Titel
Österreich
isch-Ungarisches
Heerwesen. I. Landheer. (Hierzu Karte: Militärdislokation in
Österreich-Ungarn.)
[* 2] Die Landmacht
der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie besteht aus dem (gemeinsamen)
k. und k.
Heer sowie der
k. und k. (d. h. cisleithanischen)
und der königlich ungar. Landwehr (letztere Honved [s. d.]
genannt). Außerdem stellen im
Kriege beide Reichshälften einen Landsturm auf. Den Oberbefehl führt der
Kaiser. Die Leitung
der militär., administrativen und ökonomischen Angelegenheiten erfolgt durch das Reichskriegsministerium,
für die Landwehr und den z Landsturm durch die Landesverteidigungsministerien (in
Ungarn
[* 3] Honvedministerium genannt). I Die
Wehrgesetze sind wenig voneinander verschieden. Die allgemeine persönliche Dienstpflicht besteht seit
dem und ist durch die Wehrgesetze vom neu geregelt worden. Die Stellungspflicht beginnt mit dem 1. Jan. des
Jahres, wo der Wehrpflichtige das 21. Lebensjahr (bis 1889 das 20. Lebensjahr) vollendet, und dauert 3 Jahre. Die
Dienstpflicht dauert 12 Jahre und zwar 1) im
Heere:
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3 Jahre bei der Fahne (Präsenzdienstpflicht) und 7 Jahre in der Reserve, oder 10 Jahre in der Ersatzreserve. Unter besondern Verhältnissen können die Reservisten des jüngsten und die Ersatzreservisten der drei jüngsten Jahrgänge zum Präsenzdienst herangezogen werden;
2) in der Landwehr: 2 Jahre für diejenigen, welche nach vollendeter Dienstpflicht im Heere oder in der Ersatzreserve desselben in die Landwehr versetzt werden, 12 Jahre für die unmittelbar in die Landwehr oder deren Ersatzreserve eingereihten Wehrpflichtigen. Die untauglichen, vom Militärdienst befreiten und die auswandernden Dienstpflichtigen zahlen alljährlich während der ganzen Zeit der Dienstpflicht eine Steuer von 1 bis 100 Fl. (Militärtaxe, s. Wehrsteuer). Die Landsturmpflicht dauert vom 19. bis 42., für Offiziere und Gleichgestellte bis zum 60. Lebensjahr. Die Bosnier und Herzegovzen sind seit 1881 zu 3jährigem Präsenz- und 9jährigem Reservedienst vom 20. Lebensjahr beginnend verpflichtet. Stellvertretung ist für sie gestattet.
Die Heranziehung der direkt in die Landwehren eingereihten Wehrpflichtigen zum aktiven Dienst erfolgt auf Grund der Landwehrgesetze (für Österreich, [* 5] Ungarn und Tirol). [* 6] Die Landwehrrekruten können bis zu 2 Jahren zum aktiven Dienst herangezogen werden. Ein Teil macht nur die Rekrutenausbildung durch, welche in Cisleithanien für Infanterie 8 Wochen, für Kavallerie 3 Monate, in Ungarn für Infanterie etwa 8 Wochen beträgt.
Die Begünstigung des einjährigen Dienstes erlangen, ohne Rücksicht ob die Assentierung freiwillig oder
im Wege der Haupt- oder Nachstellung erfolgt, diejenigen Inländer, die a. spätestens 1. März jenes
Jahres, für welches ihre Stellung erfolgt, ein inländisches Obergymnasium oder eine inländische Oberrealschule oder eine
diesen gleichgestellte Lehranstalt mit Erfolg absolviert haben; b. die 1. März jenes Jahres, für welches
ihre Stellung erfolgt, im letzten Jahrgang einer achtklassigen inländischen Mittelschule sich befanden und dieselbe spätestens
bis 1. Okt. desselben Jahres mit Erfolg absolviert haben; c. die bis zum 1. März des Jahres, in welchem sie das 21. Lebensjahr
vollenden, eine Prüfung mit Erfolg abgelegt haben. Es gilt als Norm, daß die österr. Landwehr nur 10 Proz.,
die ungarische
15 Proz. der in einem Jahr absentierten Einjährig-Freiwilligen erhalten darf.
Den Einjährig-Freiwilligen ist die Wahl des Truppenteils, jenen, welche ihr Studium an höhern Lehranstalten fortsetzen, auch die Wahl des Jahres für den einjährigen Präsenzdienst freigestellt; der Aufschub des Präsenzdienstes über den 1. Okt. desjenigen Jahres, wo sie das 24. Lebensjahr vollenden, ist nicht zulässig.
Am Schlusse des Präsenzdienstjahres haben die Einjährig-Freiwilligen durch eine Prüfung die Befähigung für die Ernennung zum Reserveoffizier nachzuweisen. Diejenigen, welche die Prüfung bestehen und den sonstigen, für die Erlangung der Offizierscharge erforderlichen Bedingungen entsprechen, werden nach Bedarf zu Reserveoffizieren, oder, wenn der Bedarf gedeckt ist, zu Kadetten ernannt. Diejenigen Einjährig-Freiwilligen, welche die Prüfung nicht bestehen, haben ein zweites Jahr präsent zu dienen, wobei es denselben freigestellt ist, den Dienst auf eigene Kosten mit der Begünstigung des ersten Jahres, außerhalb der Kaserne zu wohnen, abzuleisten. Auch kann ihnen gestattet werden, an dem theoretischen Unterricht der Einjährig-Freiwilligen teilzunehmen, da sie am Schluß des zweiten Jahres die Prüfung wiederholen können.
Mediziner dienen ½ Jahr mit der Waffe, ½ Jahr als Arzt; Pharmaceuten und tierärztliche Praktikanten 1 Jahr als solche. Die Reservisten des Heers sind zu 3 Waffenübungen à 4 Wochen verpflichtet; Reserveoffiziere und Kadetten (s. d.) können jährlich auf diese Zeit eingezogen werden.
Die nicht aktiven Landwehrmannschaften sind, soweit sie direkt in die Landwehren eingestellt wurden, in Österreich zu 5 Waffenübungen à 4 Wochen, in Ungarn zu 5 Waffenübungen à 5 Wochen verpflichtet. Die aus dem Heer (nach 1Ojähriger Dienstzeit) in die Landwehren Versetzten können in Österreich einmal auf 4, in Ungarn einmal auf 5 Wochen eingezogen werden.
Die Ersatzreserve dient im Kriege als Ersatz für die Abgänge im Heere und den Landwehren. Sie wird im Frieden 8 Wochen ausgebildet und ist zu 3 vierwöchigen Waffenübungen verpflichtet.
Das Rekrutenkontingent ist durch die Wehrgesetze von 1889 für 10 Jahre auf 125600 Mann festgestellt worden (Decennat). Außerdem stellt Tirol für seine Landwehr (Landesschützen genannt) ein jährliches Kontingent von 510 Mann. Von den 125600 Mann erhält das Heer und die Marine 103100, die österr. Landwehr (ohne Tirol) 10000, die Honvéd 12500 Mann. Alle Mindertauglichen und Überzähligen werden der Ersatzreserve zugewiesen (etwa 20-25000 Mann alljährlich), welche zwischen dem Heer und den Landwehren nach dem Verhältnis der Rekrutenkontingente geteilt wird.
Die Monarchie ist (einschließlich Bosnien [* 7] und Herzegowina) in 15 Territorialbezirke und 1 Militärkommandobezirk zu Zara [* 8] eingeteilt. Jeder Bezirk steht unter einem kommandierenden General, der zugleich Korpskommandant des in dem Bezirk dislocierten Korps ist. Jedes Korps besteht aus 2 (Wien [* 9] aus 3) Infantene-Truppendivisionen zu 2 Infanteriebrigaden zu 1-3 Regimentern, und event, einigen detachierten und Jägerbataillonen. Zu 4 Korps gehört je 1 Kavallerie-Truppendivision zu 2 Brigaden; 2 Korps haben keine, ein Korps 2 Kavalleriebrigaden zu 2-3 Regimentern. Ferner hat jedes Korps eine Artilleriebrigade zu 1 Korps-Artillerieregiment und 3 Divisions-Artillerieregimentern sowie 1 Traindivision. Die technischen Truppen sind verschieden verteilt. Das 15. Korps (Bosnien) hat keine Kavallerie- und keine Artilleriebrigade. 6 von den 70 Infanteriebrigaden führen den Namen Gebirgsbrigaden.
Die Infanterie besteht aus 102 Regimentern zu 4 Bataillonen und 1 Ersatzbataillon. Im Kriege formiert jedes Regiment noch 1 oder mehrere Stabszüge, von denen je 4 zu einer Stabscompagnie zusammentreten. Im Occupationsgebiet sind aus Einheimischen 4 Regimenter (zu 3 Bataillonen à 4 Compagnien) und 1 Ersatzbataillon gebildet, welche alljährlich bis zur vollen Ausnutzung der Wehrkraft dieser Provinzen um 4 Compagnien verstärkt werden. Die Jäger umfassen: 4 Tiroler Kaiserjägerregimenter zu je 4 Bataillonen und 4 Ersatzbataillone;
26 Feldjägerbataillone mit je 1 Ersatzcompagnie.
Die Infanteriecompagnien zählen 131, 95 oder 86, die Jägercompagnie 95 Köpfe.
Kavallerie: 1 Leibgardereitereskadron, 15 Dragoner-, 16 Husaren- und 11 Ulanenregimenter zu je 2 Divisionen (à 3 Eskadrons), 1 Pionierzug ¶
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und 1 Ersatzeskadron. Die Eskadron hat 149 Dienstpferde. Im Kriege formiert jedes Regiment noch 1-2 Reserveeskadrons und 2 Stabszüge. Die gesamte Kavallerie ist gleichmäßig bewaffnet (Ulanen ohne Lanzen).
Artillerie: 14 Korps- und 42 Divisionsartillerieregimenter zu je 4 fahrenden Batterien (= 224 Batterien mit 896 Geschützen), 1 Ersatzcadre (= 56 Ersatzcadres) und 1 Munitionsparkcadre (= 56 Munitionsparkcadres);
8 reitende Batteriedivisionen (je eine bei den Korpsartillerieregimentern 1, 2, 4 bis 7, 10 und 11) zu 2 reitenden Batterien (= 16 reitende Batterien mit 96 Geschützen);
1 Gebirgsbatteriedivision zu 3 Gebirgsbatterien (12 Geschütze) [* 11] und 1 Ersatzcadre, ferner 11 Gebirgsbatterien im Occupationsgebiet (44 Geschütze).
Festungsartillerie: 3 Regimenter zu 3 Bataillonen (à 4 Compagnien) und 1 Ersatzcadre, 3 Regimenter zu 2 Bataillonen und 1 Ersatzcadre, 3 selbständige Bataillone mit je 1 Ersatzcadre, zusammen 18 Bataillone und 9 Ersatzcadres;
5 Cadres für mobile Belagerungsbatteriegruppen und 4 Cadres der Beleuchtungsabteilungen.
Technische Truppen: 15 Pionierfeldbataillone zu je 5 Feldcompagnien und je 1 Ersatzcompagniecadre (= 75 Compagnien und 15 Ersatzcadres), 3 Bataillone Eisenbahn- und Telegraphentruppen mit je 4 Compagnien (= 12 Compagnien), 1 Ersatzbataillonscadre, 1 Telegraphenersatzcadre und 1 Telegraphenschule.
Train: 3 Regimenter mit zusammen 14 Traindivisionsstäben, 85 Traineskadrons, 15 Ersatzdepotcadres, 4 Cadres für 20 Gebirgstraineskadrons.
Die Sanitätstruppe (Lazarettgehilfen und Krankenwärter) umfaßt 26 Abteilungen.
Die Friedensstärke im J. 1895:
Waffengattungen | Offiziere | Mannschaften | Dienstpferde | Bespannte Geschütze |
---|---|---|---|---|
Nichtregimentierte Offiziere und besondere Formationen | 6155 | 13888 | 433 | - |
Infanterie | 8011 | 160171 | 510 | - |
Jäger | 862 | 16214 | 92 | - |
Kavallerie | 1714 | 43590 | 38074 | - |
Feldartillerie | 1453 | 25594 | 12310 | 1048 |
Festungsartillerie | 397 | 7745 | 134 | - |
Pioniere, Eisenbahn- und Telegraphentruppen | 503 | 9820 | 19 | - |
Train | 361 | 3107 | 1743 | - |
Dazu überzählig: | ||||
Kavallerie | - | 1830 | 2226 | - |
In Privatbenutzung gegebene Pferde | - | - | 6300 | - |
Feldartillerie | - | 1590 | 1632 | - |
Ferner für das Occupationsgebiet mehr erforderlich: | ||||
1) Behörden, Stäbe u. s. w. | 158 | 192 | 3 | - |
2) Heeresanstalten | 218 | 942 | 1 | - |
3) Train | 49 | 1132 | 1282 | - |
Bosnisch-herzegowin. Infanterie | 208 | 4120 | 16 | - |
Kaiserl. königl. österr. Landwehr | 2766 | 18766 | 1518 | - |
Königl. ungar. Landwehr | 2132 | 17468 | 3101 | |
Zusammen | 24987 | 326369 | 69394 | 1048 |
Die Landwehren (in Ungarn Honvéd genannt) stehen unter den Landesverteidigungsministerien und dem Landwehr- oder Honvédoberkommando. In Tirol und Vorarlberg besteht die dem österr. Landesverteidigungsministerium untergeordnete Landesverteidigungsoberbehörde. In Cisleithanien bestehen 8 Landwehr- und 1 Landesverteidigungskommando (letzteres in Tirol und Vorarlberg, nur anderer Name), den 8 österr. Korps und dem Militärkommando Zara entsprechend. Landwehrkommandant ist der betreffende Korps- (Militär-) Kommandant. Die Honvéds stehen unter 7 Distriktskommandos. Beide Landwehren besitzen weder Artillerie noch technische Truppen, Trains u. s. w. Die Offiziere beider Landwehren sind nur bis zum Stabsoffizier einschließlich eigentliche Landwehroffiziere.
Der Landsturm zerfällt in 2 Aufgebote (19. bis 37. und 38. bis 42. Lebensjahr). Aus dem 1. Aufgebot werden etwa 136 sog. Auszugsbataillone zu 4 Compagnien gebildet, die übrigen Mannschaften bilden sog. Territorialbataillone, deren Gliederung sich an die polit. Einteilung des Landes anschließt.
Die Gendarmerie, Finanzwache, Schützenkorps u. s. w. bilden event. den Stamm für Landsturmformationen und werden zum Grenzschutz, Sanitäts- und Garnisondienst u. s. w. verwendet.
Bewaffnung: Die Infanterie führt Mannlicher-Repetiergewehre (Kaliber 8 mm) M 88, die Kavallerie Karabiner derselben Konstruktion. Bei dem Gewehr M 95, welches zunächst bei der Landwehr eingeführt werden soll, ist die Konstruktion beibehalten, die Länge von 1281 auf 1268 mm, das Gewicht von 4,4 auf 3,6 kg verringert. Die technischen Truppen haben Extrakorpsgewehre (Werndl), der Landsturm Werndlgewehre. Die Batterien der Feldartillerie haben 9 cm- (8,7) Stahlbronzekanonen mit einfachem Keilverschluß, die reitende etwas leichtere 9 cm-, die Gebirgsbatterien 7 cm- (6,6) Geschütze und eine Anzahl 9 cm-Geschütze mit geringerer Geleisebreite. Den Bedarf für die Armee liefert die Waffenfabrik zu Steyr. In Budapest [* 12] wurde Ende 1889 eine Fabrik eröffnet, welche für die Honvéd liefert. Staatliche Pulverfabriken bestehen zu Stein und zu Blumau, ein Artilleriearsenal zu Wien.
Für den Krieg sind 15 Armeekorps vorgesehen, die durch Zuteilung von Landwehrdivisionen voraussichtlich auf je drei Divisionen gebracht werden; im ganzen würden 47 Infanterietruppendivisionen gebildet werden können mit 97 Infanteriebrigaden. Ferner würden 8 Kavallerietruppendivisionen zu je 2 Kavalleriebrigaden formiert werden; jeder dieser Divisionen würden 2 reitende Batterien und Jägerbataillone zugewiesen werden. Ferner: 14 Artilleriebrigaden zu 1 Korps- und 3 Divisionsartillerieregimentern zu je 4 Batterien mit 1792 fahrenden Geschützen (9 cm);
zu diesen sind dann noch zu zählen 96 Geschütze der reitenden Artillerie (auch 9 cm) und 136 Gebirgsgeschütze, von denen 120 von 7 cm und 16 von 9 cm. Von der Festungsartillerie sollen nach Bedarf Bespannungsabteilungen gegeben werden, eine Art mobilerBelagerungsartillerie oder Bespannungszüge für feste Plätze.
Die technischen Truppen werden den Heeresabteilungen ebenfalls nach Bedarf zugeteilt und sind für den Mobilmachungsfall reichlich vorgesehen, ebenso die Traintruppen.
Die Kriegsstärke wird angegeben:
Truppengattungen | Offiziere | Unteroffiziere u. Mannschaften | Pferde | Geschütze |
---|---|---|---|---|
Infanterie | 17679 | 903000 | 23764 | - |
Kavallerie | 3405 | 90041 | 89586 | - |
Feldartillerie | 2893 | 93706 | 73678 | 2024 |
Festungsartillerie | 576 | 21798 | 102 | - |
Pioniere | 735 | 28960 | 4465 | |
Eisenbahntruppen | 92 | 4383 | 340 | |
Telegraphentruppen | 61 | 4907 | 1414 | |
Zusammen | 25441 | 1146795 | 193349 | 2024 1 |
1 Hierzu kommen noch 5749 Munitionswagen. ¶