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Monat 921, monatlich 601, vierteljährlich 47 Blätter. Die größte Zahl der Zeitungen erscheint in Niederösterreich (949), sodann in Böhmen (529), Mähren (172) und Galizien (179), am wenigsten in Salzburg (14), Kärnten (18) und der Bukowina (23).
Zu den wichtigsten politischen Zeitungen in deutscher Sprache zählen die «Neue Freie Presse» (s. d.),
das Hauptorgan der deutschen liberalen Partei in Österreich, die «Presse» (1848 gegründet),
jetzt offiziös, das «Neue Wiener Tagblatt» (demokratisches Organ, 1867 gegründet),
ein viel gelesenes liberales Blatt, das die meisten Annoncen bringt, «Wiener Tagblatt» (hg. von Szeps),
«Wiener Allgemeine Zeitung» (s. d.; Abendblatt),
sämtlich liberal, ferner die «Deutsche Zeitung» (Organ der deutschnationalen Partei),
das «Fremdenblatt» (offiziös, wird meist vom Ministerium des Äußern zu Mitteilungen benutzt),
«Extrablatt» (illustriertes Volksblatt),
«Das Vaterland» (Organ der klerikal-konservativen Partei),
«Österreichische Volkszeitung» (s. d.; ehemals «Vorstadt-Zeitung»),
«Deutsches Volksblatt» (Organ der antisemit. Partei),
die «Wiener Zeitung», Amtsblatt mit dem offiziösen Abendblatte «Wiener Abendpost» und die socialdemokratische «Wiener Arbeiter-Zeitung». Von den deutschen Provinzblättern sind die bedeutendsten die «Bohemia» (s. d.),
Organ der deutschen liberalen Partei in Böhmen, die «Prager Zeitung» (Amtsblatt) in Prag, die «Politik», Organ des Altczechen Dr. Rieger, die «Brünner Zeitung», die «Grazer Tagespost», die «Linzer Tagespost», die «Triester Zeitung», das «Grazer Volksblatt», die «Tiroler Stimmen» (die beiden letzten klerikal).
Von den illustrierten Wiener Witzblättern sind zu nennen: der «Figaro» mit der «Wiener Luft», «Die Bombe», «Der Floh», «Der Kikeriki».
Von den wissenschaftlichen Fachblättern sind in erster Reihe die medizinischen zu nennen: «Wiener mediz. Wochenschrift», «Wiener mediz. Presse», «Mitteilungen des Wiener mediz. Doktorenkollegiums» u. s. w., dann die «Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft», «Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik», «Statistische Monatschrift», die Journale der Alpenvereine, des Wiener Altertumsvereins u. s. w.
In italienischer Sprache sind politisch von Bedeutung der «Alto Adige» in Trient, Organ der nationalen ital. Partei des Trentino, der die «Patria», Organ der regierungstreuen Partei in Südtirol, daselbst gegenüber steht, dann in Triest der «Indepente», Organ der nationalen ital. Partei daselbst, und «Osservatore Triestino», Amtsblatt daselbst.
In czechischer Sprache sind die bedeutendsten polit. Zeitungen: die «Narodní Listy» (s. d.),
das Organ des radikalen Flügels der jungczech. Partei, der «Čas», das Organ der sog. Realisten, des gemäßigten Flügels dieser Partei, ferner «Hlas Národa» (früher «Pokrok»),
das Organ der konservativen Partei. In Brünn erscheinen «Moravské noviny» und «Moravská orlice». Von den czech. Zeitschriften sind zu nennen: «Atheneum», «Časopis musea království českého», «Časopis lékařův českých», «Květy», «Listy filologické a pedagogické», «Listy chemické», «Lumír», «Osvěta», «Právnik», «Sbornic historický», «Světozor», «Vesmír», «Zlata Praha».
Das bedeutendste polit. Organ der Polen ist in Österreich der «Czas» in Krakau, welcher die polit. Parteirichtung der sog. Krakauer Fraktion des Polenklubs im österr. Abgeordnetenhause vertritt, dann die «Riforma» und das Amtsblatt «Gazeta Łwowska» in Lemberg.
Bei den Slowenen gab Vodnik 1797 die erste Zeitung: «Ljublanske Novine» zu Laibach heraus, doch faßte diese Litteraturgattung erst feste Wurzeln mit dem «Novice», die Bleiweis seit 1843 ebendaselbst herausgiebt. Seit 1848 folgten zahlreiche andere mehr oder weniger ephemere Unternehmungen zu Laibach, Klagenfurt, Görz, Triest, Graz u. a. nach, und 1890 erschienen im ganzen 35 slowen. Zeitungen. Belletristisch wichtig ist die «Slovenska Bčela», später «Slovenski Glasnik» (1840-67).
II. In Ungarn begann die erste eigentliche Zeitung 1721 in lat. Sprache. Die erste in magyar. Sprache geschriebene Zeitung erschien von Matthias Ráth in Preßburg, das zweite ungar. Blatt in Pest. Die erste Stelle unter den allgemeinen wissenschaftlichen Monatsschriften nahmen vor 1848 «Tudományos Gyüjtemény» und «Tudománytár» («Wissenschaftliche Sammlung» und «Wissenschaftliches Magazin») ein. Die rein polit. Journalistik beschränkte sich vor 1830 fast allein auf die «Hazai és külföldi tudositások» («Einheimische und fremde Nachrichten») mit dem Beiblatt «Hasznos mulatságok» («Nützliche Unterhaltungen»); auch fanden unter den Gebildeten die lat. «Ephemerides Posonienses» noch Leser.
Seine eigentliche Bedeutung erhielt der magyar. Journalismus erst durch die Thätigkeit von Ludwig Kossuth im «Pesti Hirlap» («Pester Zeitung»),
der 1841-44 von ihm selbst, dann von Szalay und Csengery redigiert ward. Diesem gegenüber wirkten, außer der deutschen «Pester Zeitung», der «Budapesti Hiradó» («Budapester Kurier») als Organ der konservativen Partei, und die «Nemzeti Ujság» («National-Zeitung»),
die bis zur Märzrevolution 1848 im Interesse des Adels erschien. Einen neuen Aufschwung nahm die ungar. Journalistik nach 1848. Außer dem «Pesti Hirlap» erschien «Kossuth Hirlap», das Organ Kossuths. Hierzu kamen die schon erwähnte «Nemzeti Ujság», die jedoch eine volkstümliche Färbung angenommen hatte, der «Közlöny», als Organ des ungar. Ministeriums, der «Figyelmezö» («Der Beobachter») und etwa 20 andere rein polit. oder polit.-litterar. Blätter, die mit der ungar. Revolution ihr Ende erreichten.
Anfang 1855 zählte man bereits wieder 15 Blätter in magyar. Sprache. Unter letztern befanden sich jedoch nur zwei polit. Blätter, der «Budapesti Hirlap», 1849 von Szilágyi gegründet, die offizielle Zeitung, und «Pesti Napló», ein mehr patriotisches Tageblatt, das auch gegenwärtig als Organ der gemäßigten Opposition erscheint. Organ der Regierung ist «Nemzet» (s. d.),
das verbreitetste magyar. Tageblatt aber «Egyetértés» (s. d.),
das Blatt der äußersten Linken. In deutscher Sprache vertritt ungar. Interessen der «Pester Lloyd» (s. d.),
das politisch hervorragendste Pester Blatt. «Függetlenség» ist das Tageblatt der Antisemiten, die außerdem an dem «Westungar. Grenzboten» in Preßburg noch ein täglich erscheinendes Organ in deutscher Sprache haben.
Obgleich die Politik eine Hauptrolle spielte und spielt, hat doch die wissenschaftliche Journalistik eine bedeutende Entwicklung gewonnen. Das «Budapesti Szemle» («Budapester Revue») vermittelt nach Art der franz. Revuen zwischen der Wissenschaft und dem größern Publikum. Rein wissenschaftliche Organe sind: «Magyar Nyelvészet» («Ungar. Sprachwissenschaft»),
hg. von Paul Hunfalvy (1856-61),
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«Nyelvtudományi Közlemények» («Sprachwissenschaftliche Mitteilungen»),
redigiert von demselben (1862-78) und fortgesetzt von Joseph Budenz seit 1879, «Magyar Nyelvör» («Ungar. Sprachwarte»);
«Egyetemes Philologiai Közlöny» («Allgemeine philol. Zeitschrift»),
redigiert von Emil Thewrewk und Gustav Heinrich, hat die klassischen und modernen Sprachen zum Gegenstand;
«Századok» («Jahrhunderte») ist die Zeitschrift der Historischen Gesellschaft, von 1867 bis 1875 redigiert von Koloman Thaly, seit 1875 von Alexander Szilágyi;
«Természettudományi Közlöny» («Naturwissenschaftliche Zeitung»),
redigiert von Koloman Szily, erscheint seit 1868. Außerdem giebt es eine «Földtani Közlöny» («Geolog. Zeitschrift»),
«Földrajzi Közlemények» («Geogr. Mitteilungen») u. s. w. Jurist, und staatswissenschaftliche Zeitungen sind auch sehr verbreitet.
Das «Orvosi Lap» («Mediz. Blatt»),
seit 1856 von Ludwig Markusovszky redigiert, steht auf diesem Felde nicht mehr allein. 1892 erschienen in Ungarn 734 Zeitungen und Zeitschriften, darunter 526 magyarische und zwar: 103 polit. Blätter (68 magyarische), 224 (159) Lokalblätter, 81 (64) belletristische Blätter, 310 (227) Fachblätter und 16 (8) humoristische Blätter. Von diesen Zeitungen und Zeitschriften erscheinen 231 in Budapest, die übrigen in 113 Orten der Provinz. Außerdem bestanden 208 Zeitungen und Zeitschriften in nichtungar. Sprache, und zwar: 149 in deutscher, 25 in kroatischer, 13 in slowakischer, 1 in ruthenischer, 13 in rumänischer, 3 in italienischer, je 1 in hebräischer, lateinischer und franz. Sprache. Auf die Bevölkerung verteilt, entfällt eine Zeitung auf je 11237 Deutsche, auf 11947 Magyaren, 62211 Slawen und je 86037 Rumänen.
III. In Kroatien rief die sog. «illyrische» Bewegung die ersten Zeitungen hervor; so die von Ljudevit Gaj 1834 zu Agram gegründeten «Hrvatske Noviny» (später «Narodne Noviny», unter welchem Titel sie noch als offizielles Tageblatt erscheinen) und die «Danica» (belletristisch). Litterarisch und wissenschaftlich wichtig waren das «Kolo» (9 Hefte, 1842-53),
der «Neven» (1852-57),
«Arkiv» für südslaw. Geschichte (8 Hefte, 1851-67),
«Književnik» (1864-67). In Dalmatien erschien die erste kroat. (und zugleich ital.) Zeitung: «Kralski Dalmatin», während der franz. Herrschaft (1806-10) zu Zara;
später ebendaselbst die «Zora Dalmatinska» (seit 1844) und der «Dubrovnik» (seit 1849) zu Ragusa. In Kroatien erschienen (1892) 57 Blätter, darunter 6 deutsche;
11 waren politische, 9 lokale, 8 belletristische, 27 Fach- und 2 Witzblätter.
Die meisten erschienen in Agram: «Obzor», Tageblatt der Nationalpartei (seit 1871),
«Vienac» für Belletristik (seit 1867),
«Rad» (seit 1867) und «Ljetopis» (seit 1877) der Südslawischen Akademie der Wissenschaften u. a.;
eine in Zara («Narodni List», halbwöchentlich),
eine in Vinkovac, Warasdin, Kralevic («Primorac», dreimal wöchentlich).
In Österreich erschienen 16 kroatische Blätter, davon 1 in Istrien, die übrigen in Dalmatien.
Wappen. Das österr.-ungar. Reichswappen ist zweifach, seit 1866 das große weggefallen ist. Das kleinere ist ein schwarzer Doppeladler mit ausgebreiteten Flügeln, goldenen Schnäbeln und Klauen, roten Zungen und goldenen Kronen auf den Köpfen;
in der rechten Klaue hält er das Staatsschwert und das goldene Scepter, in der linken den goldenen Reichsapfel;
über den beiden Köpfen schwebt die Kaiserkrone, von welcher zwei blaue, an den Enden goldbefranste Bänder herabhängen;
auf der Brust des Adlers befindet sich das k. und k. Familien- und Hauswappen in einem dreimal gespaltenen Schilde, und zwar rechts im goldenen Felde ein roter, blau gekrönter, aufrecht stehender, nach rechts gewendeter Löwe (Habsburg), in der Mitte ein silberner Querbalken in rotem Felde (Österreich), links in goldenem Felde ein roter Schrägbalken mit drei silbernen gestümmelten Adlern (Lothringen);
das Familienwappen ist von den Insignien der österr.
Orden: des Goldenen Vließes, des Maria-Theresien-, des Stephans-, des Leopoldsordens, des Ordens der Eisernen Krone und des Franz-Josephs-Ordens umhangen. Das mittlere Wappen hat auf den ausgebreiteten Flügeln und dem Schwanze des Adlers elf Wappenschilder der österr. Provinzen. Das große Wappen enthielt im goldenen Hauptschild den kaiserl. Adler, welcher auf der Brust einen zweimal senkrecht und ebenso oft quer geteilten Schild mit neun Sektionen trug, die wieder in mehrere Felder zerfielen, welche die Wappenzeichen des Hauses, der Provinzen und der Anspruchsländer zeigten; der Hauptschild war mit der Kaiserkrone bedeckt, mit den Insignien der genannten Orden umhangen und von zwei goldenen Greifen mit schwarzem Oberkörper und ausgeschlagenen roten Zungen gehalten. (S. Tafel: Wappen der wichtigsten Kulturstaaten, [* ] Fig. 2, beim Artikel Wappen.) Über die Wappen der einzelnen Kronländer s. die Einzelartikel und die beigefügte Tafel: Wappen der Österreichisch-Ungarischen Kronländer. Die Reichsfarben sind Schwarz-Gelb (Schwarz-Gold), die Hausfarben Österreichs Rot-Weiß.
Flaggen. Die k. und k. Standarte, welche die Armee in ihren Fahnen führt, zeigt in Gelb den kaiserl. Doppeladler mit dem genealog. Hauptschilde auf der Brust und den 1866 modifizierten 11 Nebenschilden auf dem Gefieder. Die Einfassung bilden auf und nieder steigend geflammte rot-weiße und schwarz-goldene Spitzen. Die Kriegsflagge ist von Rot-Weiß-Rot quergestreift. In der Mitte des weißen Streifens befindet sich das golden eingefaßte österr. Wappen mit Bügelkrone. Die seit eingeführte österr.-ungar. Handelsflagge besteht aus drei Querstreifen, Rot, Weiß und Rot-Grün mit zwei Schilden im weißen Streifen, rechts das österr. Wappen mit Bügelkrone, links das ungarische mit Stephanskrone. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten, Bd. 6, S. 862.)
Orden. Die Ritterorden der Monarchie sind: der Orden vom Goldenen Vließ (s. Vließ), der Maria-Theresien-Orden (s. d.), Stephansorden (s. d.), Leopoldsorden (s. d.), Orden der Eisernen Krone (s. d.), Franz-Josephs-Orden (s. d.), Elisabeth-Theresien-Orden (s. d.) und der Deutsche Ritter-Orden (s. Deutsche Ritter);
für Damen besteht der Sternkreuzorden (s. d.).
Litteratur zur Geographie, Statistik und Verfassung.
Vgl. die amtlichen Publikationen der Statistischen Centralkommission, des Statistischen Departements im Handelsministerium und des Ackerbauministeriums sowie des königlich ungar. Statistischen Bureaus in Budapest (besonders: Ungarisches Statistisches Jahrbuch. Neue Folge, I, 1893), ferner Brachelli, Handbuch der Geographie und Statistik des Kaisertums Österreich (Lpz. 1861-67);
Hannak, Geographie der Österreichischer M. (Gotha 1871);
Steinhauser, Geographie von Österreich-Ungarn (Prag 1872);
Trampler, Geographie und Statistik der Österreichischer M. (Wien 1874);
Grassauer, Landeskunde von
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Österreich-Ungarn (ebd. 1875);
Klun, Statistik von Österreich-Ungarn (ebd. 1876);
Strahalm, Polit.-statist.
Tafel der Österreichischer M. (ebd. 1876-83);
Die Länder Österreich-Ungarns in Wort und Bild (hg. von Umlauft, 15 Bde., ebd. 1879-89);
Die Völker Österreich-Ungarns (12 Bde., Teschen 1881-85);
Österr. Statistik (Wien 1882 fg.);
Chavanne, Physik.-statist.
Handatlas von Österreich-Ungarn mit erläuterndem Text (ebd. 1882-87); Umlauft, Die Österreichischer M. (ebd. 1883; 3. Aufl. 1896 fg.); Österreichisches statist. Handbuch (ebd. 1883-92); Die Österreichischer M. in Wort und Bild. Auf Anregung und unter Mitwirkung Sr. k. und k. Hoheit Kronprinz Erzherzog Rudolf (Bd. 1-16, ebd. 1888-96); Supan, Österreich-Ungarn (in Kirchhoffs «Länderkunde von Europa», Bd. 2, Teil 2, Wien und Prag 1889); Österr. statist. Taschenbuch (Wien 1890 fg.); Brachelli, Statist. Skizze der Österreichischer M. (13. Aufl., Lpz. 1892); Kollerfly und Jekelfalussy, Ortslexikon der Länder der ungar. Krone (Budapest 1892); Specialortsrepertorien der im österr. Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder (Wien 1892 fg.); Österr. Staatswörterbuch, hg. von Mischler und Ulbrich (ebd. 1894 fg.); Rauchberg, Die Bevölkerung Österreichs auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung von 1890 dargestellt (ebd. 1895); Mayerhofer, Österreich-ungar. Ortslexikon (ebd. 1896); Baedeker, Österreich-Ungarn (24. Aufl., Lpz. 1895).
Wintersperger, Handbuch der österr. Verfassungs- und Verwaltungsgesetzeskunde (Wien 1875); Mayrhofer, Handbuch für den polit. Verwaltungsdienst in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (5. Aufl., 3 Bde., ebd. 1895 fg.); Ulbrich, Grundzüge des österr. Verwaltungsrechts (Prag 1884); ders., Handbuch der österreichischen polit. Verwaltung (2 Bde. und Nachtrag, Wien 1887-90);
Ulbrich und Jellinek, Das Staatsrecht der Österreichischer M. (2. Aufl., Freib. i. Br. 1892);
Le Monnier, Sprachenkarte der Österreichischer M. (Wien 1888);
Heller, Kompaß. Finanzielles Jahrbuch für Österreich-Ungarn (29. Jahrg., ebd. 1896);
Hof- und Staatshandbuch der Österreichischer M. (ebd., alljährlich);
Burckhard, Leitfaden der Verfassungskunde der Österreichischer M. (2. Aufl., ebd. 1896);
Mischler und Ulbrich, Österr.
Staatswörterbuch (ebd. 1894 fg.); Winckler, Die periodische Presse Österreichs (ebd. 1875).
Österreichische Markgrafen, Herzöge und Kaiser.
1) Babenberger: Leopold I. 976-994.
Heinrich I. 994-1018.
Adalbert 1018-55.
Ernst 1055-75.
Leopold II. 1075-95.
Leopold III. 1095-1136.
Leopold IV. 1136-41.
Heinrich Jasomirgott 1141-77.
Leopold V. 1177-94.
Friedrich I. 1194-98.
Leopold VI. 1193-1230.
Friedrich II., der Streitbare 1230-46.
-
Hermann von Baden 1248-50.
Ottokar II. von Böhmen 1251-76.
-
Erledigtes Reichslehen 1276-82.
-
2) Habsburger:
Albrecht I. 1283-1308.
Friedrich d. Schöne 1308-1330
Leopold 1308-1326.
Albrecht II. 1330-1358.
Otto 1330-1339.
Rudolf IV. 1358-65.
Albrecht III. 1365-1395.
Leopold III. 1365-1386.
Albrecht IV. 1395-1404.
Albrecht V. (als König Albrecht II.) 1404 (38)-39.
Ladislaus Posthumus 1440-57.
Friedrich V. (als Kaiser Friedrich III.) 1457-93.
Maximilian I. 1493-1519.
Karl V. 1519-22.
Ferdinand I. 1522-64.
Maximilian II. 1564-76.
Rudolf II. 1576-1612.
Matthias 1612-19.
Ferdinand II. 1619-37.
Ferdinand III. 1637-57.
Leopold I. 1657-1705.
Joseph I. 1705-11.
Karl VI. 1711-40.
Maria Theresia 1740-80.
(Franz I., Mitregent 1740-65.)
Habsburg-Lothringer:
Joseph II. (Mitregent seit 1765) 1780-90.
Leopold II. 1790-92.
Franz I. (II.) 1792-1835.
Ferdinand 1835-48.
Franz Joseph seit 1848.
Geschichte. (Hierzu: Historische Karte von Österreich-Ungarn.) Die Landschaften, die heute die Österreichischer M. bilden, hatte sich zumeist schon das röm. Kaisertum unterthänig gemacht. Nachdem durch Drusus und Tiberius, die Stiefsöhne des Augustus (15 v. Chr.), die Rhäter und Vindelicier bezwungen waren, geriet auch das östlich anstoßende Noricum (s. d.) unter die Herrschaft der Römer, denen bald auch die Pannonier erlagen. Lange Zeit wehrten die Römer die Angriffe der benachbarten german. Stämme, der Markomannen und Quaden (166-180), später der Goten, denen sie 270 Dacien überließen, glücklich ab, bis um 375 das Vordringen der Hunnen neue Germanenscharen über die röm. Grenze warf.
Aber kein german. Stamm vermochte sich hier dauernd zu behaupten. Auch das vom Hunnenherrscher Attila gegründete Reich verschwand infolge der Erhebung der unterworfenen Völker. Nachdem auch die Langobarden, die längere Zeit im heutigen Österreich und Ungarn gesessen hatten, 568 nach Italien gezogen waren, besetzten die Avaren, ein türk.-finn. Reitervolk, die Donauländer und herrschten 228 Jahre von der Enns bis nach Dacien, während die Slawen in die östl. Alpenländer, wie nach Böhmen, Mähren und Dalmatien eindrangen. Karl d. Gr. zerstörte das Reich der Avaren, vereinigte das Gebiet bis zur Donau und Drau mit seinem Reiche und errichtete hier eine Markgrafschaft, die 907 den Angriffen der Ungarn erlag. Erst Ottos I. Sieg auf dem Lechfelde (10. Aug. 955) sicherte Deutschland vor den Angriffen dieses Reitervolks und führte zur Erneuerung der Ostmark («Österreich» zuerst in einer Urkunde Ottos III. 996 genannt). 976 verlieh Otto II. sie seinem treuen Anhänger Leopold I. (s. d.), nach späterer Tradition einem Abkömmling des Hauses Babenberg, der seine Herrschaft bis zum Wiener Wald ausdehnte und 994 starb.
Leopolds Sohn Heinrich I. (bis 1018) hatte seinen Bruder Adalbert (bis 1055) und dieser seinen Sohn Ernst (bis 1075) zum Nachfolger. Unter Adalbert wurde Österreich bis an die Leitha vergrößert; Ernst erhielt vom Kaiser Heinrich IV. große Schenkungen. Sein dritter Nachfolger, Leopold IV., erhielt von König Konrad III. auch das von Heinrich dem Stolzen verwirkte Herzogtum Bayern. Aber des letztern Sohn, Heinrich der Löwe, erhielt von Barbarossa sein Erbland zurück und geriet darüber mit Leopolds Nachfolger und Bruder, Heinrich II.
Jasomirgott, in Streit. Die Ausgleichung geschah 1156 zu Regensburg. Der Welfe Heinrich erhielt Bayern, Heinrich Jasomirgott wurde mit der zum Herzogtum erhobenen Mark Österreich belehnt. Unter seinem Sohne und Nachfolger wurde 1192 Steiermark mit Österreich vereinigt. Auf Leopold V. folgte dessen Sohn Friedrich I. (bis 1198) und diesem sein Bruder Leopold VI. (bis 1230), der auch im Lande ob der Enns ausgedehnte Gebiete erwarb. Sein Sohn Friedrich der Streitbare vermehrte die vom Vater geerbten Besitzungen in Krain dergestalt, daß er sich bereits Herr von Krain nannte. Er fiel im Kampf gegen die Ungarn. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Babenberger.
Die folgende Zeit 1246-82 heißt das Österreichische Interregnum. Kaiser Friedrich II. zog nämlich Österreich und Steiermark als erledigte Reichslehnen ein und setzte einen Reichsverweser nach Wien. Aber des verstorbenen Herzogs Friedrich Schwester Margarete, die Witwe des röm. Königs Heinrich VII., und seine Nichte Gertrud, die mit dem Markgrafen
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Hermann von Baden vermählt ward, erhoben Ansprüche auf das Erbe Friedrichs. Markgraf Hermann bemächtigte sich Wiens und mehrerer österr. Städte, starb indes 1250. Da nun verschiedene Parteien das Land verwirrten und es auch von den Ungarn und Bayern angegriffen ward, so lud ein Teil der österr. Adligen Ottokar II., den Sohn des Böhmenkönigs Wenzel, zur Besitznahme des Landes ein. Ohne Widerstand drang dieser 1251 nach Wien vor und suchte dann durch die Vermählung mit der verwitweten Königin Margarete seine Stellung zu befestigen; 1253 bestieg er auch den böhm. Thron.
Nachdem er 1260 Steiermark dem König Bela von Ungarn durch den Sieg auf dem Marchfelde entrissen hatte, ließ er sich 1262 von dem röm. König Richard von Cornwallis mit beiden Herzogtümern belehnen. Durch das Testament seines Vetters Ulrich, des letzten Herzogs von Kärnten, fielen ihm 1269 dieses Herzogtum und der damit vereinigte Teil von Krain zu. Er wollte König Rudolf von Habsburg nicht anerkennen, wurde aber 1276 von ihm gezwungen, die gesamten österr. Besitzungen abzutreten.
Als er sich aufs neue erhob, verlor er auf dem Marchfelde Schlacht und Leben, und sein Sohn Wenzel II. mußte, um seine Erblande zu behalten, allen Ansprüchen auf jene Länder entsagen. Mit Einwilligung der Kurfürsten belehnte König Rudolf 1282 seine Söhne Albrecht, den spätern deutschen König Albrecht I. (s. d.), und Rudolf mit den Herzogtümern Österreich, Steiermark und Kärnten. Diese überließen Kärnten dem Grafen Meinhard von Tirol, Albrechts Schwiegervater, und schlossen 1283 einen Vergleich, zufolge dessen Albrecht allein in den Besitz von Österreich, Steiermark und Krain kam.
Die Habsburger sind die Begründer der nachmaligen Größe Österreichs. Nach Albrechts Ermordung folgten ihm in der Regierung der Erbländer seine Söhne Friedrich der Schöne und Leopold. Friedrich wurde 1314 von einigen Kurfürsten zum deutschen König erwählt, unterlag jedoch seinem Gegner, Ludwig dem Bayer, bei Mühldorf Nach dem Tode Leopolds (1326) und Friedrichs (1330) verglichen sich ihre beiden Brüder Albrecht II. und Otto mit dem Kaiser Ludwig zu Hagenau Nach dem Aussterben von Meinhards Mannsstamm kam Kärnten 1335 an Österreich, Tirol 1363 durch Vermächtnis der Margareta Maultasch (s. d.) an Rudolf IV., den Sohn Albrechts II. Die Brüder Rudolfs IV., der 1365 kinderlos starb, Albrecht III. und Leopold III., erwarben die Stadt Freiburg mit dem Breisgau, wie die Besitzungen eines Zweiges der Grafen von Görz in Istrien und Krain, teilten aber 1379 die Länder so, daß Albrecht Österreich behielt und alle übrigen Länder seinem Bruder überließ.
Albrecht III. und Leopold stifteten zwei Linien, die österreichische und die steiermärkische. Leopold kaufte die Grafschaft Feldkirch und andere Besitzungen in Schwaben und erwarb 1382 auch Triest. Als er im Kampfe gegen die Waldstätte bei Sempach 1386 gefallen war, führte Albrecht die vormundschaftliche Regierung über die Länder der unmündigen Söhne seines Bruders. Sein einziger Sohn Albrecht IV., der ihm 1395 folgte, starb 1404 bei der Belagerung von Znaim mit Hinterlassung eines erst siebenjährigen Sohnes Albrechts V. (als deutscher König Albrecht II.).
Dieser erwarb als Schwiegersohn des Kaisers Sigismund 1438 die Kronen von Ungarn und Böhmen und wurde auch von den deutschen Kurfürsten zum Könige gewählt, starb aber schon 1439. Sein Sohn Ladislaus (Posthumus) beschloß 1457 die österr. Linie, deren Länder der steiermärkischen zufielen. Doch Ungarn und Böhmen gingen verloren, sowie nach blutigen Streitigkeiten mit den Schweizern auch die letzten habsburg. Stammgüter in Helvetien. Dagegen blieb die deutsche Kaiserkrone fortan bis 1740 ununterbrochen beim Hause Österreich.
Das Haupt der steiermärk. Linie, Friedrich V., war 1439-93 als Friedrich III. deutscher König und Kaiser und erhob Österreich zum Erzherzogtum. Den nach Ladislaus' Tode zwischen Kaiser Friedrich III. und seinem Bruder Albrecht VI. ausgebrochenen Erbstreit endigte Albrechts Tod 1463. Böhmen und Ungarn an sich zu bringen, gelang Friedrich nicht. Doch wurde ihm auf Ungarn wenigstens ein event. Erbrecht zugesichert. Sein Sohn und Nachfolger Maximilian I. erwarb durch die Vermählung mit Maria von Burgund 1477 die Niederlande, vereinigte infolge der Verzichtleistung seines Vetters Sigismund von Tirol (1490) wieder ganz Österreich unter seiner Herrschaft und erwarb seinem Hause erneuerte Ansprüche auf Ungarn.
Die Verheiratung seines Sohnes Philipp mit Johanna der Wahnsinnigen von Spanien führte das Haus Habsburg auf den Thron von Spanien und Indien. Da aber Philipp schon 1506 gestorben war, so erfolgte die Vereinigung Spaniens und Österreichs erst nach Maximilians Tode worauf sein Enkel, Philipps ältester Sohn, Karl I., König von Spanien, unter dem Namen Karl V. zum Deutschen Kaiser erwählt wurde. Dieser überließ durch die Teilungsverträge von Worms und von Brüssel alle deutschen Länder seinem Bruder Ferdinand I.
Ferdinand I., der Gemahl Annas, der Schwester des ungar. Königs Ludwig II., erwarb nach dessen Tode in der Schlacht bei Mohács 1526 die Königreiche Ungarn und Böhmen nebst den zu Böhmen gehörenden Ländern Mähren, Schlesien und Lausitz. In Ungarn wurde jedoch Johann von Zápolya zum Gegenkönig gewählt, der den Sultan Suleiman II. herbeirief. Schon 1529 stand dieser vor den Mauern Wiens. Nur die tapfere Verteidigung durch Niklas Grafen von Salm rettete damals die Hauptstadt.
Nach mehrjährigen Kämpfen kam endlich 1538 der Friede von Großwardein zu stande, wonach Zápolya den Königstitel und den von ihm besetzten Teil von Ungarn behielt; dagegen sollte nach seinem Tode das ganze Reich an Ferdinand fallen. Da aber nach Johanns 1540 erfolgtem Tode dessen Räte seinem Sohne Johann Sigismund die Anerkennung und Unterstützung des Sultans verschafften, entstand ein neuer Krieg, der zur Besitznahme eines großen Teiles von Ungarn durch die Türken führte.
Für den Rest mußte Ferdinand 1547 die Entrichtung eines jährlichen Tributes von 30000 Dukaten versprechen. Siebenbürgen blieb dem Sohne Zápolyas. Ferdinand I. empfing die Kaiserkrone, nachdem sein Bruder Karl V. 1556 der Regierung entsagt hatte, und starb Nach seinem Willen teilten seine drei Söhne die väterliche Erbschaft so, daß der älteste, Kaiser Maximilian II., Österreich, Ungarn und Böhmen, der zweite, Ferdinand, Tirol und Vorderösterreich, und der dritte, Karl, Steiermark, Kärnten, Krain und Görz erhielt. Kaiser Maximilian ließ 1572 seinen
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ältesten Sohn Rudolf als König von Ungarn krönen, und 1575 fielen diesem auch die Königskronen von Böhmen und von Deutschland zu. Maximilian II., unter dessen toleranter Regierung die prot. Lehre in allen österr. Ländern große Fortschritte machte, starb von seinen fünf Söhnen wurde der älteste, Rudolf II., Kaiser. Unter diesem fielen Tirol und Vorderösterreich, die Besitzungen des Erzherzogs Ferdinand, nach dessen Tode 1595 an die beiden überlebenden Linien zurück.
Unter Rudolf II. begann die Reaktion gegen den Protestantismus. Er mußte 1608 Ungarn, Österreich und Mähren und 1611 Böhmen an seinen Bruder Matthias abtreten, der ihm 1612 in der Kaiserwürde folgte und starb. Mit ihm erlischt die zweite österr. Linie. Sein Vetter Ferdinand, der älteste Sohn des 1590 verstorbenen Erzherzogs Karl von Steiermark, folgte ihm auch in Österreich, Böhmen und Ungarn und wurde zugleich als Ferdinand II. zum Kaiser erwählt. Dagegen erhielt Tirol und Vorderösterreich Ferdinands jüngerer Bruder Leopold V. (s. d.), dessen Nachkommenschaft 1665 ausstarb, worauf diese Länder an die Hauptlinie zurückfielen. Dies war die letzte Landesteilung im österr. Hause; denn Ferdinand II. erließ testamentarisch ein Primogeniturgesetz, das unverbrüchlich gehalten wurde.
Ferdinand II. war ein eifriger Gönner der Jesuiten und hatte schon als Erzherzog die großenteils prot. Länder Steiermark, Kärnten, Kram gewaltsam katholisiert. Deshalb weigerten sich die Böhmen, ihn als König anzuerkennen, und auch in den österr. Erblanden sowie in Ungarn fand er Widerstand. Die böhm. Stände wählten sogar das Haupt der evang. Union, den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, zu ihrem König. Doch nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 (s. Dreißigjähriger Krieg) wurde Böhmen Ferdinand unterworfen, der nun in Böhmen, Mähren und Schlesien eine förmliche Ausrottung der prot.
Religion begann, wodurch Tausende zur Auswanderung veranlaßt wurden. Auch Ungarn, das unter Bethlen Gabor, dem Fürsten von Siebenbürgen, sich empört hatte, wurde zum Gehorsam zurückgebracht. Ferdinands Nachfolger, Kaiser Ferdinand III. (1637-57), setzte den Krieg fort. Wie Ferdinand II. im Prager Frieden 1635 die Lausitz an Sachsen, so mußte Ferdinand III. im Westfälischen Frieden 1648 das Elsaß an Frankreich abtreten. Ferdinands III. Sohn und Nachfolger, Kaiser Leopold I., reizte die Ungarn durch unduldsame Härte, was einen Aufstand zur Folge hatte.
Das Haupt desselben, Tököly, fand Unterstützung von seiten der Pforte, und Kara Mustapha belagerte 1683 Wien, das nur den zur Hilfe herbeieilenden Deutschen und Polen seine Rettung zu danken hatte. Nachdem dann die Siege seiner Feldherren dem Kaiser ganz Ungarn unterworfen hatten (s. Osmanisches Reich, Geschichte), verwandelte er es 1687 in ein Erbreich und vereinigte damit Siebenbürgen. Auch mußte die vom Prinzen Eugen bezwungene Pforte im Karlowitzer Frieden von 1699 das Land nördlich von der Save und Donau bis auf das Banat und den östlichsten Teil Slawoniens zurückgeben und im Passarowitzer Frieden von 1718 auch noch diese Gebiete, die Kleine Walachei, das nördl. Serbien und einen Streifen von Bosnien an Ungarn abtreten.
Dagegen scheiterte Leopolds Plan, seinem zweiten Sohne Karl die Erbfolge in der span. Monarchie zu verschaffen, an der Rivalität Frankreichs. Die Folge davon war der Spanische Erbfolgekrieg (s. d.), während dessen Leopold starb. Sein ältester Sohn und Nachfolger, Kaiser Joseph I., setzte den Krieg fort, starb aber ohne männliche Nachkommen Ihm folgte sein Bruder Karl in den Erbstaaten sowie auf dem deutschen Kaiserthron. Er mußte dem von seinen Bundesgenossen abgeschlossenen Utrechter Frieden (s. d.) 1714 in den Friedensschlüssen zu Rastatt und Baden beitreten, die ihm den Besitz der Niederlande, Mailands, Mantuas, Neapels und Sardiniens sicherten; gegen letztere Insel tauschte er 1720 im Vertrage zu London von Savoyen Sicilien ein.
Jedoch schon im Wiener Frieden von 1735 und 1738 mußte er Neapel und Sicilien an den Infanten von Spanien, Don Carlos, und an den König von Sardinien einen Teil der Lombardei abtreten, wofür er bloß Parma und Piacenza erhielt. Ebenso verlor er im Belgrader Frieden von 1739 fast alle Früchte der Siege Eugens, indem er die Kleine Walachei, Serbien an Belgrad und das nördl. Bosnien an die Pforte zurückgeben mußte. Das Herzogtum Lothringen, das Stammland seines Schwiegersohns Franz Stephan, gab er an den vertriebenen Polenkönig Stanislaus Leszczynski und mittelbar an Frankreich, während jener 1737 Toscana erhielt. In dies alles willigte Karl VI., um seiner Tochter Maria Theresia die Erbfolge in der Monarchie durch die Pragmatische Sanktion (s. d.) zuzusichern, die nach und nach von allen europ. Mächten anerkannt wurde.
Als mit Karls VI. Tode der Habsburger Mannsstamm erlosch, übernahm dessen Tochter, Maria Theresia (s. d.), die Regierung sämtlicher österr. Erblande. Doch von allen Seiten erhoben sich Ansprüche gegen sie. Ein Krieg begann, in dem anfangs nur England auf ihrer Seite war. (S. Österreichischer Erbfolgekrieg von 1741 bis 1748 und Schlesische Kriege.) In den Friedensschlüssen zu Breslau und Dresden mit Preußen 1742 und 1745 mußte Maria Theresia Schlesien nebst Glatz, mit Ausnahme von Teschen, Jägerndorf und Troppau, im Aachener Frieden (s. d.) 1748 die Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla an den Infanten Don Philipp von Spanien und einige Bezirke von Mailand an Sardinien abtreten.
Zur Wiedereroberung Schlesiens verband sie sich mit Frankreich, Rußland, Sachsen und Schweden; aber nach sieben Jahren eines blutigen Krieges (s. Siebenjähriger Krieg) behielt Preußen 1763 im Frieden zu Hubertusburg (s. d.) Schlesien. Am starb Maria Theresias Gemahl Franz, und Joseph II. wurde Mitregent der Mutter in den Erbstaaten und Deutscher Kaiser. Nebenlinien des Hauses Österreich entstanden durch Maria Theresias jüngere Söhne, Leopold, den spätern Kaiser Leopold II. (s. d.), in Toscana und Ferdinand (s. Habsburg) in Modena. Maria Theresia gewann 1772 bei der ersten Teilung Polens Galizien und Lodomerien. Die Pforte mußte 1775 die Bukowina an sie abtreten, und im Teschener Frieden, der den Bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) beendigte, erhielt sie 1779 das Innviertel, so daß bei ihrem Tode Österreich 610000 qkm umfaßte. Die Zahl der Bevölkerung war auf 24 Mill. gestiegen. Die Regierung der Kaiserin Maria Theresia, welcher der Minister Kaunitz (s. d.) zur Seite stand, zeichnete sich durch zahlreiche, aber langsame und vorsichtige Reformen aus, auch begann sie eine größere Centralisation, wenigstens für die deutschen Erblande, anzubahnen. Ihr
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Nachfolger Joseph II. handelte mit rastloser Thätigkeit im Geiste des aufgeklärten Despotismus jener Zeit, doch zu rasch und gewaltsam. Seine rücksichtslose Centralisation und Germanisation veranlaßte Unruhen in Ungarn und den Niederlanden. Sein Plan, Niederbayern und die Oberpfalz zu erhalten, scheiterte an dem Vorgehen Preußens, und als er die Niederlande als burgund. Königreich dem Kurfürsten Karl Theodor gegen Bayern überlassen wollte, trat ihm der von Friedrich d. Gr. gestiftete deutsche Fürstenbund (s. d.) entgegen. Nicht glücklicher war der Kaiser im Kriege 1788 gegen die Pforte. Er starb
Auf Joseph II. folgte dessen Bruder Leopold II. Es gelang ihm, durch Nachgeben und Festigkeit die Niederlande zu beruhigen und die Ungarn zu befriedigen. Er starb noch vor Ausbruch des Revolutionskrieges Dagegen erklärte Frankreich seinem Sohne Franz kurz nach seiner Thronbesteigung, noch ehe er als Franz II. zum Deutschen Kaiser erwählt war, den Krieg. (S. Französische Revolutionskriege.) Österreich verlor 1797 in dem ersten Friedensschluß von Campo-Formio (s. d.) die Lombardei nebst den Niederlanden, wofür es den größten Teil des venet.
Gebietes erhielt. Zwei Jahre früher war es bei der dritten Teilung Polens durch Westgalizien vergrößert worden. Anfang 1799 begann Kaiser Franz, mit Rußland, England, Neapel und der Türkei verbunden, den Krieg gegen Frankreich aufs neue; doch Bonaparte erzwang den Frieden von Lunéville (s. d.), worin in der Hauptsache die Abtretungen von Campo-Formio bestätigt wurden. Durch den Reichsdeputationshauptschluß (s. d.) von 1803 erhielt Österreich die beiden Tiroler Hochstifter Trient und Brixen, so daß es, mit Einschluß der letzten Erwerbungen in Polen, ungeachtet jener Abtretungen in den Koalitionskriegen, über 660000 qkm umfaßte.
Als Napoleon sich zum Kaiser ausrufen ließ, erklärte sich Franz zum Erbkaiser von Österreich, indem er unter dem Namen Kaisertum Österreich alle seine Staaten zu einem Ganzen vereinigte. Noch einmal griff 1805 der Kaiser, im Bunde mit Rußland und Großbritannien, zu den Waffen gegen Napoleon I. (S. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805.) Der Krieg endigte mit dem Frieden von Preßburg (s. d.), worin Franz Vorderösterreich, Tirol, Dalmatien, Istrien und Venetien abtreten mußte und dafür Salzburg erhielt.
Nach der Errichtung des Rheinbundes entsagte Kaiser Franz der deutschen Kaiserwürde und nannte sich nun Franz I., Kaiser von Österreich. Von neuem beschloß er 1809 den Krieg gegen Frankreich. (S. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809.) Die Österreicher unterlagen aber wiederum. Der abgeschlossene Friede zu Schönbrunn kostete der Monarchie 2000 Quadratmeilen mit 3½ Mill. E.: Salzburg mit Berchtesgaden, das Innviertel, die westl. Hälfte Kärntens, Krain mit Görz, Triest, Kroatien am rechten Ufer der Save, Westgalizien und einen Teil Ostgaliziens und führte zum partiellen Staatsbankrott.
Österreich suchte nun die franz. Allianz, und 1810 erfolgte die Verbindung Napoleons mit Kaiser Franz' Tochter Maria Louise. Nachdem aber Napoleons I. Macht in Rußland gebrochen, Preußen gegen die Fremdherrschaft aufgestanden, der Kongreß in Prag ohne Resultat geblieben war, erklärte Kaiser Franz an Frankreich den Krieg (S. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815.) Im ersten Pariser Frieden (s. d.) von 1814 erhielt er den zum Lombardisch-Venetianischen Königreich erhobenen Teil Italiens und die früher abgetretenen Teile seiner Erbländer nebst Dalmatien zurück, zugleich wurden die österr. Nebenlinien in Toscana und Modena wieder eingesetzt.
Durch die neue Gestaltung Europas auf dem Wiener Kongreß 1815 und den mit Bayern zu München abgeschlossenen Vertrag erhielt die österr. Monarchie einen Zuwachs von etwa 8260 qkm. In der folgenden Zeit war Österreich unter Leitung Metternichs der entschiedenste Vertreter des Systems der Stabilität und Legitimität und übte als Präsidialmacht des Deutschen Bundes (s. d.), namentlich durch die Karlsbader Beschlüsse (s. d.), einen drückenden Einfluß auf den Gang der Dinge in Deutschland.
Auf den Kongressen zu Troppau 1820, Laibach 1821 und Verona 1822 (s. diese Artikel) war es die führende Macht. In Übereinstimmung mit der Heiligen Allianz stellten österr. Heere 1822 die alten Zustände in den Königreichen Sicilien und Sardinien wieder her. Die Unruhen in mehrern deutschen Staaten seit 1830 gaben Österreich Veranlassung, auf die einzelnen deutschen Regierungen im Sinne der Reaktion einzuwirken. Dieses geschah namentlich in den Bundesbeschlüssen von 1832 und bei den Wiener Ministerialkonferenzen von 1834. Der Tod des Kaisers Franz I. änderte wenig in dem Regierungssystem, und unter Franz' ältestem Sohn und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I., entwickelten sich die innern Zustände Österreichs allmählich zu einer bedenklichen Krisis.
In den einzelnen Nationalitäten der großen Monarchie war eine mächtige Opposition groß geworden, die ständischen Landtage traten mit Forderungen und Beschwerden hervor. In Böhmen sammelten sich die czech.-nationalen Elemente zunächst zu einer litterar. Opposition (s. Czechische Litteratur). In Ungarn gab Graf Stephan Szechényi (s. d.) den Anstoß zu einer nationalen, liberalen oppositionellen Bewegung, die jedoch durch die Popularität des Erzherzogs Palatinus Joseph (gest. 1847) gestaut wurde.
Der poln. Aufstand von 1846 (s. Polen) führte zur Einverleibung der Republik Krakau in die österr. Monarchie im Nov. 1846. In Italien befand sich bereits die revolutionäre Bewegung in vollem Gang, als die franz. Revolution vom das alte Europa in den Grundfesten erschütterte. Auch in Wien entstand eine Volksbewegung 13. März, der gegenüber Regierung und Militärmacht alle Haltung verloren und sich nach geringem Widerstand fügten. Metternich wurde gezwungen, seine Entlassung zu nehmen. Bürgerbewaffnung und freie Presse wurden vom Kaiser gewährt und 15. März die Einberufung einer beratenden Versammlung aus allen Teilen der Monarchie verheißen. Gleichzeitig hatte in Ungarn die Opposition ihre Forderung eines selbständigen, dem Landtag verantwortlichen Ministeriums durchgesetzt, und in Italien hatte der Vicekönig Mailand bereits verlassen, als 18. März dort und in Venedig der Aufstand ausbrach.
Eine in Wien veranstaltete Massenbewegung erzwang die Revision des Wahlgesetzes, wonach der neue Reichstag als ein konstituierender berufen und jeder Census bei den Wahlen beseitigt werden sollte. Diese Vorgänge bewogen die kaiserl. Familie nach Innsbruck zu
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flüchten. Während der Kaiser dort verweilte, Wien der Volksherrschaft überliefert war, die Ungarn selbständig ihren Weg gingen, zu Prag in den Pfingsttagen ein slaw. Aufstand ausbrach, den Fürst Windisch-Grätz mit blutiger Strenge unterdrückte, ermannte sich die österr. Staatsmacht zuerst wieder in Italien. Dort hatte Radetzky die Armee Karl Alberts von Sardinien, der gleichzeitig mit dem Ausbruch der Revolution den Krieg an Österreich erklärt hatte, nach einer Reihe blutiger Gefechte, namentlich bei Custozza (25. Juli), entscheidend geschlagen. Ein Waffenstillstand, der die Lombardei wieder unterwarf, war die Frucht dieses Sieges. Indes zeigte sich in Wien die Regierung ohnmächtiger als bisher. Das nach Metternichs Flucht gebildete Ministerium (Ficquelmont, Pillersdorf, Sommaruga) ward 8. Juli zum Rücktritt gezwungen und durch ein neues (Wessenberg, Dobblhoff, Bach, Kraus, Latour) ersetzt. In Ungarn aber bereitete sich ein Bürgerkrieg vor.
Die Kroaten unter ihrem Banus Jellachich lehnten sich gegen das magyar. Übergewicht auf, und der Erzherzog Palatinus Stephan verließ 24. Sept. das Land. Kaiser Ferdinand, der endlich im August nach Wien zurückgekehrt war, übertrug das Oberkommando Jellachich und erklärte den ungar. Landtag für aufgelöst. Derselbe blieb aber versammelt und wählte Kossuth zum Präsidenten des Landesverteidigungsausschusses. Zugleich brach aus Anlaß des Abmarsches kaiserl. Truppen nach Ungarn auch in Wien ein Aufstand aus, dem der Kriegsminister Latour zum Opfer fiel, und der erst 31. Okt. mit der Erstürmung der Stadt durch die Armee des Fürsten Windisch-Grätz ein Ende fand. Es wurden nun die strengsten militär. Maßregeln ergriffen, eine Anzahl Führer und Teilnehmer, unter ihnen Messenhauser und Robert Blum, kriegsgerichtlich verurteilt und erschossen.
Schon vor dem Beginn des Kampfes hatte ein kaiserl. Manifest den konstituierenden Reichstag, der 22. Juli zusammengetreten war, vertagt und ihn auf den 15. Nov. nach Kremsier berufen. Jetzt folgte 22. Nov. die Bildung eines neuen Ministeriums, in das Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Stadion, Bach, Bruck, Kraus, später Schmerling eintraten. Am 2. Dez. dankte der Kaiser zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph I. ab. Im Winter überschritt der zum Oberbefehlshaber ernannte Fürst Windisch-Grätz die Leitha und begann den Krieg in Ungarn (s. d., Geschichte).
Während sich hier der heftige Kampf des Sommers vorbereitete, erfolgten auf andern Stellen entscheidende Ereignisse. Der Waffenstillstand mit Sardinien war im März 1849 gekündigt worden. Radetzky eröffnete demnach seinen ebenso kurzen wie erfolgreichen Feldzug und schlug (20. bis 24. März) die sardin. Armee entscheidend bei Mortara und Novara. Mit der Übergabe Venedigs war im August die Unterwerfung Italiens vollendet. In Kremsier vermochte sich indes die Regierung mit dem Reichstag nicht zu verständigen. Sie löste ihn auf und oktroyierte eine Verfassung, in der die Einheit und Unteilbarkeit der Monarchie festgesetzt war. In Ungarn hatte indes der Reichstag (14. April) die Entsetzung des Hauses Habsburg-Lothringen ausgesprochen und Kossuth zum Gouverneur-Präsidenten der neuen Republik ernannt. Ende April drangen die Magyaren wieder in Pest ein, und bald darauf erlag ihnen auch Ofen. Der Krieg nahm erst für Österreich eine bessere Wendung, als Rußland militär. Hilfe sandte. Am streckte der Diktator Görgey vor den Russen bei Világos die Waffen. Mit der Kapitulation des ungar. Generals Klapka in Komorn (September) war die Unterwerfung Ungarns vollendet.
In eine eigentümliche Verwicklung waren während dieser Zeit die Verhältnisse zu Deutschland geraten. In der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt neigte sich die Mehrheit bei den Verfassungsberatungen einem Bundesstaat unter preuß. Leitung und einer weitern Union mit Österreich zu. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte.) Aber das österr. Kabinett verwahrte sich (im Febr. 1849) entschieden gegen die Unterordnung des Kaisers unter eine jede von einem andern deutschen Fürsten gehandhabte Centralgewalt, und wurden die österr.
Abgeordneten aus Frankfurt zurückberufen. Die Weigerung des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, die ihm angebotene deutsche Kaiserkrone anzunehmen, und die geschickte Taktik des Erzherzog-Reichsverwesers Johann, der die österr. Interessen unermüdet und mit Erfolg vertrat, kamen der österr. Politik zu Hilfe. Den preuß. Bestrebungen, einen engern Bundesstaat, die sog. Union, zu gründen, stellte Österreich die Zusammenkunft des Kaisers mit den Königen von Bayern und Württemberg in Bregenz Okt. 1850 entgegen und zwang durch seinen Einmarsch in Kurhessen Preußen, zwischen Krieg und Unterwerfung zu wählen.
Preußen fügte sich den österr. Forderungen zu Olmütz (29. Nov.). Die Union wurde aufgegeben, die Exekution in Hessen und Holstein bewilligt, die Revision der Bundesverfassung auf die Dresdener Konferenzen (s. d.) verschoben. Die Zwecke, die Schwarzenbergs Politik verfolgte, wurden freilich zu Dresden nicht erreicht. Die Bundesverfassung blieb unverändert. Auch den beabsichtigten Eintritt Gesamtösterreichs in den Deutschen Bund gab man allmählich auf.
Im Jan. 1851 trat Schmerling, im Mai Bruck aus dem Ministerium, womit die freisinnigen Elemente beseitigt waren. Am erschien eine Kundmachung, wonach die Verfassung von 1849 und die Grundrechte aufgehoben, die Schwurgerichte beseitigt, die Gemeindeverfassung umgestaltet und an die Stelle der Provinzialstände beratende Ausschüsse aus dem Erbadel und den Grundbesitzern gesetzt wurden. Daran schloß sich die kirchliche Reaktion. Am starb plötzlich Fürst Schwarzenberg. Sein Nachfolger war Graf Buol-Schauenstein, in dessen Politik das Bemühen, mit Preußen wieder in ein freundlicheres Verhältnis zu kommen, hervortrat. Die Unterhandlungen Brucks führten zu dem abgeschlossenen Handelsvertrag, der einen großen Teil der bisherigen Schranken zwischen Deutschland und Österreich wegräumte.
In dem russ.-türk. Konflikt, der zum Orientkrieg (s. d.) führte, nahm Österreich zuerst eine vermittelnde Stellung zwischen Rußland und den Westmächten ein. Nach dem Ausbruch des Krieges vereinigte es sich mit Preußen zu einem gegenseitigen Garantievertrag dem 24. Juli auch der Deutsche Bund beitrat. Nunmehr richtete Österreich an Rußland die Forderung, die Donaufürstentümer zu räumen, und als infolgedessen die Russen abzogen, traten österr. Truppen bis zum Frieden an ihre Stelle. Nach dem Falle von Sewastopol nahm Österreich die Vermittelung wieder auf, die dann zum Abschluß des Pariser Friedens führte.
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Unterdes war in der innern Verwaltung Österreichs unter dem Minister Bach das System der Reaktion zur vollen Durchführung gelangt. Auf kirchlichem Gebiet brach man durchaus mit den Traditionen Josephs II. und schloß mit dem Papst das Konkordat vom das eine Reihe ultramontaner Ansprüche zugestand und die Volks- und teilweise auch die Mittelschulen unter die Aufsicht des Klerus stellte. Erfreulicher zeigte sich dagegen die Regierungsthätigkeit, seit Bruck März 1855 wieder das Ministerium der Finanzen übernommen hatte.
Namentlich begann die Ausführung der großen Eisenbahnbauten. Auch versuchte man die Regelung des Staatshaushalts und die Hebung des Staatskredits; doch wurden die erreichten finanziellen Resultate durch den Ausbruch des ital. Krieges (s. Italienischer Krieg von 1859) nur allzu schnell wieder rückgängig gemacht. Der Krieg verlief unglücklich, die Schlachten bei Magenta (4. Juni) und Solferino (24. Juni) brachten die Lombardei in die Hände Frankreichs, das sie an Sardinien gab. In den ital. Kleinstaaten flohen die mit Österreich verwandten Herrscher, und Volksabstimmungen erhoben nun das Haus Savoyen zur Herrschaft. (S. Italien, Geschichte.) Die Katastrophe von 1859 hatte einen innern Umschwung in Österreich zur Folge.
Der Minister des Auswärtigen, Graf Buol-Schauenstein, legte sein Amt nieder; an seine Stelle trat Graf Rechberg Am 21. Aug. mußte auch Bach, der Minister des Innern, dem allgemeinen Hasse weichen und wurde durch Graf Goluchowski ersetzt, während Freiherr von Hübner das Polizeiministerium übernahm. Der Finanzminister Bruck (s. d.) empfahl eine Rückkehr zu dem konstitutionellen System, da nur auf diesem Wege der vollständig zerrüttete Staatskredit wiederhergestellt werden könne. Am ward der sog. verstärkte Reichsrat einberufen, der aus 38 vom Kaiser ernannten Mitgliedern aus den verschiedenen Teilen des Reichs bestand.
Aber diese Schöpfung befriedigte nicht. Bruck selbst ward infolge von Unterschleifsprozessen unhaltbar, erhielt 22. April seinen Abschied und endete tags darauf durch Selbstmord. Durch das kaiserl. Diplom vom wurde den zur ungar. Krone gehörigen Ländern eine neue Verfassung, den übrigen Ländern besondere Landtage zugesichert. Aber die Statute, die der «Staatsminister» Goluchowski für einzelne Länder ausarbeiten ließ, gewährten den Landtagen so geringe Rechte und räumten dem Adel und Klerus ein solches Übergewicht ein, daß sie allgemeine Unzufriedenheit hervorriefen.
Goluchowski ward entlassen, und an seine Stelle trat Schmerling, der Vertreter des reichseinheitlichen Gedankens, der eine neue Reichsverfassung für den Gesamtstaat und neue Landesstatute für die slaw.-deutschen Kronländer verkündigte. Dieses Februarpatent schuf neben dem allgemeinen, aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden Reichsrat noch einen engern. In diesem sollten die gemeinschaftlichen Interessen der deutsch-slaw. Länder, in jenem die Angelegenheiten des Gesamtreichs, d. h. auch Ungarns und seiner Nebenländer, beraten werden.
Am wurde die erste Session des neuen Reichsrats eröffnet; aber es fehlten die Abgeordneten aus Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen und Venetien, wo man von der Gesamtstaatsverfassung nichts wissen wollte und keine Wahlen vorgenommen hatte. So konnte die Versammlung nicht wohl als Vertretung des Gesamtstaates gelten, sondern die Regierung selbst bezeichnete sie (5. Juni) als engern Reichsrat. Nur Siebenbürgen bequemte sich nach einigen Jahren zur Anerkennung der gesamtstaatlichen Ordnung, und Okt. 1863 traten die siebenbürg. Abgeordneten in den Reichsrat ein, der sich seitdem als weiterer Reichsrat konstituierte. Dagegen traten die czech. Mitglieder aus Böhmen und Mähren aus, indem sie im Dez. 1864 erklärten, daß sie diesen unvollständigen Reichsrat nicht als eine Vertretung des Gesamtstaates ansehen könnten. Auch die legislatorischen Resultate des Reichsrates waren geringfügig, da die Regierung nur wenige eingreifende Vorlagen brachte und sich begnügte, das jährliche Budget bewilligen zu lassen.
In Deutschland trachtete Österreich seinen Einfluß dem preußischen gegenüber zu vergrößern und fand in den Mittelstaaten bereitwillige Unterstützung. So arbeitete die österr. Politik auf die Sprengung des Zollvereins hin, wohl in der Hoffnung, wenigstens die süddeutschen Staaten an sich zu ziehen. Sodann lud Kaiser Franz Joseph zum die deutschen Fürsten und Freien Städte zu einem Kongreß in Frankfurt a. M. und legte hier den Entwurf einer Bundes-Reformakte vor. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte.) Doch bei der Ablehnung Preußens mußte man in der deutschen Verfassungsfrage auf jeden wirklichen Erfolg verzichten.
Als beim Tode des dän. Königs Friedrich VII. der langjährige dänisch-deutsche Konflikt (s. Schleswig-Holstein) zum offenen Ausbruch kam, ließen Österreich und Preußen ihre Heere in Holstein einmarschieren und verbündeten sich noch enger durch die geheime Konvention vom Der nun folgende Krieg (s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864) wurde durch den in Wien 30. Okt. abgeschlossenen Frieden beendet (s. Wiener Friedensschlüsse), worin Christian IX. die Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg an den Kaiser von Österreich und den König von Preußen abtrat.
Die gemeinsame Herrschaft machte die alte Eifersucht der deutschen Vormächte bald wieder rege. Österreich gab jedoch in der schlesw.-holstein. Sache vorläufig den Wünschen Preußens nach, und die Gasteiner Konvention (s. Gastein), schob die Entscheidung noch auf kurze Zeit hinaus. Auch der Streit auf dem volkswirtschaftlichen Gebiete wurde durch den Abschluß eines neuen Handelsvertrags zwischen Österreich und dem Zollverein beigelegt.
Inzwischen hatte sich in den innern Verhältnissen Österreichs abermals ein Umschwung vollzogen. Der Versuch Schmerlings zur Durchführung der Februarverfassung war in der östl. Reichshälfte mißlungen; der Wiener Hof suchte daher wieder mit der altkonservativen Partei in Ungarn anzuknüpfen, wobei Graf Moritz Esterházy, seit 1861 Minister ohne Portefeuille, als Vermittler diente. Als Graf Georg Mailáth, ebenfalls ein hervorragendes Mitglied dieser Partei, zum ungar. Hofkanzler ernannt wurde, reichten tags darauf Schmerling, Plener und deren Anhänger im Ministerium ihre Entlassung ein, die auch angenommen wurde. Am 27. Juli kam das neue sog. Drei-Grafen-Ministerium zu stande, das aus föderalistischen und altkonservativ-ungar. Elementen zusammengesetzt war. Ministerpräsident und Staatsminister ward Graf Richard Belcredi, Finanzminister Graf Larisch, das
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Auswärtige behielt Graf Mensdorff-Pouilly, der schon im Okt. 1864 an Rechbergs Stelle getreten war, aber bei der geringen Kenntnis der Geschäfte nur den Namen hergab, während Esterházy der eigentliche Leiter der Politik war. Am wurde ein kaiserl. Manifest veröffentlicht, das die Verfassung sistierte, doch wurde dadurch die Lage -nicht gebessert, da die Regierung jetzt auch die Opposition der verfassungstreuen deutschen Landtage gegen sich hatte. In Ungarn vermochte die altkonservative Partei, auf die das Ministerium sich stützte, wenig, und die vorherrschende Partei Deáks war entschlossen, sich nicht mit halben Zugeständnissen zu begnügen.
Inzwischen hatte sich der Gegensatz zwischen Österreich und Preußen immer mehr verschärft und der Krieg, in dem Italien auf Preußens Seite stand, war unvermeidlich geworden. (S. Deutscher Krieg von 1866 und Italienischer Krieg von 1866.) Durch die Präliminarien von Nikolsburg 26. Juli und den Frieden zu Prag (s. d.) 23. Aug. wurde Österreich aus Deutschland hinausgedrängt; in dem zu Wien mit Italien abgeschlossenen Frieden (s. Wiener Friedensschlüsse) trat es Venetien an Italien ab. Den Ausgleich im Streit der Nationalitäten suchte Belcredi dadurch herbeizuführen, daß er die Monarchie in fünf nur durch Personalunion miteinander verbundene Königreiche: Österreich, Ungarn, Böhmen, Polen, Kroatien-Slawonien, zerlegte, doch fand er bei der deutschen Bevölkerung des Kaiserreichs einen derartigen Widerstand, daß er seine Entlassung erhielt. An seiner Stelle versuchte der schon für den Grafen Mensdorff in das Ministerium des Auswärtigen berufene frühere sächs. Minister Freiherr von Beust auf der Grundlage des Dualismus die Monarchie neu aufzubauen. Er wurde 7. Febr. zum Ministerpräsidenten ernannt, am folgenden Tage der Ausgleich mit Ungarn in Wien mit Franz Deák (s. d.) definitiv abgeschlossen, die Verfassung von 1848 wiederhergestellt und Graf Julius Andrássy beauftragt, ein ungar. Ministerium zu bilden.
Dasselbe wurde aus den Männern der Deák-Partei gewählt, leistete 15. März in Ofen dem Kaiser den Eid, und dieser wurde 8. Juni als König von Ungarn gekrönt. Mit Ungarn wurde Siebenbürgen und 1868 auch Kroatien vereinigt. Darauf wurden auch in den deutsch-slaw. Provinzen (Cisleithanien) verfassungsmäßige Zustände hergestellt und die neuen Staatsgrundgesetze veröffentlicht. Zugleich wurde für die westl. Reichshälfte 30. Dez. das sog. Bürgerministerium ernannt, an dessen Spitze Fürst Carlos Auersperg stand; Vicepräsident und zugleich Minister der Landesverteidigung war Graf Taaffe, Minister des Innern Giskra, der Justiz Herbst, der Finanzen Brestel, des Kultus und Unterrichts Hasner, des Handels Plener, des Ackerbauwesens Graf Potocki, Minister ohne Portefeuille Berger.
Für die den beiden Reichshälften gemeinsamen Angelegenheiten, das Auswärtige, die Finanzen und das Kriegswesen, wurde 21. Dez. ein besonderes Reichsministerium ernannt. Der Reichskanzler Beust übernahm das Auswärtige, Beke die Finanzen, Freiherr von John und nach dessen Rücktritt Feldmarschalllieutenant von Kuhn das Kriegswesen. Diese drei Reichsminister sollten mit den vom Reichsrat und Reichstag zu wählenden Delegationen (s. d.), die abwechselnd in Wien und in Pest sich zu versammeln hatten, die gemeinsamen Reichsangelegenheiten beraten.
Bei der formellen Auseinandersetzung (dem sog. Ausgleich) zwischen den Ländern der ungar. Krone und den im Reichsrat vertretenen deutschslaw. Kronländern, über die durch Deputationen des Reichsrats und des Reichstags verhandelt wurde, einigte man sich dahin, daß die gemeinsamen Ausgaben zunächst aus dem Ertrag der Zölle bestritten, der Rest aber mit 70 Proz. von der cisleithanischen, mit 30 Proz. von der ungar. Reichshälfte getragen werden sollte. Diese Abmachung sollte immer auf 10 Jahre gelten, worauf dann das Quotenverhältnis abgeändert werden kann.
Dagegen ward ein unabänderliches und endgültiges Abkommen über die gemeinsame Staatsschuld getroffen. Danach sollte die cisleithanische Reichshälfte vorweg von den Zinsen 25 Mill. Fl. tragen und der Rest zwischen beiden Reichshälften im Verhältnis von 70 und 30 Proz. geteilt werden. Diese Summen berechnete man für 1868 auf 109 und 36 Mill. Fl.; von 1869 an sollte Ungarn nur einen jährlichen festen Beitrag von 29100000 Fl. zur Verzinsung leisten. Die bisherigen verschiedenen Staatsschuldentitel sollten in eine einheitliche Staatenschuld umgewandelt werden, was im Juni 1868 bewerkstelligt wurde.
Von 1869 an sollten nur mit Zustimmung beider Parlamente Anleihen auf gemeinsame Rechnung und zu gemeinsamen Zwecken gemacht werden; dagegen hatte im übrigen sowohl die cisleithanische wie die ungar. Finanzverwaltung für ihren eigenen besondern Bedarf zu sorgen. Diese Abmachungen sowie ein Zoll- und Handelsbündnis wurden im Oktober von den Parlamenten Cis- und Transleithaniens genehmigt, und ein kaiserl. Handschreiben vom ordnete die Titelfrage dahin, daß der Monarch künftighin den Titel Kaiser von Österreich, König von Ungarn, und die Monarchie die Bezeichnung Österreichisch-Ungarische Monarchie und Österreichisch-Ungarisches Reich führen sollte.
Am notwendigsten, aber auch am schwierigsten war die Regelung der kirchlichen Verhältnisse oder die Konkordatsfrage. Die durch die Staatsgrundgesetze garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit konnte unter der Herrschaft des Konkordats nicht aufkommen. Die Regierung brachte drei Gesetzentwürfe ein: das Ehegesetz sollte das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuches wiederherstellen, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen den Geistlichen abnehmen und den weltlichen Gerichten zurückgeben und die Notcivilehe einführen;
das Schulgesetz sollte die Leitung des Unterrichtswesens mit Ausnahme des Religionsunterrichts der Geistlichkeit entziehen und dem Staate übergeben;
das interkonfessionelle Gesetz sollte das Religionsbekenntnis der Kinder bei gemischten Ehen, den Übertritt zu einer andern Konfession, das Begräbnis u. s. w. regeln.
Diese drei Entwürfe wurden vom Abgeordnetenhause angenommen, vom Herrenhause nach heftigen Kämpfen genehmigt und vom Kaiser unterzeichnet. Inzwischen hatte letzterer mit dem Papst wegen Revision des Konkordats vergebens unterhandeln lassen. Pius IX. erklärte in seiner Allokution vom «diese Gesetze samt ihren Folgerungen für durchaus nichtig und immerdar ungültig». Infolgedessen forderten die meisten Bischöfe in ihren Hirtenbriefen alle Gläubigen auf, sich nicht um diese Gesetze zu kümmern und sich an die Bestimmungen des Konkordats zu halten, gegen das eine ebenso lebhafte Bewegung der Liberalen gerichtet war. Diese kam auch schließlich ans Ziel, da nach
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der Verkündigung der Unfehlbarkeit des Papstes im Juli 1870 das Konkordat seitens der Regierung als nicht mehr zu Recht bestehend erklärt wurde.
Sonst nahmen während der Reichsratssession von 1868 besonders die Verhandlungen über die Finanzen und das Heerwesen die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch. Ein massenhafter Verkauf von Staatsgütern wurde vorgenommen, wodurch es Brestel wirklich gelang, das thatsächliche Deficit auf 3-4 Mill. Fl. herabzumindern. Bei der Neugestaltung des Heerwesens wurde die allgemeine Wehrpflicht zu Grunde gelegt, mit 12jähriger Dienstzeit, davon 3 Jahre in der Linie, 7 Jahre in der Reserve, 2 Jahre in der Landwehr.
Infolge der zunehmenden nationalen Agitationen in Böhmen und Mähren hatten sich die Czechen, die ihre Ansprüche auf Selbständigkeit nicht erfüllt sahen, von dem Reichsrat ganz zurückgehalten, zogen sich nun auch von den Landtagen zurück und übergaben in Prag 23. Aug., in Brünn sog. Deklarationen, worin sie die Integrität und Selbständigkeit der böhm. Wenzelskrone verfochten und die Wiederherstellung des böhm. Staatsrechts als Vorbedingung eines Ausgleichs mit der Krone bezeichneten.
Den Polen wurden manche Zugeständnisse gemacht, indem in Galizien die poln. Sprache statt der deutschen zur amtlichen Sprache der Behörden erhoben wurde. Dennoch hörte die nationale Opposition nicht auf und fand jetzt rückhaltslose Unterstützung bei den feudalen und klerikalen Elementen, die sich durch die neue Gesetzgebung verletzt fühlten. Sie wurde noch mehr ermutigt, seit man bemerkte, daß innerhalb des Bürgerministeriums selbst, an dessen Spitze nach dem Ausscheiden Auerspergs (Sept. 1868) Taaffe getreten war, eine Minorität (Taaffe, Potocki, Berger) im Einverständnis mit Beust einen Ausgleich mit den widerstrebenden Nationalitäten befürwortete.
Während Giskra, Herbst, Brestel, Hasner und Plener eine auch von ihnen als nötig anerkannte Revision der Verfassung durch den bestehenden Reichsrat gelöst sehen wollten, wünschten Berger, Potocki und Taaffe einen Reichsrat ad hoc einzuberufen und durcb diesen jene Frage entscheiden zu lassen. Am nahm das Herrenhaus eine im Sinne der Kabinettsmajorität gefaßte Adresse an, worauf noch am gleichen Tage Taaffe, Potocki und Berger ihr Entlassungsgesuch einreichten; die Ministerpräsidentschaft übernahm 25. Jan. Hasner.
Ein neuer Zwiespalt entstand im Ministerium über die Frage der Wahlreform, infolge dessen Giskra seine Entlassung nahm. Die Regierung legte 30. März das sog. Notwahlgesetz vor, worauf für den Fall der Nichtannahme oder Zurückgabe der Reichsmandate direkte Reichsratswahlen eingeführt werden sollten. Der Ausschuß genehmigte 31. März den Entwurf. Darauf erklärten die Polen ihren Austritt aus dem Reichsrat, und diesem Beispiel folgten die Slowenen sowie die Abgeordneten aus Görz, Triest, Istrien und Bukowina. So blieben fast nur Vertreter deutscher Nationalitäten im Abgeordnetenhause, die jedoch noch die beschlußfähige Zahl hatten.
Zugleich beantragte das Kabinett beim Kaiser die Auflösung sämtlicher Landtage, deren Mitglieder den Reichsrat verlassen hatten, und als der Kaiser ablehnend antwortete, nahm es 4. April seine Entlassung. Diese wurde angenommen und Graf Potocki mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt, worin Graf Taaffe das Innere übernahm. Da dieses Kabinett weder einen Vergleich mit den Czechen und Polen zu stande brachte, noch die deutschen Verfassungstreuen des Reichsrats gewinnen konnte, so wurden 21. Mai das Abgeordnetenhaus und sämtliche Landtage (der böhmische erst 31. Juli) aufgelöst.
Beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 verhandelte Napoleon anfangs wegen eines Bündnisses mit Österreich und Italien. Die raschen Erfolge der deutschen Waffen ließen jedoch den Gedanken an eine Allianz mit Frankreich keine feste Gestalt gewinnen. Unterdes war die Stellung des Ministeriums Potocki bereits unhaltbar geworden, und da sowohl im Herrenhause wie auch im Abgeordnetenhause Adressen angenommen wurden, die auf ein förmliches Mißtrauensvotum gegen das Ministerium hinausliefen, reichte dies 23. Nov. seine Entlassung ein, die es erhielt.
In dem neuen Kabinett übernahm Graf Hohenwart das Innere und den Vorsitz, Habietinek Justiz, von Holzgethan Finanzen, Schäffle Handel, Jirecek Kultus und Unterricht, von Scholl Landesverteidigung; nachträglich wurde Grocholski als Minister ohne Portefeuille hinzugezogen. Das Kabinett zeigte durchweg föderalistische, feudalklerikale Tendenzen. Als eine Vorlage, betreffend die Autonomie Galiziens, im Verfassungsausschuß beraten wurde, erklärte Graf Hohenwart 10. Mai, daß, wenn die böhm. Opposition sich mit ähnlichen Konzessionen zufrieden geben wolle, eine entsprechende Vorlage auch betreffend Böhmen eingebracht werden solle. Diese Erklärung erregte einen Sturm des Unwillens, und das Abgeordnetenhaus beschloß 26. Mai eine Adresse an den Kaiser, die gegen föderalistische Experimente Verwahrung einlegte. Dies blieb erfolglos; der Kaiser antwortete 30. Mai, daß das Ministerium sein volles Vertrauen besitze.
Unterdes war Graf Hohenwart bemüht, den parlamentarischen Widerstand der Verfassungspartei gegen seine böhm. Ausgleichspläne zu brechen. Nachdem die Vorverhandlungen mit den Czechenführern zum Abschluß gediehen waren, verfügte ein kaiserl. Patent vom 11. Aug. die Auflösung des Abgeordnetenhauses und derjenigen Landtage, in denen die Verfassungspartei die Mehrheit hatte. Die Wahlen für die Landtage ergaben eine Niederlage der verfassungstreuen Partei, die im Abgeordnetenhause nur auf 66 Stimmen gegen 137 rechnen konnte und daher sich vom Reichsrat fern zu halten beschloß. Im böhm. Landtage kamen die Abmachungen Hohenwarts mit den Czechenführern zur Vorlage.
Ein kaiserl. Reskript vom 12. Sept. erkannte das sog. böhmische Staatsrecht grundsätzlich an. Die czech.-feudale Majorität bestellte nunmehr einen Ausschuß von 30 Mitgliedern, um das staatsrechtliche Verhältnis Böhmens zu den übrigen Königreichen und Ländern zu regeln. Dieser legte in den 18 Fundamentalartikeln eine ganz neue Verfassung zunächst für Böhmen, im weitern aber für die ganze cisleithanische Reichshälfte, auf durchaus föderalistischer Grundlage vor, die von dem böhm. Landtag, aus dem 16. Sept. sämtliche deutsche Abgeordnete ausgetreten waren, einstimmig angenommen wurde. In einem großen Ministerrate wurde die böhm. Frage 20. Okt. verhandelt. Der Reichskanzler Graf Beust und Graf Andrássy sprachen sich gegen die czech. Vorschläge aus, und 21. Okt. entschied sich der Kaiser dahin, daß die böhm. Fundamentalartikel zur Vorlage im Reichsrate nicht
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geeignet seien. Das Ministerium Hohenwart reichte daher seine Entlassung ein, die 30. Okt. bewilligt wurde. Auch Graf Beust, der den Kaiser zu spät gewarnt hatte, bat um seine Entlassung, die er 8. Nov. erhielt. Sein Nachfolger als Minister des Auswärtigen und Vorsitzender im Reichsministerrate wurde 14. Nov. Graf Andrássy. Die Bildung eines cisleithanischen Ministeriums wurde dem Fürsten Adolf Auersperg übertragen, dessen Programm von der deutschen Verfassungspartei gebilligt wurde. Die Mitglieder des neuen Kabinetts vom 25. Nov. waren: Auersperg, Präsidentschaft;
Holzgethan (nach dessen Ernennung zum Reichsfinanzminister von Pretis), Finanzen;
Lasser, Inneres;
Glaser, Justiz;
Stremayr, Kultus und Unterricht;
Banhans, Handel;
Chlumecky, Ackerbau;
Horst, Landesverteidigung;
Unger, ohne Portefeuille.
Um den fortgesetzten Bestrebungen der Landtage, durch Verweigerung der Reichsratsbeschickung die Centralgesetzgebung und die Verfassung in Frage zu stellen, einen Damm entgegenzusetzen, legte die Regierung im österr. Abgeordnetenhause ein Notwahlgesetz vor, das zum Zweck hatte, überall, wo die Landtagsmajoritäten die Wahl in den Reichsrat verweigerten, in den Wahlbezirken die direkte Wahl in den Reichsrat vornehmen zu lassen. Dieses Gesetz wurde 20. Febr. und 5. März von beiden Häusern mit Zweidrittelmehrheit genehmigt. Im Mai wurde der Landtag von Böhmen aufgelöst und die sofortige Einleitung von Neuwahlen angeordnet, bei welcher Gelegenheit die deutsche Verfassungspartei den Sieg davontrug. Am wurde dem Abgeordnetenhause ein Gesetz über eine Wahlreform vorgelegt, wonach die Abgeordneten nicht mehr von den Landtagen, sondern unmittelbar von den Wahlberechtigten gewählt werden sollten; im März wurde es in beiden Häusern erledigt und sanktioniert. Damit war in Österreich endlich nach 12jährigen Verfassungskämpfen die Selbständigkeit des Abgeordnetenhauses errungen.
In seiner äußern Politik wandte sich Österreich unter dem Einfluß Andrássys entschieden Deutschland und Rußland zu. Das Ergebnis einer Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin (Sept. 1872) war der Dreikaiserbund (s. d.). Die 1. Mai eröffnete Weltausstellung in Wien erlitt starke Einbuße durch die 9. Mai ausgebrochene wirtschaftliche Katastrophe, die zur zeitweiligen Schließung der Börse in Wien und zum Zusammenbruch vieler Bank- und Kreditinstitute führte und in der Folge auch auf die Industrie zurückwirkte. Die Besuche der Kaiser von Rußland und Deutschland trugen wesentlich dazu bei, die Beziehungen Österreichs zu den Nachbarstaaten innig zu gestalten. Von noch größerer Bedeutung war der Besuch des Königs Victor Emanuel II. von Italien in Wien (17. bis 21. Sept.) als ein Zeichen der Aussöhnung zwischen Österreich und Italien.
Auf dem ersten, Okt. 1873 direkt gewählten Reichsrat war mit Ausnahme der Czechen aus Böhmen das ganze Reich vertreten. Am brachte der Kultusminister Stremayr vier kirchenpolit. Gesetzentwürfe ein, die die Regelung der äußern Rechtsverhältnisse der kath. Kirche, die Rechtsverhältnisse der klösterlichen Gemeinschaften, die Regelung der Beiträge des Pfründenvermögens und die gesetzliche Anerkennung der Religionsgenossenschaften betrafen.
Der Episkopat vereinigte sich auf die Aufforderung des Papstes zu einer Protesteingabe und stimmte mit den klerikal-feudalen Aristokraten im Herrenhause gegen die Vorlagen. Trotzdem wurden diese Gesetze (mit Ausnahme des Klostergesetzes) sowohl im Abgeordneten- wie im Herrenhause genehmigt und vom Kaiser 7. und 20. Mai sanktioniert. Das Klostergesetz wurde erst in der Session von 1876 vom Herrenhause mit einigen Amendements angenommen und in dieser Fassung vom Abgeordnetenhaus 21. Febr. genehmigt; der Ministerrat aber beschloß, das so durchberatene Gesetz dem Kaiser nicht zur Sanktion vorzulegen; 1876 wurde auch der gesamte Civilprozeß reformiert und ein neues Strafgesetz beraten.
Das Ministerium erfuhr insofern eine Veränderung, als der Handelsminister Dr. Banhans seinen Platz an den bisherigen Ackerbauminister Chlumecky abgeben mußte, der durch den Grafen Mansfeld ersetzt wurde. Im Reichsministerium folgte 1874 auf den Kriegsminister von Kuhn der bisherige böhm. Statthalter von Koller, 1876 Baron Bylandt, während der Reichsfinanzminister von Holzgethan den bisherigen Sektionschef von Hofmann zum Nachfolger erhielt.
Wiewohl der Ausgleich mit Ungarn erst mit Dez. 1877 ablief, kündigte Minister Tisza bereits das Zoll- und Handelsbündnis mit Österreich wodurch mit dem Neujahr 1876 schon die Verhandlungen bezüglich des Ausgleichs zwischen beiden Reichshälften begannen. Im Herbst 1876 wurden den Parlamenten die betreffenden Vorlagen gemacht; aber erst im Mai 1878 kam es nach langwierigen Verhandlungen zu einer definitiven Vereinbarung über sämtliche Teile des neuen Ausgleichs, insbesondere über die Bankfrage, die Finanz- und Industriezölle.
In dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877 und 1878 bewahrte Österreich nach vorherigen Abmachungen mit Rußland Neutralität. Auf dem Berliner Kongreß (s. d.) erhielt es ein europ. Mandat zur Besetzung und Verwaltung der türk. Provinzen Bosnien und Herzegowina, worauf die österr. Truppen in diese Gebiete einmarschierten und dieselben, teilweise nach blutigem Widerstand (s. Bosnien, Geschichte), besetzten. Gemäß der mit der Pforte abgeschlossenen Konvention besetzten die Österreicher auch das Sandschak Novipazar.
Die Opposition, welche der größte Teil der verfassungstreuen Partei bei der Frage über die Genehmigung des Berliner Vertrags wie bei der Beratung des Militärbudgets 1879 bekundete, machte sie für lange Zeit regierungsunfähig und erschütterte das Kabinett vollständig. Schon nach der Annahme der Ausgleichsgesetze hatte das Ministerium Auersperg, das dabei nur von einem Teile der Verfassungspartei unterstützt worden und bei den Finanzzöllen auf die Hilfe der Polen angewiesen war, um seine Entlassung gebeten (Juli 1878), die damals aber nur der erkrankte Minister des Innern, Lasser, erhalten hatte.
Jetzt, wo die Regierung nur mit Hilfe der Oppositionsparteien die Genehmigung des Berliner Vertrags durchgesetzt hatte, ward das Enthebungsgesuch erneuert, und Auersperg und Unger erhielten ihre Entlassung. Ein Versuch des Freiherrn von Pretis und dann des Grafen Taaffe, ein Ministerium ohne Systemwechsel zu bilden, scheiterte an der Zerfahrenheit der Verfassungspartei und an ihrer Haltung in der bosn. Frage. Es wurde daher aus den Resten des alten ein Übergangsministerium gebildet, in dem Stremayr neben dem Unterricht den Vorsitz, Taaffe das Innere und damit auch die Leitung der Neuwahlen erhielt. Sein Werk war der Abschluß eines
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Kompromisses mit den böhm. Großgrundbesitzern, sein Werk auch der Eintritt der Czechen in den Reichsrat, der aber nur unter einer Rechtsverwahrung erfolgte. Infolge dieser Vorgänge ergab sich in dem im Juni und Juli neu gewählten Abgeordnetenhause eine Mehrheit der nationalen, feudalen und klerikalen Elemente. Den 168 Konservativen standen 145 Liberale nebst 40 Wilden gegenüber.
Das Kabinett reichte 11. Juli seine Entlassung ein. Der Kaiser nahm sie an und ernannte 12. Aug. Taaffe zum Ministerpräsidenten und Minister des Innern; Stremayr übernahm die Justiz und provisorisch Kultus und Unterricht, Falckenhayn den Ackerbau, Korb-Weidenheim den Handel, Horst die Landesverteidigung, Chertek provisorisch die Finanzen, Pražak (Czeche) und Ziemialkowski (Pole) waren Minister ohne Portefeuille. Es war dies ein Koalitionsministerium, das über den Parteien die Versöhnung der verschiedenen Völker anstreben wollte.
Die Verfassungspartei schadete sich aufs neue dadurch, daß sie das vorgelegte Wehrgesetz, zu dessen Zustandekommen eine Zweidrittelmehrheit notwendig war, nicht auf 10 Jahre, sondern nur auf ein Jahr bewilligen wollte. Diese Haltung der Partei nötigte die Regierung, sich immer mehr auf die Rechte zu stützen und ihr eine Reihe wichtiger Zugeständnisse zu machen. Die für Böhmen und Mähren erlassene Sprachverordnung, worin den Beamten befohlen wurde, im Verkehr mit den Parteien sich der Sprache zu bedienen, die letztere gebrauchten, mußte die Folge haben, daß in jenen Ländern besonders bei den Gerichten ein der czech.
Sprache nicht kundiger Beamte nicht mehr angestellt werden konnte. Endlich traten 27. Juni die Minister, die es mit dem gemäßigten Teile der Verfassungspartei hielten, zurück. Stremayr, der das Unterrichtsministerium schon früher an Freiherrn Konrad von Eybesfeld hatte abgeben müssen, wurde als Justizminister durch Streit, Korb-Weidenheim durch von Kremer, Horst durch Graf Welfersheimb ersetzt. Finanzminister wurde der Pole Dunajewski, der fortan, zugleich als Sprechminister, einen großen Einfluß im Kabinett ausübte.
Kremer und Streit nahmen ihre Entlassung, da sie mit der Berufung ausgesprochener Parteimänner der Rechten in das Herrenhaus nicht einverstanden waren. Handelsminister wurde nun Baron Pino, Pražak Leiter des Justizministeriums. Auch das Präsidium des Abgeordnetenhauses ging an die Föderalisten über, da der 1879 durch Kompromiß gewählte Graf Coronini es niederlegte, worauf der Pole Smolka zum Präsidenten gewählt wurde. Um auch im Herrenhause, das in seiner Mehrheit liberal und centralistisch war, dem herrschenden System die Majorität zu verschaffen, wurden im Laufe des J. 1881 nicht weniger als 36 neue Mitglieder in dasselbe berufen.
Nun glaubten die verschiedenen Parteien der Rechten alles durchsetzen zu können und benutzten jede Gelegenheit, um die Regierung zu neuen Zugeständnissen zu nötigen. Die Polen wurden durch materielle Vorteile und durch die Preisgebung der Ruthenen befriedigt. Die Czechen und Slowenen wie die Kroaten in Dalmatien und Istrien ließen sich, wenigstens vorübergehend, abfinden durch die Slawisierung zahlreicher Mittelschulen, durch die Teilung der bisher vorwiegend deutschen Universität Prag in eine czech. und eine deutsche Abteilung (1882), durch Sprachverordnungen für die slowen.
Gebiete und für Schlesien (29. April und wodurch bei Gerichten auch slaw. Eingaben gestattet wurden, durch die Auflösung des böhm. Landtags 1883, wo nun mit Hilfe der Regierung die Czechen und Feudalen die Majorität erhielten. Am wenigsten erreichten die Klerikalen für ihre der Regierung und den Slawen geleistete Unterstützung. Sie strebten vor allem die Wiederherstellung der konfessionellen Schule und deren Unterordnung unter die Geistlichkeit an, teilweise auch die Herabsetzung der Dauer der Schulpflicht von 8 auf 6 Jahre.
Aber ein Antrag des Abgeordneten Lienbacher, der das Recht dieser Verkürzung den Landtagen zuwies, ward 1881 vom Herrenhause trotz wiederholter Pairsschübe zweimal abgelehnt. Erst 1883 fand auf Antrag der Regierung eine Novelle zum Schulgesetz in beiden Häusern Annahme, die die Entscheidung über die Herabsetzung der Schulpflicht auf 6 Jahre wesentlich von den Gemeinden abhängig machte und verfügte, daß der Leiter der Volksschule der Konfession der Mehrheit der Schüler angehören und zur Erteilung des Religionsunterrichts befähigt sein müsse.
Das Vorgehen der Regierung erweckte endlich doch auch in den liberalen Deutschen die Überzeugung, daß sie alle ihre Kräfte sammeln müßten. 1880 wurde der Deutsche Schulverein (s. d.) gegründet, der auch in Deutschland werkthätige Hilfe fand. Die beiden Klubs der Verfassungspartei, die Liberalen und die Fortschrittspartei, konstituierten sich im Nov. 1881 in einer Stärke von etwa 150 Mitgliedern als Vereinigte Linke zum Schutze des Deutschtums und des österr.
Staatsgedankens. Gleichzeitig traten aus dem unter Führung Hohenwarts stehenden Klub der Rechtspartei die klerikalen Deutschen aus und konstituierten sich als Centrumsklub unter dem Prinzen Alfred Liechtenstein und Lienbacher, um ihren besondern Wünschen auf dem Gebiet der Schule größeres Gewicht zu verleihen. Ein provisorisches Wehrgesetz vom durch das die Wehrpflicht auch auf Bosnien und die Herzegowina sowie auf die Bocchesen der Krivošije Süddalmatiens ausgedehnt wurde, erregte unter diesen einen allgemeinen Aufstand, der sich auch nach der Herzegowina fortpflanzte und 1882 durch den Feldmarschalllieutenant Jovanović mit Waffengewalt niedergeschlagen werden mußte.
Die Neuwahlen zum Abgeordnetenhause im Mai und Juni 1885 brachten der Vereinigten Linken den Verlust von 15 Mandaten. Die slaw.-feudalklerikale Partei zählte 192, die deutschliberale 132, die Antisemiten, Demokraten, Italiener und andere kleinere Gruppen 29 Mitglieder. Statt nun wenigstens fest zusammenzuhalten, spaltete sich die Vereinigte Linke schon am Vorabend der Eröffnung des Reichsrates in den Deutsch-Österreichischen und den Deutschen Klub, von dem sich später noch die Deutsche Nationalpartei abzweigte. (S. diese Artikel.) Die Regierung war jetzt noch mehr aus die Unterstützung der Rechten angewiesen, und das Verhandeln und Handeln mit den verschiedenen Fraktionen derselben dauerte fort. Der Unterrichtsminister Konrad von Eybesfeld mußte schon der Abneigung der Klerikalen und Czechen weichen. An dessen Stelle wurde der politisch farblose Gautsch von Frankenthurn ernannt. Der vom Deutsch-Österreichischen Klub ausgehende, von 116 Mitgliedern unterschriebene Antrag des Abgeordneten von Scharschmid, wonach die deutsche Sprache als Staatssprache erklärt und ihr
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Anwendungsgebiet gegen die Gebiete der verschiedenen Landessprachen abgegrenzt werden sollte, wurde in einem Ausschuß begraben. Dagegen richtete der Minister Pražak 23. Sept. einen Erlaß an die Oberlandesgerichte in Prag und Brünn, daß nicht bloß die Erledigungen, sondern auch deren Entwürfe sowie ihre Begründung in der gleichen Sprache wie die Eingaben abgefaßt, also das Czechische auch für den innern Dienst zulässig sein sollte, was die Kenntnis dieser Sprache auch für die Räte dieser Gerichte notwendig machte.
Die durch die Sprachverordnungen der Regierung am meisten beeinträchtigten Deutschen Böhmens suchten nun wenigstens für die rein deutschen Gebiete die ausschließliche Geltung der deutschen Staatssprache zu retten. Aber ein dahin gehender Antrag, den der Abgeordnete E. von Plener im böhm. Landtage stellte, wurde abgelehnt, und als Plener ihn 22. Dez. wiederholte, nicht einmal einer Kommissionsberatung gewürdigt, worauf sämtliche deutschen Abgeordneten den Landtag verließen.
Kamen so die Slawen der Verwirklichung ihrer Wünsche immer näher, so hielten auch die Klerikalen endlich die Zeit für gekommen, wo sie ihren Plan durchsetzen konnten. Am stellte der Prinz Aloys Liechtenstein den Antrag, es solle die Dauer der Volksschule auf 6 Jahre herabgesetzt, die Zahl der Unterrichtsgegenstände beschränkt, der Kirche die Mitaufsicht über die ganze Schule eingeräumt, die Anstellung der Lehrer an kath. Schulen von der durch den Bischof erteilten Befähigung zum Religionsunterricht abhängig gemacht, die Feststellung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen den Landtagen überlassen werden.
Dieser Antrag rief unter den Liberalen eine ungeheure Aufregung hervor und veranlaßte zahllose Gegendemonstrationen. Lienbacher, der aus dem Centrumsklub ausgetreten war, brachte daher (15. März) einen weniger weit gehenden Antrag ein, und Liechtenstein selbst willigte auf Wunsch des Kaisers in die Vertagung der Verhandlung bis zum Herbst, wogegen man den Klerikalen dadurch entgegenkam, daß einer ihrer Partei, Graf Schönborn, bisher Statthalter in Mähren, Justizminister wurde. Erst brachte die Regierung eine Novelle zum Schulgesetz ein, wonach Erleichterungen des Schulbesuches gewährt werden sollten, doch kam sie wegen des Schlusses des Reichsrates nicht mehr zur Beratung.
Die Regierung hatte immer gewünscht, daß die polit. Fragen in den Hintergrund gedrängt, dagegen die Förderung der materiellen Interessen besonders ins Auge gefaßt würden. Zahlreiche Bahnen wurden verstaatlicht und nur das Privilegium der Nordbahn, das 1886 ablief, trotz heftiger Opposition auf weitere 50 Jahre verlängert. Die Angriffe, die bei dieser Gelegenheit gegen den Handelsminister Pino gerichtet wurden, führten zu dessen Entlassung, und es trat 26. Juni Marquis von Bacquehem an seine Stelle.
Der Strömung der Zeit und den Forderungen der Klerikalen entsprechend, wurden Zwangsinnungen und der Befähigungsnachweis, ein Normalarbeitstag (11 Stunden) und Sonntagsruhe eingeführt, auch im Interesse der Arbeiter ein Unfallversicherungs- und ein Krankenversicherungsgesetz gegeben. Den Wünschen der Industriellen und Landbauer kam man 1882 durch hohe Zölle entgegen. Den zerrütteten Finanzen suchte man durch Erhöhung der Zölle auf Kaffee und Petroleum, durch eine besonders für die Alpenländer drückende sehr hohe Gebäudesteuer (1881) und im Einvernehmen mit Ungarn durch ein Branntweinsteuergesetz abzuhelfen.
Dadurch wurden die Einnahmen in zehn Jahren um mehr als 150 Mill. Fl. gesteigert, und man erreichte es, daß endlich für 1889 und 1890 ein Budget ohne Deficit vorgelegt werden konnte, trotzdem man wichtige Eisenbahnen gebaut und auch die Wehrkraft des Staates nicht vernachlässigt hatte. Die Landwehr war schon 1883 in nähere Verbindung mit dem stehenden Heere gebracht worden. 1886 wurde ein Landsturmgesetz gegeben, wonach alle waffenfähige Mannschaft vom 19. bis zum 42. und die ehemaligen Angehörigen des Heers, der Marine und der Landwehr bis zum 60. Lebensjahre im Kriegsfalle zur Landesverteidigung verpflichtet sind, die im ersten Aufgebot (bis zum 38. Lebensjahre) Stehenden auch zur Ergänzung des stehenden Heers und der Landwehr herangezogen werden können.
Das im Nov. 1888 vorgelegte neue Wehrgesetz, das nach manchen Kämpfen im Abgeordnetenhause April 1889 von beiden Häusern angenommen wurde, brachte neben manchen Verbesserungen auch eine Steigerung des Rekrutenkontingents um 7626 Mann und Verschärfungen der Bestimmungen für die EinjährigFreiwilligen, von denen alle, die am Ende des Jahres die Offiziersprüfung nicht bestehen, ein zweites Jahr dienen müssen. Die Armee wurde mit Repetiergewehren und -Karabinern, die festen Plätze mit neuen Geschützen versehen und rauchloses Pulver eingeführt. Im Herbst 1892 genehmigten die Delegationen die Erhöhung des Friedenspräsenzstandes der Infanterie um 14688 Mann und die Vermehrung der Offiziersstellen um 1087. Im Dez. 1893 wurde eine Novelle zum Gesetz über die Landwehr angenommen, wodurch die Dienstpflicht für dieselbe, welche bisher höchstens 14 Monate betragen hatte, auf zwei Jahre, für Unteroffiziere auf drei Jahre ausgedehnt, der Präsenzstand erhöht und die Bestimmung, daß zur Verwendung außerhalb des Staatsgebietes ein Reichsgesetz erforderlich sei, beseitigt ward.
Stützte sich die Regierung im Innern vorzüglich auf die slaw. Stämme, so schlug die auswärtige Politik eine gerade entgegengesetzte Richtung ein. Schon Andrássy, der immer für freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland gewesen war, hatte zur Sicherung des Berliner Vertrages den Abschluß eines Bündnisses bewirkt, wonach Österreich und Deutschland, wenn eins der beiden Reiche von Rußland angegriffen oder eine andere Macht bei einem solchen Angriffe von Rußland unterstützt würde, sich gegenseitig mit der ganzen Kriegsmacht beizustehen verpflichtet sein sollten.
Andrássy trat zwar schon gleich darauf von seinem Amte zurück, worin ihm Freiherr von Haymerle und nach dessen baldigem Tode Graf Kalnoky folgte; aber auch diese verfolgten dieselbe Richtung. Auch Italien, durch Frankreichs Vorgehen gegen Tunis verletzt, näherte sich jetzt Österreich und Deutschland, was Okt. 1881 in einem Besuch des ital. Königspaares in Wien seinen Ausdruck fand. Serbien ward durch einen Handelsvertrag und eine Eisenbahnverbindung in Österreichs Interessenkreis gezogen. Ein Vertrag, der in Wien von den Bevollmächtigten Österreich-Ungarns, der Türkei, Serbiens und Bulgariens unterzeichnet wurde, sicherte bis längstens den Ausbau der direkten Eisenbahnlinien Wien-Konstantinopel und Wien-Saloniki und erleichterte so die Handelsverbindungen Österreichs mit den Ländern der Balkanhalbinsel. Auch