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Religion der Westen und im Norden [* 2] das heutige Balch. Die Stadt Kophene (d. h. Kabul) wurde von den unter König Salmanassar (695-667) bis an den Indus vordringenden Assyrern gegründet. Kabulistan oder Nordafghanistan leistete diesen, dann den Medern, dann Kyros (548) Tribut. Im 4. Jahrh. waren die von Ariern bewohnten Länder östlich von Kandahar in zehn Staaten gespalten; im 1. Jahrh. vor bis 100 n. Chr. hatten hier die griechisch-indischen Könige wie die Indoskythen ein gefürchtetes Reich gebildet; in Kandahar waren Parther, d. h. Völker vom iranischen Stamm.
Der Buddhismus war hier die herrschende Religion. Die Afghanen, das jetzt herrschende Volk, drangen von Südwesten nach Norden vor, vertrieben die Arier und führten die jetzt noch existierende Stammesverfassung ein: das Volk teilt sich in Stämme mit einem Chan als Oberhaupt, diese in Geschlechter und diese in Unterabteilungen, mit Maliks, Muschirs und Spinzeprah (Weißbart) an der Spitze. Der Stamm wie die einzelnen Abteilungen heißen Uluß. Die Dirgha, die Gesamtheit der Familienhäupter, gleichzeitig auch das Gericht, steht über den Chanen. In neuerer Zeit haben letztere sich aber häufig unabhängig gemacht. Im J. 664 wurden Belutschistan und das südliche [* 3] von den Arabern erobert, 683 Kabul ihnen tributpflichtig. Im J. 812 erfolgte die erste Auflehnung der arabisch-indischen Statthalter gegen die Kalifen; es bildeten sich dann, freilich nur auf kurze Zeit, selbständige Reiche. Im J. 1001 stand ganz Afghanistan unter der Herrschaft von Mahmud, aus der 961 zu Ghasni gegründeten Dynastie. Im J. 1140 zerfiel das Reich der Ghasnawiden.
Noch einmal nahmen die Afghanen Besitz vom Thron [* 4] zu Dehli, bis ihnen die Schlacht von Panipat 1525 für immer die Herrschaft über Hindostan entriß. Gegen Persien [* 5] wie gegen den Großmogul von Dehli sich behauptend, herrschte sogar 1722 eine Afghanendynastie über ersteres Land. Nadir Schah und Chorasan besiegte sie 1731. Im J. 1747 gründete Achmed Schah Abdalli nach der Ermordung Nadirs ein Afghanenreich, von Chorasan im Westen bis Serhind im Osten vom Pandschab, vom Oxus im Norden bis zum Meer im Süden reichend.
Innere Streitigkeiten führten aber bald zu Teilungen und zu Einmischungen der benachbarten persischen und indischen Reiche. Schah Sudschah, ein Nachkomme von Achmed Schah, welcher sich nur in Herat gegen die Söhne des Ministers Fateh Chan, die Kabul und Kandahar in Besitz hatten, behaupten konnte, erbat die Hilfe der Engländer gegen letztere. Diese gewährten solche: erging von der indischen Regierung ein Manifest gegen Dost Mohammed, einen Sohn Fateh Chans, in welchem demselben Treubruch gegen einen indischen Verbündeten sowie ein Bündnis mit Persien gegen England vorgeworfen wurden.
Englische [* 6] Truppen (9000 Mann) besetzten Kandahar, 23. Juli Ghasni; Sudschah wurde 7. Aug. in seine Rechte eingesetzt. Am ergab sich Dost Mohammed den Engländern nach einer neuen Niederlage. Schah Sudschah wußte jedoch nicht seine Unterthanen zufriedenzustellen, und die Engländer zogen sich deren Haß durch ihren Übermut in so hohem Maße zu, daß einige hervorragende Engländer und dann in Kabul alle Europäer ermordet wurden. Nur 6000 Mann behaupteten sich in einem befestigten Lager, [* 7] welche aber auch infolge der Schwäche des kommandierenden Generals und des durch den Sohn Dost Mohammeds, Akbar, bethörten u. später ermordeten Residenten den Rückzug antraten.
Nur 270 Soldaten mit 2000 Mann Train etc. kamen glücklich nach Indien. Durch die Besetzung von Kabul wurde die soldatische Ehre wiederhergestellt, aber nach vierwöchentlichem Aufenthalt kehrten die Engländer nach Indien zurück. Dost Mohammed bestieg den Thron in Kabul wieder. Neben ihm war Kohandil Chan zu Kandahar der mächtigste Fürst in er unterlag jedoch im Kampf mit Dost Mohammed, welcher sich zum Herrn von Kandahar machte und 1862 auch Herat, das sich unabhängig (1823) gemacht hatte, sich unterwarf.
Nachdem er so alle Teile Afghanistans auf dem rechten Indusufer wieder unter seine Botmäßigkeit gebracht hatte, starb er in Herat. Schon 1855 war zwischen ihm und den Engländern ein Vertrag zu stande gekommen »zu ewigem Frieden mit Dost Mohammed und seinen Erben«; 1857 war derselbe erneuert. Dessenungeachtet zögerten die Engländer mit der Anerkennung des von Dost Mohammed zum Nachfolger bestimmten Schir Ali Chan. Die Brüder desselben, Azim und Afzul, lehnten sich infolgedessen gegen ihn auf, und nachdem beide Kabul eingenommen und Schir Ali geschlagen hatten, ließ sich Afzul 21. Mai als Emir von Afghanistan ausrufen und erhielt die englische Anerkennung.
Nach seinem Tod (Oktober 1867) folgte ihm Azim in der Regierung von Kabul. Den ganzen Süden und Westen von Afghanistan hatte indessen noch Schir Ali inne; er sammelte ein neues Heer, wurde aber bei Kelat geschlagen, verlor infolgedessen den Süden seines Reichs und floh nach Herat. Mit Hilfe von Balch gelang es ihm aber, im September 1868 Kabul zu nehmen und im Dezember Azim bei Ghasni zu schlagen. Hiermit endete der 4½jährige Bürgerkrieg, hauptsächlich dadurch veranlaßt, daß die Engländer den von Dost Mohammed bestimmten Thronerben nicht sofort anerkannten. 1869 begab sich Schir Ali nach Ambana (im Pandschab) zur Begrüßung des Vizekönigs Lord Mayo. Es wurden ihm »auf die Dauer guten Verhaltens« Subsidien zugesichert.
Der russisch-englische Depeschenwechsel vom bis teilte alle Länder südlich des Amu Darja bis Chodscha Saba, dann die Städte westlich zwischen Balch und Herat, südlich der Turkmenenwüste, Afghanistan zu. Schir Alis Sohn Jakub Chan, der seit 1871 unabhängige Herrscher von Herat, folgte 1874 der Aufforderung seines Vaters, zur Regelung der Thronfolge nach Kabul zu kommen. Abdullah Chan wurde als Thronerbe anerkannt, Jakub Chan aber gefangen genommen und Herat von Truppen des Emirs besetzt.
Ein Aufstand im Kabulthal bis nach Indien hin zu gunsten des gefangenen Jakub unter Führung von Nauroz Chan führte zu keinem Resultat; Anfang 1877 war die Bewegung ins Stocken geraten. Der Emir beschäftigte sich nun eifrig mit Reorganisation seiner Armee: er verfügte über 48 Infanterieregimenter, 4 schwere, 5 reitende und 17 Maultierbatterien. Aus Furcht vor den in Zentralasien [* 8] vordringenden Russen bewarb sich Schir Ali bei den Engländern um ein Schutz- und Trutzbündnis gegen jene. Der Vizekönig Northbrook und der Minister für Indien, Argyll, lehnten die Bitte ab im Vertrauen auf die Zusage Rußlands, daß Afghanistan außerhalb seiner Interessen liege. Der Emir wandte sich nun an die Russen und knüpfte mit dem Generalgouverneur von Turkistan, General Kaufmann, vertrauliche Unterhandlungen an. Lord Lytton, 1876 an die Stelle Northbrooks getreten, forderte daraufhin die Zulassung europäischer Vertreter in Afghanistan (nach dem ¶
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Vertrag von 1857 durfte der diplomatische Vertreter Englands in Afghanistan nur indischer Abkunft sein); vermehrte Geldzuschüsse und Absendung britischer Offiziere zur Organisation der afghanischen Armee wurden dagegen versprochen. Schir Ali ging darauf nicht ein; nur mit Mühe wurde er bewogen, 1877 einen Gesandten nach Peschawar zu senden, mit welchem aber (da er ohne Vollmachten) die Verhandlungen bald abgebrochen wurden. Gleichzeitig (Februar 1877) besetzten die Engländer Quetta.
Schir Ali warf sich nun ganz in die Arme Rußlands und empfing eine Gesandtschaft desselben unter General Stoljetow. Die englischerseits unter Sir Neville Chamberlain nach Kabul entsendete Gesandtschaft wurde dagegen schon an der Grenze Afghanistans im Chaiberpaß beim Fort Alimusjid in beleidigendster Weise zurückgewiesen. England verlangte Genugthuung. Schir Ali verweigerte sie im Hinblick auf Rußland. Nach Ablauf [* 10] des Ultimatums überschritten die Engländer 21. Nov. die Grenze: eine Kolonne unter General Browne im Chaiberpaß, eine zweite unter Roberts im Kurampaß und eine dritte unter Biddulph von Quetta aus.
Browne besetzte 20. Dez. Dschelalabad, Roberts eroberte 2. Dez. den Paiwerpaß und schlug die Afghanen im Choftthal, General Stewart von der linken Flügelkolonne rückte 8. Jan. in Kandahar ein. Schir Ali war schon Mitte Dezember 1878 im Gefolge der russischen Gesandtschaft nach Turan geflüchtet und starb in Mazarascherif, nachdem er seinem nunmehr in Freiheit gesetzten Sohn Jakub Chan (Adullah Chan war gestorben) die Regierung übertragen hatte. Dieser wurde im Land anerkannt.
Jakub Chan war zum Friedensschluß geneigt, seine Unterthanen noch nicht. Um einen Druck auf letztere auszuüben, rückten die englischen Truppen 1. April von Dschelalabad auf Kabul. Nach einem siegreichen Gefecht bei Nimla Bagh drang die Kolonne bis Gandamak vor. Jakub Chan, zu Verhandlungen bereit, traf 8. Mai hier ein, und am 19. wurde der Vertrag abgeschlossen. Art. 3 regelte die Oberaufsicht Britisch-Indiens über Afghanistan:. »In allen äußern Angelegenheiten wird der Emir durch die britische Regierung beraten und gegen jeden auswärtigen Angriff geschützt«;
Art. 5 lautete: »Für Kabul wird ein britischer Resident ernannt mit der nötigen Eskorte und Vollmachten. Die Kuram-, Pischin- und Sibithäler treten unter indische Verwaltung. Den britischen Behörden steht die Kontrolle der nach dem Kabulthal führenden Pässe sowie über die Grenzstämme zu. 2,400,000 Mk. erhält der Emir als Jahresgehalt, sofern der Vertrag eingehalten wird.«
Am zog Major Cavagnari mit einer Eskorte von 89 Kombattanten als britischer Gesandter in Kabul ein; aber schon 3. Sept. erfolgte ein Massenangriff auf das Gesandtschaftsgebäude und die Ermordung des Gesandten und seiner Begleitung. Zur zwangsweisen Durchführung des Vertrags und Wiederherstellung der britischen Ehre erfolgte sofort ein erneuter Einmarsch englischer Truppen unter dem General Roberts. Der zweite afghanische Krieg 1879 begann. Kabul, 12. Okt. besetzt, mußte 10. Dez. wieder geräumt werden, ward aber 27. Dez. aufs neue genommen; ebenso wurde Kandahar besetzt, der Hilmend von Girischk aus überwacht und Ghasni genommen. Jakub Chan, der Mitschuld an der Ermordung Cavagnaris überwiesen, ward in die Gefangenschaft nach Indien abgeführt.
Von englischen Truppen standen damals General Roberts mit 10,000 Mann in und um Kabul, Bright mit 12,000 Mann zwischen Kabul und Peschawar, Stewart mit 9045 Mann in Kandahar, im Kuramthal 9150 Mann. Trotz dieser Truppen fanden aber überall Aufstände statt, und die Anhänger Jakubs riefen in Ghasni den einzigen fünfjährigen Sohn desselben, Musa, zu seinem Nachfolger aus, Mohammed Dschan wurde sein Vormund und Regent. Letzterer eröffnete den Glaubenskrieg, ward aber vor Ghasni geschlagen und durch die Einnahme dieser Stadt der Ghilzaistamm niedergeworfen.
Waffenruhe herrschte nunmehr im Kabulthal wie in Kandahar. In einer im April vom Oberkommandierenden nach Maidan berufenen Versammlung der einflußreichsten Einwohner ward denselben bekannt gemacht, daß England nicht die Absicht habe, Afghanistan dauernd besetzt zu halten, vielmehr einen vom Volk gewählten Emir anerkennen und dann seine Truppen zurückziehen würde. Schon früher war Afghanistan englischerseits bekannt gegeben, daß die Provinz Kandahar abgetrennt und zu einem selbständigen Reiche gemacht werden solle. Im April wurde es zur Thatsache: der bisherige Gouverneur von Kandahar, Schir Ali, ward zum Wali oder Fürsten des neuen Reichs ernannt;
eine englisch-indische Brigade hielt Kandahar besetzt.
Die Afghanen, sehr mißgestimmt, verlangten Wiederherstellung eines ungeteilten Afghanistan, besonders Mohammed Dschan in Ghasni mit seinem Anhang wie auch die nördlich des Kabulthals seßhaften Stämme.
In diese Zeit fällt das Auftreten Abd ur Rahmâns, Sohn von Afzul, Enkel von Dost Mohammed. Nach der Niederlage Azims, seines Onkels, bei Ghasni im Dezember 1868, floh Abd ur Rahmân zuerst nach Persien und dann nach Rußland, wo er als russischer Staatspensionär mit 2500 Rub. Apanage in Samarkand lebte. Mitte Februar 1880 tauchte derselbe mit einer turkmenischen Streitmacht in der afghanischen Provinz Badachschan auf und wurde hier zum Herrscher von Afghanistan ausgerufen.
Anfang April erkannten ihn auch die Bergstämme am Südabhang des Hindukuschgebirges an. Auch die Anhänger Jakub Chans liehen ihm Unterstützung. Infolgedessen entsandte die englische Regierung eine Gesandtschaft, um Abd ur Rahmân auch ihre Anerkennung als Emir von Afghanistan unter gewissen Bedingungen anzubieten. Nach langen Verhandlungen kam es schließlich 22. Juli einer Versammlung afghanischer Häuptlinge in Kabul zu der Proklamierung Abd ur Rahmâns zum Emir von Afghanistan. Abgesehen von dem englischerseits eingesetzten Wali Schir Ali von Kandahar, existierte aber auch noch eine Nebenregierung in Herat.
Hier war 1879 Ejub Chan, Sohn des Emirs Schir Ali und Bruder des in Indien gefangen gehaltenen Jakub Chan, als Gouverneur eingesetzt. Um nicht selbst infolge der in seinem eignen Heer ausgebrochenen Kämpfe zu Grunde zu gehen, sah er sich genötigt, nach außen thätig zu werden. Die Proklamierung eines neuen Emirs von Afghanistan gab ihm Anlaß dazu, indem er eigne Rechte auf den Thron geltend machte. Ende Juni 1880 war er mit seiner Streitmacht von Herat über Farah nach dem Hilmend aufgebrochen. Gegenmaßregeln wurden von Kandahar aus getroffen. Hier stand General Primrose mit ca. 4000 Mann englischer Truppen, auf den rückwärtigen Verbindungslinien befehligte General Phayre. Der Wali Schir Ali hatte eine eigne Streitmacht organisiert. Letzterer rückte Ejub Chan entgegen; General Burrows wurde von ¶