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wohl zum verworfensten Volk der indogermanischen Sprachengruppe herabgesunken. Ihr niedriger Sinn äußert sich hauptsächlich in Treubruch, in Betrügereien und Diebstählen. In Sachen der Religion affektieren die Tadschik die größte Verehrung vor den Geboten des Korans, doch nur, solange sie sich in Gegenwart Strenggläubiger befinden. Kriechend im Umgang, vergessen sie doch nie, für sich zu sorgen. Sie leben hauptsächlich in den Städten oder in ihrer Nähe und sind gewandte Kaufleute mit Verbindungen bis weit nach Innerasien hinein.
Sitz der Reichsregierung, des Emirs (aus Amir verderbt), ist Kabul im NO. des Landes. Zum Zweck der Verwaltung ist das Reich in Provinzen, diese in Kreise [* 2] abgeteilt. Ein Ziviloberbeamter sorgt für die Steuereinhebung, für öffentliche Ruhe und ist Vorsitzender der Appellhöfe; Befehlshaber des Heers ist ein General, dem zugleich die Ausführung der Befehle des Ziviloberbeamten obliegt; oft sind beide Ämter vereinigt. Neben dem allgemeinen mohammedanischen Gesetz des Korans gilt ein altes rohes Gewohnheitsrecht (Puschtunwalle); Selbsthilfe ist zwar verboten, aber der Hang hierzu noch nicht ausgerottet.
Die Strafrechtspflege ist willkürlich, wie in allen mohammedanischen Staaten; doch ist unter den Afghanenstämmen das althergebrachte Recht auf Mitwirkung des Volks in der Rechtsprechung noch nicht erloschen, sondern wird bis zur Stunde geübt. Das Heer besteht schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts aus einem besoldeten Stamm als Kern, an den sich im Krieg das Aufgebot der waffenfähigen Mannschaft anschließt. Organisation wie Bewaffnung wurden unter dem jetzigen Emir europäisch; die englischen Bezeichnungen Colonel (Oberst), Major und Adjutant sind als Kernel, Medgir und Adjodan Titel der entsprechenden Chargen. Alle Regimenter führen Musketen, nur wenige Tausende sind darunter Vorderlader oder gar Luntenflinten. Die Armee zählt rund etwa 50,000 Mann mit 123 Feldgeschützen. Doch fehlte es im Krieg von 1878 bis 1880 noch an gebildeten Offizieren.
Hauptbeschäftigung der Einwohner bilden Ackerbau und Viehzucht. [* 3] Die Ackerbauer stehen in verschiedenem Verhältnis zu dem von ihnen bebauten Boden. Manche sind Grundeigentümer; vielfach ist das Besitztum klein, da nach mohammedanischem Gesetz beim Absterben des Vaters das Grundvermögen unter alle Söhne geteilt wird. Das erbliche Recht am Boden hat seinen Grund teils in der ursprünglichen Verteilung innerhalb der Familienverbände bei der Besitzergreifung, teils in Urbarmachung, teils in Ankauf oder in Schenkungen von seiten der Fürsten.
Bei größerm Grundbesitz geschieht das Austhun entweder gegen Geld oder gegen einen Teil des Ertrags; auch kommt ein Meierverhältnis vor, wobei der Eigentümer Saatkorn, Vieh und Ackergeräte gegen einen ausbedungenen Teil des Ertrags stellt. Die Gewerbe liefern Waffen, [* 4] deren Güte und Mannigfaltigkeit sich durch Errichtung einer Artilleriewerkstätte in Kabul steigerten, grobe Tücher aus Schafwolle und Kamelhaaren und dauerhafte Baumwollstoffe. Seidenstoffe und alle bessern Gegenstände im Haushalt wie für den Anzug bringt der Handel ins Land, der sich fast ganz in den Händen der Tadschik und der Fremden (Hindu und Armenier) befindet. Es treten hierin Rußland von Turkistan aus und England von Indien aus in Mitbewerbung.
Man trifft auf den Märkten viele russische Waren, aber Zahlen fehlen noch über die Höhe des Umsatzes mit Turkistan; mit Indien wertete dagegen der Handel 1877 vor Ausbruch des englisch-afghanischen Kriegs 32 Mill. Mk., ging zwar unter den Kriegswirren auf die Hälfte herunter, hob sich aber dann wieder und ward lebhafter als früher, da der Emir für die Sicherheit der Karawanen sorgt und eine Postverbindung mit Indien eingerichtet hat. Die Hauptabgabe an den Emir besteht in einer Grundsteuer; dazu kommen Stadt- und andre Zölle, besonders Durchgangszölle, der Ertrag der Krongüter, Überschuß der Münze, Geldstrafen und Tribute. Leider greifen Fürst wie Beamte auch zu Erpressungen zur Füllung ihrer Kassen.
Die afghanische Sprache, [* 5] welche sich selbst als Paschtu oder Puschtu bezeichnet, ist nach Trumpp und Spiegel [* 6] eine selbständige Sprache, welche an den Flexionsgesetzen und dem Wortschatz der indischen wie iranischen Sprachengruppe teilnimmt, jedoch vorwiegend indisches Gepräge zeigt und am nächsten an die neuindischen Sprachen angeschlossen wird.
Vgl. Dorn in den »Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg 1850«; dann die umfassendern grammatischen wie lexikalischen Arbeiten Ravertys (»Grammar of the Pushto«, 3. Aufl., Lond. 1867; »Dictionary«. 2. Aufl., das. 1867, und »Pushto manual«, das. 1880);
Bellews Grammatik und Lexikon (beides das. 1867) und vor allem des Deutschen Trumpp »Grammar of the Pashtu, or language of the Afghans« (das. 1873).
Die Sprache zerfällt in verschiedene, in manchen lautlichen Dingen sehr abweichende Dialekte. Die Litteratur ist weder sehr umfangreich noch selbständig, sondern in ihrem Geiste durch den Islam, in ihren Formen durchweg durch persische Vorbilder bestimmt. Ein Bild derselben geben die Sammelwerke von Dorn (»Chrestomathy of the Pushtu«, Petersb. 1847),
von Raverty (»The Gulshan-i-Roh, being selections prose and poetical«, 2. Aufl., Lond. 1867; »Selections«, das. 1867) und Trumpp in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft« (Bd. 21 u. 23).
Früher bildete jeder Stamm innerhalb des von ihm bewohnten Gebiets ein Gemeinwesen für sich, das seine Angelegenheiten in republikanischen Formen durch Älteste und Ausschüsse verwaltete. Es gab dem Namen nach ein gemeinsames Oberhaupt mit der Residenz in Kabul; aber wenn nicht die Aussicht auf einen glücklichen Raubzug in das benachbarte Indien winkte, konnte der Herrscher auf Gehorsam und Heeresfolge nicht zählen. Dies änderte sich mit dem Übergang der indischen Grenzprovinz Pandschab von den Sikhs in die starke Hand [* 7] Englands (1845). Die Zeit der Einfälle großen Stils nach Indien ist von nun an vorüber, die alte volkstümliche Verwaltung gefallen. Afghanistan [* 8] ist ein despotisch regierter Staat und zerfällt in folgende Provinzen.
Südlich des Hindukusch liegen: a) Kabul, das Quellgebiet des Flusses gleichen Namens, die Ausläufer des Hindukusch, umfassend; b) Ghasni, wozu die Hochthäler südlich von Kabul, westlich bis Indien gehören; c) Kandahar, der Südosten, d) Seïstan, der Südwesten des Landes; e) Herat oder das Thal [* 9] des Heri Rud. Nördlich des Hindukusch liegen (von W. nach O.) Maimana (erobert 1883), Turkistan, Badachschan und Wakhan. Jeder Provinz steht ein Zivilgouverneur vor mit einem Stab [* 10] von Beamten und Generalen.
Geschichte. Afghanistan, im Altertum nur Durchzugsland der verschiedensten Völker auf ihren Wanderungen und Kriegsunternehmungen gegen Indien, war von arischen Stämmen bevölkert. Zur Zeit der Blüte [* 11] des Ormuzd-Glaubens Zoroasters (Zarathustras), der altpersischen Religion, waren die Hauptsitze dieser ¶
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Religion der Westen und im Norden [* 13] das heutige Balch. Die Stadt Kophene (d. h. Kabul) wurde von den unter König Salmanassar (695-667) bis an den Indus vordringenden Assyrern gegründet. Kabulistan oder Nordafghanistan leistete diesen, dann den Medern, dann Kyros (548) Tribut. Im 4. Jahrh. waren die von Ariern bewohnten Länder östlich von Kandahar in zehn Staaten gespalten; im 1. Jahrh. vor bis 100 n. Chr. hatten hier die griechisch-indischen Könige wie die Indoskythen ein gefürchtetes Reich gebildet; in Kandahar waren Parther, d. h. Völker vom iranischen Stamm.
Der Buddhismus war hier die herrschende Religion. Die Afghanen, das jetzt herrschende Volk, drangen von Südwesten nach Norden vor, vertrieben die Arier und führten die jetzt noch existierende Stammesverfassung ein: das Volk teilt sich in Stämme mit einem Chan als Oberhaupt, diese in Geschlechter und diese in Unterabteilungen, mit Maliks, Muschirs und Spinzeprah (Weißbart) an der Spitze. Der Stamm wie die einzelnen Abteilungen heißen Uluß. Die Dirgha, die Gesamtheit der Familienhäupter, gleichzeitig auch das Gericht, steht über den Chanen. In neuerer Zeit haben letztere sich aber häufig unabhängig gemacht. Im J. 664 wurden Belutschistan und das südliche von den Arabern erobert, 683 Kabul ihnen tributpflichtig. Im J. 812 erfolgte die erste Auflehnung der arabisch-indischen Statthalter gegen die Kalifen; es bildeten sich dann, freilich nur auf kurze Zeit, selbständige Reiche. Im J. 1001 stand ganz Afghanistan unter der Herrschaft von Mahmud, aus der 961 zu Ghasni gegründeten Dynastie. Im J. 1140 zerfiel das Reich der Ghasnawiden.
Noch einmal nahmen die Afghanen Besitz vom Thron [* 14] zu Dehli, bis ihnen die Schlacht von Panipat 1525 für immer die Herrschaft über Hindostan entriß. Gegen Persien [* 15] wie gegen den Großmogul von Dehli sich behauptend, herrschte sogar 1722 eine Afghanendynastie über ersteres Land. Nadir Schah und Chorasan besiegte sie 1731. Im J. 1747 gründete Achmed Schah Abdalli nach der Ermordung Nadirs ein Afghanenreich, von Chorasan im Westen bis Serhind im Osten vom Pandschab, vom Oxus im Norden bis zum Meer im Süden reichend.
Innere Streitigkeiten führten aber bald zu Teilungen und zu Einmischungen der benachbarten persischen und indischen Reiche. Schah Sudschah, ein Nachkomme von Achmed Schah, welcher sich nur in Herat gegen die Söhne des Ministers Fateh Chan, die Kabul und Kandahar in Besitz hatten, behaupten konnte, erbat die Hilfe der Engländer gegen letztere. Diese gewährten solche: erging von der indischen Regierung ein Manifest gegen Dost Mohammed, einen Sohn Fateh Chans, in welchem demselben Treubruch gegen einen indischen Verbündeten sowie ein Bündnis mit Persien gegen England vorgeworfen wurden.
Englische [* 16] Truppen (9000 Mann) besetzten Kandahar, 23. Juli Ghasni; Sudschah wurde 7. Aug. in seine Rechte eingesetzt. Am ergab sich Dost Mohammed den Engländern nach einer neuen Niederlage. Schah Sudschah wußte jedoch nicht seine Unterthanen zufriedenzustellen, und die Engländer zogen sich deren Haß durch ihren Übermut in so hohem Maße zu, daß einige hervorragende Engländer und dann in Kabul alle Europäer ermordet wurden. Nur 6000 Mann behaupteten sich in einem befestigten Lager, [* 17] welche aber auch infolge der Schwäche des kommandierenden Generals und des durch den Sohn Dost Mohammeds, Akbar, bethörten u. später ermordeten Residenten den Rückzug antraten.
Nur 270 Soldaten mit 2000 Mann Train etc. kamen glücklich nach Indien. Durch die Besetzung von Kabul wurde die soldatische Ehre wiederhergestellt, aber nach vierwöchentlichem Aufenthalt kehrten die Engländer nach Indien zurück. Dost Mohammed bestieg den Thron in Kabul wieder. Neben ihm war Kohandil Chan zu Kandahar der mächtigste Fürst in er unterlag jedoch im Kampf mit Dost Mohammed, welcher sich zum Herrn von Kandahar machte und 1862 auch Herat, das sich unabhängig (1823) gemacht hatte, sich unterwarf.
Nachdem er so alle Teile Afghanistans auf dem rechten Indusufer wieder unter seine Botmäßigkeit gebracht hatte, starb er in Herat. Schon 1855 war zwischen ihm und den Engländern ein Vertrag zu stande gekommen »zu ewigem Frieden mit Dost Mohammed und seinen Erben«; 1857 war derselbe erneuert. Dessenungeachtet zögerten die Engländer mit der Anerkennung des von Dost Mohammed zum Nachfolger bestimmten Schir Ali Chan. Die Brüder desselben, Azim und Afzul, lehnten sich infolgedessen gegen ihn auf, und nachdem beide Kabul eingenommen und Schir Ali geschlagen hatten, ließ sich Afzul 21. Mai als Emir von Afghanistan ausrufen und erhielt die englische Anerkennung.
Nach seinem Tod (Oktober 1867) folgte ihm Azim in der Regierung von Kabul. Den ganzen Süden und Westen von Afghanistan hatte indessen noch Schir Ali inne; er sammelte ein neues Heer, wurde aber bei Kelat geschlagen, verlor infolgedessen den Süden seines Reichs und floh nach Herat. Mit Hilfe von Balch gelang es ihm aber, im September 1868 Kabul zu nehmen und im Dezember Azim bei Ghasni zu schlagen. Hiermit endete der 4½jährige Bürgerkrieg, hauptsächlich dadurch veranlaßt, daß die Engländer den von Dost Mohammed bestimmten Thronerben nicht sofort anerkannten. 1869 begab sich Schir Ali nach Ambana (im Pandschab) zur Begrüßung des Vizekönigs Lord Mayo. Es wurden ihm »auf die Dauer guten Verhaltens« Subsidien zugesichert.
Der russisch-englische Depeschenwechsel vom bis teilte alle Länder südlich des Amu Darja bis Chodscha Saba, dann die Städte westlich zwischen Balch und Herat, südlich der Turkmenenwüste, Afghanistan zu. Schir Alis Sohn Jakub Chan, der seit 1871 unabhängige Herrscher von Herat, folgte 1874 der Aufforderung seines Vaters, zur Regelung der Thronfolge nach Kabul zu kommen. Abdullah Chan wurde als Thronerbe anerkannt, Jakub Chan aber gefangen genommen und Herat von Truppen des Emirs besetzt.
Ein Aufstand im Kabulthal bis nach Indien hin zu gunsten des gefangenen Jakub unter Führung von Nauroz Chan führte zu keinem Resultat; Anfang 1877 war die Bewegung ins Stocken geraten. Der Emir beschäftigte sich nun eifrig mit Reorganisation seiner Armee: er verfügte über 48 Infanterieregimenter, 4 schwere, 5 reitende und 17 Maultierbatterien. Aus Furcht vor den in Zentralasien [* 18] vordringenden Russen bewarb sich Schir Ali bei den Engländern um ein Schutz- und Trutzbündnis gegen jene. Der Vizekönig Northbrook und der Minister für Indien, Argyll, lehnten die Bitte ab im Vertrauen auf die Zusage Rußlands, daß Afghanistan außerhalb seiner Interessen liege. Der Emir wandte sich nun an die Russen und knüpfte mit dem Generalgouverneur von Turkistan, General Kaufmann, vertrauliche Unterhandlungen an. Lord Lytton, 1876 an die Stelle Northbrooks getreten, forderte daraufhin die Zulassung europäischer Vertreter in Afghanistan (nach dem ¶