmal eine Eisdecke
getragen haben. Häufiger kommt Eisbildung in den das Delta begrenzenden Wüsten und in der Oase Siwah nach
gefallenem Tau und bei starkem Nordwind vor. Im südlichen Ägypten
ist die Atmosphäre außerordentlich trocken, und diese Trockenheit
wird durch die um das Frühlingsäquinoktium eintretenden Südostwinde und besonders durch den erwähnten Chamsin bis zu einem
unerträglichen Grad gesteigert.
Dieser Wind (Chamsîn bedeutet »fünfzig«) pflegt nur in der Epoche von 50 Tagen vor dem Sommersolstitium
aufzutreten. Die ihn begleitenden atmosphärischen Erscheinungen, gelbrötlicher Lichtschein, zuckende Blitze, sind hauptsächlich
elektrischer Natur und vertreten die Stelle unsrer Gewitter. Ihre Gefährlichkeit für Menschen und Tiere ist sehr übertrieben
worden. Dieser Wind heißt in Arabien und in den südlichen Ländern Asiens Samum. Feuchter wird die Atmosphäre,
je mehr man sich dem Mittelmeer nähert. In Unterägypten
wehen die mit Wasserdünsten reichlich geschwängerten Nordwinde
neun, weit er nach S. wenigstens sechs Monate hindurch und veranlassen besonders während der Überschwemmungszeit im August
und September des Abends die Bildung von Nebeln.
Auch im Winter sind Nebel und reichliche Taufälle häufig. Im Sommer aber breitet sich ein ganz reiner
Himmel über dem Land aus, und Regenniederschläge sind, besonders in Oberägypten
, eine seltene Erscheinung. Ungegründet
ist jedoch die Angabe, daß es in Oberägypten
nie regne, denn zu Kenneh und Theben und sogar in dem sehr trocknen Südosten
sind mehr oder weniger heftige Regengüsse beobachtet worden. An der Nordküste regnet es vom Oktober bis
März und April häufig, in den übrigen Monaten aber stellenweise gar nicht.
Das Klima
[* 16] Ägyptens ist im allgemeinen der Gesundheit weit zuträglicher als das vieler andern heißen Länder, mit Ausnahme
der niedrigen sumpfigen Striche an der Küste des Roten Meers, welche für sehr ungesund gelten. Infolge
seiner warmen, trocknen und chemisch reinen Luft gilt Ägypten
als ein treffliches klimatisches Gebiet für Lungenkranke. Unter
den endemischen Krankheiten war die Pest vorherrschend, die jedoch seit 30 Jahren nicht mehr vorkommt, während die Cholera immer
häufiger auftritt. Andre Krankheiten sind Ruhr, Wechselfieber, Aussatz, durch den salzhaltigen Staub hervorgerufene
schlimme Augenübel und Sonnenstich. Durch die Einrichtung des Service médical ist den Epidemien viel von ihrer Schrecklichkeit
genommen worden.
Vgl. Flora, Ärztliche Mitteilungen aus Ägypten (Wien [* 17] 1869);
Derselbe, Beiträge zur Klimatologie von Kairo (Leipz. 1870).
Naturprodukte.
Ägypten ist reich an schätzenswerten Naturprodukten. Am schwächsten sind darunter die Mineralien [* 18] vertreten. Doch lieferten seit den ältesten Zeiten die Granite und Syenite ein vortreffliches Material sowohl für Skulpturen als für großartige massive Bauten. Das unterhalb Assuân beginnende Sandsteinterrain bietet die ergiebigsten Brüche eines festen, fein- und gleichkörnigen Sandsteins dar, woraus die meisten der noch erhaltenen Tempel [* 19] und eine große Anzahl von Statuen und andern Skulpturen bestehen.
Von El Kap an bis an das Meer, also in dem bei weitem größten Teil des Landes, bestehen beide Thalwände aus Kalkstein, dessen feine und feste Textur die Reisenden noch jetzt an den Pyramiden und den ausgedehnten Nekropolen von Memphis wie in den mit den schönsten Skulpturen bedeckten Felsengräbern von Theben bewundern. Von andern Mineralien werden Kochsalz, Salpeter und Alaun [* 20] in Menge gewonnen, und an einigen Stellen (z. B. bei Dschebel ez Zet am Roten Meer) treten Erdölquellen zu Tage. Im nördlichen Ägypten zeigt sich Natronbildung in weiter Verbreitung. Im J. 1850 entdeckte man bei dem Ras el Dschimsah an der Küste des Roten Meers Schwefellager, die aber den großen auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprachen. Die einst von den Alten ausgebeuteten Metall- und Alabasterschätze haben aufgehört ergiebig zu sein, und unbedeutend ist, was man bei Dschebel Ollagi an Gold, [* 21] bei Dschebel Duchan an Kupfer [* 22] fand. Die Smaragde in den Zubarabergen bei Kosseïr, gleichfalls schon von den Alten ausgebeutet, sind unrein und lohnen den Abbau nicht.
Pflanzenwelt. Die außerordentliche Fruchtbarkeit, wegen deren Ägypten im ganzen Altertum berühmt war, beruht auf dem fetten Marschboden des Landes, welcher dem landwirtschaftlichen Betrieb einen fast ans Wunderbare streifenden Ertrag gewährt. Von Cerealien baut man vornehmlich Weizen (mit 25-50fältigem Ertrag) und Gerste, [* 23] wiewohl auch Roggen und Hafer [* 24] gut gedeihen. Außerdem werden in ausgedehntem Maß Erbsen, im Delta Reis (mit 50-100fältigem Ertrag), in den höher gelegenen und trocknern Strichen Mais und mehrere Hirsearten (Durra) gebaut.
Die Getreideernte fällt, wie bemerkt, zu Anfang März, vier Monate nach der Aussaat; in manchen, besonders günstig gelegenen Gegenden im S. erzielt man aber durch künstliche Bewässerung eine dreifache Ernte. [* 25] Eine gute Ernte schätzt man auf 11-16 Mill. hl Weizen, Gerste und Mais, wovon etwa 2 Mill. hl zum Export gelangen. Auch Zuckerrohrpflanzungen geben einen guten Ertrag, alle übrigen Produkte überragt aber jetzt die nach Ägypten verpflanzte Baumwollstaude. Der Baumwollbau ist durch den Vizekönig dermaßen ausgedehnt worden, daß die Ernte in der letzten Zeit jährlich 280-290 Mill. engl. Pfd. betrug.
Berühmt sind die Rosen vom Fayûm, welche zum Behuf der Rosenöl- und Rosenwasserbereitung gezogen werden. Dieselbe Gegend liefert auch vortreffliche Weintrauben, Feigen und Oliven. Überhaupt ist Ägypten reich an den trefflichsten Südfrüchten. Unsre Obstbäume gedeihen zwar, tragen aber unschmackhafte Früchte und werden daher nur in geringer Anzahl gezogen. Der bei weitem verbreitetste und nutzbarste Baum des heutigen Ägypten ist die Dattelpalme (Phoenix dactylifera), welche in vielen Gegenden die Hauptnahrung gewährt und am besten in der Provinz Gizeh gedeiht. ¶