Ätolien
(s. Karte »Altgriechenland«), [* 2]
griech. Landschaft im westlichen Teil des alten Hellas, zwischen Akarnanien, dem Doloperland, Thessalien, dem ozolischen Lokris und dem Meer gelegen, an der Küste und dem Acheloos eben und fruchtbar, im Innern wildes, waldbedecktes Gebirgsland (Tymphrestos, jetzt Veluchi, 2319 m hoch, im N.; Korax, jetzt Vardusia, 2495 m hoch). Als Hauptflüsse sind der Acheloos (Aspropotamo) auf der Westgrenze und der Euenos (Phidari), unter den Seen der Hyria und der Trichonis (See von Vrachori) zu nennen.
Die Bergwälder nährten allerlei
Wild, die ausgedehnten
Weiden im zentralen Seebecken treffliche
Pferde.
[* 3] Der
Name Ätolien
stammt
von Ätolos, dem Sohn
Endymions, her, welcher, aus
Elis flüchtend, mit einer
Schar Epeer in der südlichen
Gegend der
Landschaft sich niederließ und die dortigen
Leleger,
Kureten und Hyanten verdrängte oder seiner Herrschaft unterwarf.
Durch feindselige
Haltung den Nachbarn gegenüber sowie durch Verschmelzung mit nichtgriechischen Gebirgsvölkern entfremdeten
sich in der
Folge die Ätolier dem übrigen Hellenentum mehr und mehr, so daß sie in der
Blütezeit griechischer
Kultur als wilde, nur zu Raubzügen geneigte, von den übrigen
Hellenen gemiedene
Barbaren erscheinen. Erst in der makedonisch-römischen
Periode greifen sie in die Geschichte
Griechenlands thätig mit ein.
Städte
gab es wenige; die wichtigsten waren:
Thermon,
Kalydon,
Pleuron und
Chalkis. - Im heutigen
Königreich
Griechenland
[* 4] bildet Ätolien
mit dem westlich angrenzenden
Akarnanien
(s. d.) einen
Nomos.
Die Ätolier zerfielen von alters her in einzelne kleine Gemeinwesen, die nicht durch einen fortdauernden
Bund zusammengehalten
wurden. Die zerstreuten Dorfgemeinden Ätoliens
einigten sich erst zur Zeit des Lamischen
Kriegs (323
v. Chr.) zu dem Ätolischen
Bunde, dessen Mitglieder sich zu Anfang des
Herbstes in
Thermon zum Panätolion versammelten. Mit den
Achäern
stritt der
Bund fast ununterbrochen und benutzte dies, vereint mit
Sparta, zu Raubzügen in den
Peloponnes.
Philipp von Makedonien stiftete endlich ein Bündnis gegen die Ätolier und zwang sie 217 zum Frieden von Naupaktos (s. Bundesgenossenkriege). Doch verbündeten sie sich schon 211 gegen Philipp mit den Römern. Aber von diesen im Stiche gelassen, mußten sie (205) Frieden schließen. Nur zögernd schlossen sie sich den Römern an (199), als diese wieder Krieg gegen Philipp begonnen hatten. Als aber der römische Feldherr T. Quinctius Flamininus 199 den Achäischen Bund für sich gewann und 197 mit dem makedonischen König Frieden schloß und die Ätolier sich in ihrer Hoffnung auf die Herrschaft in Griechenland getäuscht sahen, fielen sie von den Römern 194 ab, gewannen außer Phokis und Lokris auch Ambrakia in Epeiros und mit Lamia den Eingang in Thessalien und schlossen sich Antiochos von Syrien an, als derselbe 192 in Griechenland landete, um den Krieg gegen die Römer [* 5] zu beginnen.
Während dieser aber zu Chalkis auf Euböa schwelgte, bemächtigten sich die Römer Thessaliens und schlugen Antiochos bei den Thermopylen (191). Entmutigt suchten die Ätolier um Frieden nach; da aber die Römer unbedingte Unterwerfung verlangten, setzten sie den Kampf fort. Der Prokonsul Acilius Glabrio, dann der Konsul M. Fulvius griffen sie in ihrem eignen Land an. Sie verteidigten sich mit äußerster Standhaftigkeit, unterwarfen sich aber auf die Kunde von Antiochos' Niederlage bei Magnesia und nach der Einnahme Ambrakias den von den Römern auferlegten Bedingungen.
Sie mußten alle
Städte, welche ihnen die
Römer seit
Flamininus abgenommen, aufgeben, 500
Talente zahlen,
durften nur mit den
Römern zusammen
Krieg führen,
Geiseln stellen etc. Der Ätolische
Bund war damit vernichtet (189).
Elend
herrschte fortan im Land, gesteigert durch innere
Unruhen, die von den erkauften
Agenten
Roms veranlaßt waren. Zuletzt sicherten
sich die Römerfreunde durch einen schändlichen Gewaltstreich die Herrschaft. Nach Besiegung des
Perseus,
[* 6] den die Ätolier nicht unterstützt hatten, ließen nämlich Lykiskos und Tisippos eine Versammlung patriotisch gesinnter
Ätolier von römischen
Soldaten umringen, worauf 550 der Angesehensten getötet, andre aber aus dem Land vertrieben und ihrer
Güter beraubt wurden (167). Ätolien
teilte fortan
Griechenlands
Geschicke und bildete einen Teil der
Provinz
Achaia. Späterhin wurde mit Ätoliern die von
Augustus auf dem
Vorgebirge
Actium gegründete Stadt
Nikopolis bevölkert, während
ein andrer bedeutender
Teil nach
Amphissa übersiedelte. Das entvölkerte Land lag verödet bis zu
Konstantins Zeit, der es
zur
Provinz
Neu-Epirus schlug und unter die
Verwaltung des
Präfekten von Illyricum stellte.
Vgl. Brandstäter, Die Geschichten des ätolischen Landes etc. (Berl. 1844).