Ätzmittel
(Remedia caustica oder Epicaustica), in der
Medizin solche
Stoffe, welche vermöge ihrer eigentümlichen
chemischen
Beschaffenheit zerstörend auf die
Gewebe
[* 2] des tierischen
Körpers wirken, mit denen sie in Berührung gebracht werden
(Ätzung,
Kauterisation). Die Ätzmittel
wirken teils dadurch zerstörend, daß
sie den
Geweben das
Wasser entziehen,
teils dadurch, daß sie mit den Eiweißstoffen der
Gewebe eine chemische
Verbindung eingehen. Die zerstörte Gewebepartie stellt
sich zunächst als Ätzschorf dar und wird nach einiger Zeit ganz losgestoßen.
Als Ätzmittel
werden benutzt: konzentrierte
Schwefelsäure,
[* 3]
Salpetersäure,
Salz- und
Essigsäure,
Ätzkali,
Ätznatron,
Ätzkalk,
Chlorzink,
Chlorbrom (Hauptbestandteil des Landolfischen Ätzmittels
),
Kupfervitriol,
Höllenstein etc. Man wendet
die Ätzmittel
entweder in
Substanz oder in
Lösung, in
Salben-,
Pasten- oder in Pulverform an. Das stärkste von allen, das Kauterisationsmittel
im eigentlichen
Sinn (cauterium actuale), ist das Glüheisen, ein zur Weißglühhitze gebrachter Eisenstab, welcher die mit
ihm berührten
Gewebe sofort tötet und in einen schwarzbraunen
Schorf verwandelt.
Die neuere
Chirurgie hat das Glüheisen für gewisse
Fälle durch das galvanokaustische
Verfahren, bei dem durch einen starken
galvanischen
Strom Platindrähte glühend gemacht und zum
Ätzen benutzt werden, ersetzt. Die Ätzmittel
werden angewandt entweder
wegen ihrer
Fähigkeit,
Gewebe zu zerstören, oder um als kräftige Entzündungserreger zu wirken. In der
ersten, sehr mannigfachen
Reihe von
Fällen wendet man Ätzmittel
an bei wucherndem, sogen. wildem
Fleisch an
Wunden, bei Wucherungen
der Augenbindehaut, der
Schleimhäute, vorzugsweise am Gebärmuttermund, zur Blutstillung durch die Schorfbildung und endlich
zur
Entfernung und Abtötung von giftigen
Wunden, Milzbrandpusteln und
Neubildungen jeglicher Art, welche
der
Operation zugänglich sind. Je nach der Tiefe, bis zu welcher die Zerstörung dringen soll, wendet man bald das eine,
bald das andre
Mittel, in den letztgenannten
Fällen am sichersten das Glüheisen an. Die entzündungserregende
Wirkung der
Ätzmittel
wird benutzt bei torpiden, schlecht heilenden, stinkenden
Wunden, bei brandigen
Geschwüren,
Hospitalbrand,
Diphtheritis und vielfach in Form des Glüheisens, wenn es sich um kräftige
Ableitung, z. B. bei
Gelenkentzündungen auf die
äußere
Haut,
[* 4] handelt.