Äthiopien
(hebr. Kusch), alter geograph. Name, im weitern Sinn s. v. w. Südland, wohin man die Äthiopier (d. h. die von der Sonne [* 2] schwarz gebrannten Völker) versetzte; im engern das südlich von Ägypten [* 3] am Nil aufwärts gelegene Land zwischen Libyen und dem Arabischen Meerbusen, also das heutige Nubien und Abessinien. Bei Homer erscheinen die Äthiopier als »die fernsten der Männer, geteilt wohnend, die einen gegen Untergang, die andern gegen Aufgang der Sonne«.
Auch Herodot teilt sie in östliche, schlichthaarige (die braunen
Völker am mittlern
Nil mit einem der
weißen
Rasse zunächst stehenden körperlichen und sprachlichen
Typus) und westliche, wollhaarige
(Neger). Während die letztern
die tiefste
Stufe menschlicher
Kultur einnehmen, gelten ihm die von den östlichen Äthiopiern bewohnten
Länder am obern
Nil
als Sitze uralter
Zivilisation. Als zu den östlichen Äthiopiern gehörige
Völkerschaften nennt er die
Makrobier (Langlebenden),
die
Ichthyophagen (Fischesser) und die
Troglodyten (Höhlenbewohner) und als Hauptstadt Äthiopiens
Meroë
(Schendy).
Genauere Nachrichten geben spätere Schriftsteller, namentlich
Ptolemäos, welcher zuerst den Nigerfluß und eine große Anzahl
sonst unbekannter äthiopischer
Völker anführt, aber als Hauptstadt Auxumis
(Axum) bezeichnet. Nach
Plinius bildete der
Nil
die
Grenze zwischen dem östlichen und westlichen Äthiopien.
Jenes, welches vorzugsweise Äthiopien hieß,
begriff namentlich den alten Kulturstaat
Meroë, dessen
Mittelpunkt im heutigen
Nubien zu suchen ist. Von daher stammte die 25. Dynastie
des altägyptischen
Reichs, welche von dem von S. her einbrechenden Eroberer Sabakon gegründet und deshalb die äthiopische
genannt wurde.
Späterhin übertrug man den
Namen Äthiopien
auf die christlichen
Reiche in
Abessinien; daher versteht man unter
den äthiopischen
Christen die heutigen christlichen Abessinier, deren alte (semitische) Schriftsprache, das Geez, man die
äthiopische zu nennen pflegt, während der
Name Äthiopien
als geographische Bezeichnung jetzt kaum mehr im
Gebrauch ist (vgl.
Abessinien).
Die vorhandenen äthiopischen
Altertümer am mittlern
Nil geben
Zeugnis von der hohen
Kultur jener
Völker.
Auf dem rechten Ufer des Stromes, oberhalb der Einmündung des Atbara, liegen die Trümmer von Meroë (s. d.), darunter über 80 teilweise eingestürzte Pyramiden in drei Gruppen. Einen entschieden priesterlichen Charakter tragen die Ruinen von Dschebel Barkal, die 4 km vom Flecken Merawah auf einer inselartigen Erhebung in weiter Landschaft liegen. Zwei Gruppen von Pyramiden umgeben im Halbkreis die Trümmer von acht Tempeln. Einfachheit charakterisiert diese Gebäude; Lotosblumen und der Kopf der Isis [* 4] bilden den einzigen Schmuck der Säulen. [* 5] In einer Grabkammer sieht man ein Opfer des äthiopischen Königs Tirhaka in Stein abgebildet. Der Stil dieser Skulpturen gleicht sehr dem ägyptischen. Entfernt von den übrigen steht ein sehr großer Tempel [* 6] von fast 160 m Länge, den zahllose Säulen sowie Skulpturen und Bilder zieren.