Ätherische
Öle (flüchtige Oele, lat. Olea aetherea, fr. essences, engl. volatile oils). Mit diesem Namen belegt man eine große Zahl stark riechender, beim Erwärmen flüchtiger Stoffe von ölartigem Aussehen, die jedoch von den eigentlichen oder fetten Ölen sowohl hinsichtlich ihrer Eigenschaften, als auch ihrer chemischen Zusammensetzung nach vollständig verschieden sind und auch unter sich keine bestimmt ausgeprägte Gruppe chemischer Verbindungen bilden, sondern meist aus natürlichen Gemischen verschiedener Kohlenwasserstoffe mit zusammengesetzten Äthern, Aldehyden und organischen Säuren bestehen.
Die im Handel vorkommenden ä. Ö. sind, mit Ausnahme des Bernsteinöls, sämtlich Produkte des Pflanzenreiches und werden aus verschiedenen Pflanzenteilen durch Destillation mit gespannten Wasserdämpfen gewonnen. Nur einige Öle, wie z. B. Citronenöl, Pommeranzenöl, kann man auch durch Auspressen der betr. Fruchtschalen erhalten. Werden die ä. Ö. einer nochmaligen Destillation unterworfen, so nennt man sie rektifizierte Öle. Die Fabrikation der ä. Ö. hat sich auf gewisse Gegenden konzentriert, doch findet man auch vereinzelt an verschiedenen Orten Fabriken ä. Ö. Einen Hauptfabrikations und Handelsplatz für diesen Artikel bildet Leipzig mit seinen Vororten; vereinzelte Fabriken sind in Aken, Zerbst, Lützen, Cölleda, Rudolstadt, Dresden u. s. w.; die meisten derselben fabrizieren sehr viele Öle und handeln mit sämtlichen Sorten von ä. O., andere handeln nur mit gewissen Ölen, die sie selbst fabrizieren, wie z. B. die in Lützen, Cölleda.
Auch in Berlin, Hamburg, Altona, Prag, Brunn und Wien ist dieser Industriezweig vertreten. Italien, namentlich Sicilien, liefert hauptsächlich Citronenöl, Pommeranzenöl und Bergamottenöl, das südliche Frankreich Neroliöl, Petitgränöl, Lavendelöl und Thymianöl, Algier vorzugsweise Geraniumöl, die Türkei Rosenöl und Geraniumöl, England liefert Pfefferminzöl und Lavendelöl, Nordamerika Pfefferminzöl und Wintergrünöl, Rußland Anisöl.
Aus Ostindien und
China werden die Gewürzöle
importiert, namentlich
Cassia- und Zimmtöl, Nelkenöl,
Macisöl, Cardamomöl u. s. w., doch fabriziert man dieselben auch schon seit langer Zeit
in dem außerhalb des Zollvereins liegenden Hamburg. Seitdem jedoch die zur Ölfabrikation bestimmten
Gewürze zollfrei eingehen,
werden diese
Öle auch im Zollverein, allerdings unter Kontrole von Steuerbeamten, fabriziert; hierbei
müssen die nach der Destillation zurückbleibenden, vom
Öle befreiten
Gewürze vernichtet werden. - Die gangbarsten ä. Ö.
sind außer den bereits genannten:
Kümmelöl,
Fenchelöl,
Angelikaöl, Wermutöl, Zedernholzöl, Kalmusöl,
Wachholderöl,
Bittermandelöl,
Senföl, Sternanisöl, Rosmarinöl, Zitronellöl und
Terpentinöl. Verwendung finden die ä. Ö. in der Medizin und Likörfabrikation,
ferner zur Herstellung feiner
Parfümerien, wie
Eau de Cologne und anderer Riechwässer, zum Parfümieren
von
Seifen, Pomaden,
¶
mehr
Haarölen
, einige werden auch in der Conditorei verwendet, die billigen, wie Terpentinöl, in der Lackfabrikation. - Die allgemeinen
Eigenschaften der ä. Ö. lassen sich dahin zusammenfassen, daß sie sämtlich einen starken, mehr oder weniger angenehmen
Geruch besitzen, sich leicht entzünden lassen, mit stark rußender Flamme brennen, auf Papier einen in
der Hitze wieder verschwindenden Fettfleck machen, in Wasser sich nur in sehr geringer Menge lösen, aber leicht löslich
in starkem Alkohol und in Äther sind.
Die meisten sind leichter, einige auch schwerer als Wasser; sie besitzen ein starkes Lichtbrechungsvermögen und drehen die Ebene des polarisierten Lichtes, einige nach rechts, andere nach links in verschiedener Stärke. Der Siedepunkt der ä. Ö. ist sehr verschieden, liegt aber durchgängig ziemlich hoch (zwischen 160 und 260° C.); mit den Wasserdämpfen verflüchtigen sie sich jedoch schon bei viel niedrigerer Temperatur. Wie ihr Geruch beweist, sind sie auch schon bei gewöhnlicher Temperatur etwas flüchtig.
Einige erstarren leicht zu weißen kristallinischen Massen (z. B. Rosenöl, Anisöl), während andere gar nicht erstarren. Viele ä. Ö. sondern sich mit der Zeit und beim Stehen an kalten Orten in einen starren, kristallinischen Teil, Stearopten genannt, und in einen flüssig bleibenden Eläopten. Hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung teilt man die ä. Ö. zuweilen in sauerstoffhaltige und sauerstofffreie ein, letztere werden auch Terebene genannt, erstere sind meist Gemenge der letzteren mit anderen chemischen Verbindungen. Es gibt ferner auch schwefelhaltige ä. Ö.; wie z. B. Senföl, Knoblauchöl. - Was die Aufbewahrung der ä. Ö. anlangt, so müssen dieselben in sehr gut verschlossenen, möglichst vollgefüllten Flaschen an einem dunkelen und kühlen Orte aufbewahrt werden. Durch Einwirkung von Luft und Licht verändern sie sich leicht, nehmen einen fremdartigen Geruch an und verharzen schließlich. Die Versendung geschieht gewöhnlich in Glasgefäßen oder in Flaschen von Weißblech; die sicilianer Öle kommen in kupfernen Gefäßen (Ramieren), die Öle aus China in Bleiflaschen. - Wegen ihres meist sehr hohen Preises sind die ä. Ö. häufig Verfälschungen ausgesetzt, die nicht so leicht zu entdecken sind, weil man hierzu meistenteils andere billigere ä. Ö. verwendet.
Die Verfälschung mit fetten Ölen oder mit Alkohol kommt jetzt nicht mehr so häufig vor, weil diese leichter zu entdecken sind. Um eine Beimengung von Alkohol (Spiritus) zu entdecken, kann man verschieden verfahren. Grössere Mengen von diesem lassen sich durch Schütteln gleicher Volumina von ä. Ö. und Wasser in einer graduierten Glasröhre nachweisen; nachdem sich beide Flüssigkeiten wieder gesondert haben, wird das Volumen des Wassers durch die Aufnahme des Alkohols zugenommen haben.
Man kann auch das betreffende Öl in einer kleinen Glasretorte in einem Sandbade kurze Zeit erhitzen, der Alkohol destilliert, mit nur wenig Öl gemengt, zuerst über und läßt sich an seinen Eigenschaften und Reaktionen leicht erkennen. Die vielfach empfohlene Methode mit Fuchsin paßt nicht für alle Öle, da manche Öle, die ganz frei von Alkohol sind, das Fuchsin ebenfalls lösen und sich dadurch rot färben. Fette Öle lassen sich in ä. Ö. leicht daran erkennen, daß sie nicht flüchtig sind, daher auf Papier einen auch beim Erhitzen nicht verschwindenden Fettfleck verursachen.
Teilweise verharzte Öle hinterlassen allerdings auch einen bleibenden Fettfleck, der jedoch meist nur an dem Rande durchscheinend ist und auch durch Aufgießen von Weingeist verschwindet, was bei Vorhandensein von fettem Öl nicht der Fall ist. Daher kann man auch durch Auflösen des zu prüfenden Öles in 90procentigem Alkohol die Gegenwart von fettem Öl finden, da sich dieses hierbei nicht löst. Eine Ausnahme hiervon macht nur das Ricinusöl, welches in Alkohol leicht löslich ist und daher auf diese Weise nicht erkannt werden kann.
Zur Erkennung einer Verfälschung mit Terpentinöl bedient man sich häufig des Jods, besser jedoch des Nitroprussidkupfers, welches beim Kochen mit den betreffenden Ölen in einem Reagensgläschen seine Farbe behält, sowie sie mit Terpentinöl oder einem diesem ähnlichen Öle verfälscht sind, während wenn die Öle rein sind, das Nitroprussidkupfer dunkel schiefergrau oder schwarz wird und das Öl sich mehr oder weniger dunkel färbt. Zur Ausführung dieser, sowie der Jodprobe, gehört jedoch schon eine gewisse Übung, um sich vor Irrtümern zu bewahren; in den Händen Geübter gibt jedoch die Nitroprussidkupferprobe sehr gute Resultate (vergleiche ferner die einzelnen Öle). - Zoll: S. Tarif im Anh. Nr. 5 a; 5 b Rosmarin- u. Wachholderöl; Nr. 5 i Terpentinöl.