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Bernatz teilnahmen, eröffnete uns die Kenntnis Schoas (»The highlands of Aethiopia«, Lond. 1844; deutsch, Stuttg. 1847, 3 Bde.); die deutschen Naturforscher Hemprich und Ehrenberg hatten schon 1825 das Küstengebiet bei Massaua [* 2] durchforscht, wobei Hemprich dem Fieber erlag. Von außerordentlicher Bedeutung, namentlich durch Ortsbestimmungen, zoologische, historische und linguistische Arbeiten, war die Reise des Frankfurters Ed. Rüppell (»Reise in Abyssinien«, Frankf. 1840),
die trotz aller neuern Werke immer noch eine Grundlage unsrer Kunde Abessiniens bildet. Wenig zuverlässig sind die Reisewerke der Franzosen Combes und Tamisier (»Voyage en Égypte, en Nubie, en Abyssinie etc.«, Par. 1838) und v. Kattes (»Reise in Abessinien«, Stuttg. 1838). Viel zur Kunde des Landes trug auch der seit 1837 dort angesiedelte Botaniker W. Schimper bei, dem ein ganzer Schwarm deutscher Abenteurer folgte. Missionäre sowie Forschungsreisende, die von jetzt ab in großer Anzahl Abessinien besuchten, förderten dessen Kunde weiter, unterließen es aber nicht, sich in die politischen Verhältnisse des Landes intrigierend einzumischen und seit den 40er Jahren dem protestantisch-englischen oder katholisch-französischen Einfluß sich dienstbar zu machen, wodurch eine natürliche Reaktion von seiten der Eingebornen und Herrscher gegen die Europäer hervorgerufen wurde, die oft mit der Verjagung oder Mißhandlung der letztern endigte.
Von Werken der Missionäre sind hier zu erwähnen: Isenberg und Krapf, Journals detailing their proceedings in the kingdom of Shoa (Lond. 1843);
Krapf, Reisen in Ostafrika (Tübing. 1858).
Unter den französischen Reisenden ragen hervor: Lefebvre, Voyage dans l'Abyssinie (Par. 1845-48, 6 Bde.);
Ferret und Galinier, Voyage en Abyssinie (das. 1847-48, 2 Bde.), und namentlich die Gebrüder d'Abbadie (s. d.).
Das Werk Rochets d'Héricourt: »Voyage sur la côte occidentale de la mer Rouge etc.« (Par. 1841) ist unzuverlässig, ebenso sein zweites Werk: »Second voyage etc.« (1846). Neue Aufklärungen brachte der Italiener Sapeto in »Viaggio e missione cattolica fra i Mensa, i Bogos e gli Habab«; (Rom [* 3] 1857) sowie Lejean in »Voyage en Abyssinie 1862 et 1864« (Par. 1873). Ein klassisches Werk sind die »Ostafrikanischen Studien« des Schweizers W. Munzinger (Schaffh. 1864). Die Resultate der deutschen Expedition unter v. Heuglin und Steudner finden sich in dem Werk des erstern: »Reise nach Abessinien« (Jena [* 4] 1868). Die Zoologie behandelten Abessinien Brehm, Ergebnisse einer Reise nach Habesch (Hamb. 1863), und Blandford, Observations on the geology and zoology of Abyssinia (Lond. 1870). Brehm reiste im Gefolge des Herzogs Ernst II. von Koburg, [* 5] der einen Jagdzug nach Mensa unternahm und darüber ein Prachtwerk mit Farbendrucken nach Rob. Kretschmer (Leipz. 1863) herausgab.
Die Resultate aller neuern Reisenden faßte zusammen Richard Andree in »Abessinien« (Leipz. 1869).
Vgl. außerdem Rohlfs, Im Auftrag des Königs von Preußen [* 6] mit dem englischen Expeditionskorps in Abessinien (Brem. 1869);
Plowden, Travels in Abyssinia (Lond. 1868);
Jonveaux, Deux ans dans l'Afrique orientale (Tours [* 7] 1871);
Girard, Voyage en Abyssinie (Kairo [* 8] 1873);
Raffray, Afrique orientale (Par. 1876);
Rohlfs, Meine Mission nach Abessinien (Leipz. 1883);
Mateucci (Anmerkung des Editors: richtig: Matteucci (= Pellegrino Matteucci, 1850-1881)), In Abissinia (Mail. 1880);
Vigoni, Abissinia (das. 1880);
Winstanley, A visit to Abyssinia (Lond. 1881);
Hartmann, Abessinien (Leipz. 1883).
[Geschichte.] Abessinien, dessen älteste Bewohner wohl der Negerrasse angehörten, erhielt seine älteste Kultur von Ägypten [* 9] aus, von wo ein Teil der Kriegerkaste (240,000 Mann) zur Zeit des Königs Psammetich I. um 650 v. Chr. in Abessinien einwanderte und ein Reich mit der Hauptstadt Axum (Axome, westlich von Adoa) am obern Atbara gründete, wie Baureste ägyptischen Stils bestätigen (weiteres s. Axum). Im 3. Jahrh. v. Chr. siedelten sich griechische Kolonisten an der Küste in Adulis (jetzt Ruinen von Zula) an und brachten die Kenntnis des Landes nach dem Abendland. In früher Zeit wanderten Araber aus Südarabien ein, das zeitweilig von den Königen von Abessinien beherrscht wurde. Um 330 n. Chr. fand das Christentum von Alexandria her Eingang und bewirkte einen noch engern Verkehr mit griechischer Bildung.
Die Blüte [* 10] der dadurch erzeugten Kultur fällt in das 4.-7. Jahrh. Später fanden viele religiöse Kriege statt, und im 10. Jahrh. kamen infolge davon wieder Bekenner des jüdischen Glaubens, bis 1268, zur Oberherrschaft. Im 16. Jahrh. war das Land in Gefahr, dem Mohammedanismus zu erliegen, und diese ward nur abgewendet durch rechtzeitige Hilfe der Portugiesen vom Indischen Ozean und der Ostküste Afrikas her. Leider brachten sie neue Streitigkeiten ins Land, denn die römisch-katholischen Priester, insbesondere die Jesuiten, trachteten für ihre Lehre [* 11] und Kirche nach unbedingter Herrschaft.
Alfons Mendez wurde vom Papst als Patriarch nach Abessinien geschickt und baute mehrere Klöster; aber schon 1634 wurden die Katholiken vertrieben, und die alte monophysitische Lehre gelangte durch die koptischen Geistlichen wie der zur Herrschaft. Die Geschichte der letzten 80 Jahre zeigt uns von unausgesetzten innern Kriegen zerrissen. Der Kaiser oder Oberkönig (Negus) wurde während derselben immer machtloser, und der letzte Schatten [* 12] eines gemeinsamen Oberhaupts verschwand mit der Absetzung des Negus Saglu Denghel. Er wurde zu Anfang unsers Jahrhunderts zu Gondar in Amhara wie ein Gefangener gehalten, wo er das Oberrichteramt ausübte und geringe Einkünfte bezog.
Aber jeder der in den verschiedenen Landschaften unabhängig gewordenen Statthalter wollte alle übrigen unterjochen und Beherrscher ganz Abessiniens werden, so auch Sabagades, der 1823 Gebieter am Tigré und der östlich vom Takazzé liegenden Gegenden war. Ihn schlugen die übrigen unter Ras Mario 1831. Seitdem wurde in Amhara der Ras Ali mächtig, in Tigré herrschte Ubié als unabhängiger Fürst und in Schoa der streitbare Sahela Selassi. Da trat um das Jahr 1850 eine unerwartete Wendung ein.
Kasa (s. Theodoros), der Sohn eines Statthalters von Quara, besiegte und stürzte Ras Ali und ward Herr von Amhara, dem ganzen mittlern Habesch, das westlich vom Takazzé bis zum Blauen Nil liegt. Er wollte ganz Abessinien erobern und das alte äthiopische Reich wiederherstellen. Zu diesem Zweck benutzte er eine alte Sage, nach der einst ein König Theodoros sich erheben, der das Land groß, das Volk glücklich machen, die Mohammedaner vertreiben und selbst Mekka erobern werde. Religiöse Verhältnisse halfen ihm: seit 1838 wirkte, von der römischen Propaganda gesandt, der höchst gewandte und intelligente Kapuziner de Jacobis in Abessinien und hatte sich selbst den einheimischen Priestern (Debteras) gegenüber in einen Geruch der Heiligkeit zu bringen gewußt;
darauf gestützt, suchte er den von dem Koptenpatriarchen in Alexandria abhängigen Landesbischof (Abuna) Salama seines Einflusses zu berauben, welcher seinerseits, während Ubié von Tigré völlig unter dem Einfluß de Jacobis' ¶
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stand, einen Rückhalt in dem schnell zu größerer Macht aufsteigenden Kasa suchte. Diesen Abuna, Abba Salama, der zu Adowa in Tigré wohnte, lud Kasa zu sich nach seiner Hauptstadt Gondar ein; derselbe forderte erst die Austreibung aller römischen Priester: sie geschah, und nun kam der Abuna, wurde mit großer Ehrfurcht empfangen, und seitdem war die Geistlichkeit im ganzen Land für den jungen Herrscher gewonnen. Kasa verbot die Vielweiberei und den Sklavenhandel, und als er sich eines starken Heers und der Geistlichkeit sicher wußte, forderte er von Ubié Tribut; dieser verweigerte ihn, unterlag aber 1855 in der Schlacht bei Debraski völlig.
Kasa unterwarf nun Tigré und nahm den Titel Theodoros, Kaiser (Negus Negesti, »König der Könige«) von Äthiopien, an. Auch die Provinz Schoa fiel ihm zu. Sahela Selassis Nachfolger, König Haila Malakot, verlor Krone und Reich in einer einzigen Schlacht und starb bald nachher 1856. Nun bildeten die drei Staaten Tigré, Amhara und Schoa Ein Reich. Nachdem er die Empörung Negusiés, der sich zum Herrscher von Tigré aufwarf, 1861 unterdrückt hatte, begann Theodoros durchgreifende Reformen des Staats und der Kirche.
Die Zustände Abessiniens zeigten ein Gemisch europäischer Formen und barbarischer Roheit: es bestand eine Art Feudalsystem neben völlig demokratischen Einrichtungen;
die Rechtspflege war auf das justinianische Recht gegründet, die Verwaltung eine äußerst einfache.
Daneben galt indes ein rohes Kriegsrecht, auch die Blutrache, freilich beschränkt durch zahlreiche Zufluchtsorte (Gheddems). Mit eiserner Strenge und blutiger Grausamkeit wurden Ordnung und Sicherheit gehandhabt, durch Einführung der Monogamie die Sittlichkeit gehoben. Von besonderer Wichtigkeit war, daß unter der Billigung des Volks Theodoros die Güter der Kirche einzog, dagegen der Geistlichkeit ein bestimmtes Einkommen sicherte und den Klöstern das zu ihrem Unterhalt ausreichende Land ließ.
Da brach infolge von Verwickelungen mit England eine Katastrophe herein. Theodoros haßte alle Missionäre, da er unter seinem Zepter nur eine, seine eigne Religion dulden wollte, und gestattete daher nur Bekehrungsversuche an den Juden (Falaschas). Gegen dieses Gebot hatten einige englische Missionäre verstoßen; dazu kam, daß England einen Antrag des Theodoros auf Abschluß eines Bündnisses gegen die Türken zunächst gar nicht, dann unhöflich ablehnend beantwortete. So glaubte sich Theodoros von England schwer verletzt, und jene Missionäre und der Konsul Cameron sollten ihm als Geiseln dienen, bis er von England Genugthuung erlangt hätte.
Später ließ er alle Europäer, auch den englischen Gesandten Rassam, ins Gefängnis werfen. Die leidenschaftliche Wut Theodoros' wurde dadurch noch gesteigert, daß gerade in jener Zeit in allen Teilen des Landes Erhebungen gegen ihn ausbrachen und er seine mühsam begründete Herrschaft dem Ansturm der verbündeten Großen erliegen zu sehen fürchten mußte. Im J. 1867 war faktisch ganz von Theodoros abgefallen, der nur noch in seinem Lager [* 14] bei Debra Tabor als Herr über seine Krieger herrschte. Da dennoch die Versuche Englands, die Befreiung der Gefangenen gütlich zu erwirken, fruchtlos blieben, sah es sich zu einer kriegerischen Expedition genötigt, für die in Bombay [* 15] eine Armee von 4000 Mann englischen und 8000 Mann indischen Truppen nebst zahlreicher Artillerie unter Befehl von General Sir Robert Napier ausgerüstet wurde. Im Oktober 1867 landete der englische Vortrab an der Westküste der Annesleybai, im Hafen von Zula.
Der Marsch ging nun aufwärts nach Senafe, das Napier erreichte. Auf dem Weitermarsch über Adigirat und Antalo nach Magdala waren ungeheure Schwierigkeiten zu überwinden, Pässe von 3100 m Höhe und zuletzt eine Reihe scheinbar unpassierbarer Schluchten. Von dem sprach- und terrainkundigen Munzinger geführt, kam das Heer glücklich durch. Theodoros erwartete es bei Magdala. Bei der Annäherung der Engländer griff er dieselben 10. April gegen Abend an mit 5000 Musketieren und 1000 Speerträgern, welche den Abhang herabstürmten, unter den sichern Schüssen der Stahlkanonen in kurzer Zeit 800 Tote und 1500 Verwundete verloren und dann schleunigst zurückflohen; die Engländer, welche 1600 Mann im Gefecht gehabt hatten, verloren 20 Verwundete.
Kleinmütig dachte Theodoros jetzt nur an Frieden. Am 11. April ließ er die Freilassung sämtlicher Gefangenen anbieten, wenn ihm dagegen die Engländer bei der Wiedereroberung seines aufständischen Reichs Hilfe leisten wollten. Übergabe von Magdala und bedingungslose Unterwerfung war dagegen die Forderung Napiers. Darauf entschloß sich Theodoros zur Auslieferung der Gefangenen, welche 11. und 12. April geschah. Als er sich jedoch in der Hoffnung, nun günstigere Bedingungen zu erhalten, getäuscht sah und die Engländer 12. April nach einer kurzen Beschießung zum Sturm auf Magdala schritten, erschoß sich Theodoros (14. April). Am 1. Juni schifften sich die englischen Truppen in Zula wieder nach Indien ein. Damit war die Expedition beendigt.
Abessinien aber wurde gerade durch den schnellen Abzug der Engländer den Verwirrungen wechselvoller Kriege zwischen den Häuptlingen und innerer Zerrissenheit preisgegeben. Diesen Zustand benutzend, annektierte auf Anstiften des zum Gouverneur von Massaua ernannten Munzinger der Chedive von Ägypten 1872 die nördlichen Teile Abessiniens, namentlich die Länder Bogos und Mensa. Inzwischen hatte der Fürst Kassai von Tigré den Fürsten Gobesieh von Godscham besiegt, ganz Abessinien außer Schoa unterworfen und sich unter dem Namen Johannes in Axum zum Negus Negesti krönen lassen.
Als nun Munzinger 1875 in Tadschurra landete, um im Bund mit König Menelek von Schoa von Süden her anzugreifen, während Arakel Bei und der frühere dänische Offizier, Oberst Arendroop, mit einem ägyptischen Heer bis Gundet im nördlichen Abessinien vordrangen, stießen die Ägypter auf unerwartet kräftigen Widerstand. Am 15. Nov. ward Munzinger bei Aussa überfallen und getötet, an demselben Tag fiel bei Gudda Guddi Arendroop im Kampf gegen Kaiser Johannes, und sein und Arakels Heer wurde aufgerieben; 2400 Ägypter wurden niedergemetzelt.
Ismail Pascha schickte darauf seinen Sohn Hassan mit 20,000 Mann nach Massaua, der im März 1876 von da in Abessinien einrückte, aber 25. März bei Gura vom Kaiser Johannes gänzlich geschlagen wurde; nur mit einem geringen Reste des Heers entkam Hassan nach Massaua. Unter dem Eindruck dieser Siege und der raschen Unterdrückung des Aufstands des Fürsten Uld Michael in Hamasen unterwarfen sich die Könige Menelek von Schoa und Ras Adal von Godscham dem Kaiser Johannes, der nun ganz Abessinien beherrschte. Seit dem Aufstand in Ägypten 1882 und dem Abfall des Sudân drohte von dieser Seite keine Gefahr mehr. Mit den europäischen Mächten knüpfte Johannes freundliche Beziehungen an. Ein unversöhnlicher Feind des Islam, ließ er alle Mohammedaner in seinem Reich zwangsweise taufen. ¶