Ödĭpus,
König von Theben, einer der Haupthelden griechische Dichtung und Sage, war der Sohn des Königs Laios und der Iokaste (bei Homer Epikaste). Infolge eines Orakelspruchs, wonach er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten würde, ward er als Kind auf dem Berge Kithäron ausgesetzt, aber gerettet und von einem Hirten des korinthischen Königs Polybos aufgezogen. Zum schönen Jüngling herangewachsen, wanderte er nach Theben, erschlug auf dem Weg seinen Vater, ohne ihn zu kennen, löste in Theben das Rätsel der schreckliche Sphinx [* 2] (s. d.) und erhielt zum Lohn die Hand [* 3] der Königin, seiner Mutter, mit der er den Eteokles und Polyneikes, die Antigone und Ismene zeugte.
Als später eine
Pest
Theben heimsuchte und der König wegen eines Rettungsmittels nach
Delphi schickte,
befahl das
Orakel, den
Mörder des
Laios aus
Theben zu entfernen. Infolge der Nachforschungen nach demselben kam es denn an den
Tag, daß Ödipus
selbst seines
Vaters
Mörder und zugleich der
Gatte seiner
Mutter sei, worauf er sich in der
Verzweiflung, nachdem sich
Iokaste erhängt hatte, das Augenlicht zerstörte. Aus seiner Vaterstadt vertrieben, durchzog er in
Begleitung seiner Tochter
Antigone als Bettler das Land und ging schließlich nach
Athen,
[* 4] wo er im
Hain der
Eumeniden
Ruhe fand
und starb.
Die
Sage findet sich in ihren Hauptzügen schon bei
Homer, Hesiod und den Kyklikern; von den Dramatikern
wurde sie in der
Folge vielfach erweitert und umgestaltet.
Sophokles behandelte sie in seinen drei noch erhaltenen Meistertragödien:
»König, »Ödipus
auf
Kolonos« und
»Antigone«, und auch
Äschylos und
Euripides haben sie als Gegenstand von
Tragödien gewählt.
Vgl. Fr. Hermann, Quaestionum Oedipodearum capita tria (Marb. 1837);
Schneidewin, Die
Sage vom Ödipus
(Götting. 1852);
Comparetti, Edipo (Pisa [* 5] 1867);
Bréal, Le [* 6] mythe d'Oedipe (in »Mélanges de mythologie«, Par. 1878).