Ätherische
Öle zeigen in ihrer Zusammensetzung große Mannigfaltigkeit. Neben den Terbenen, welche fast niemals fehlen und oft die Hauptmasse bilden, finden sich Aldehyde, Phenole, Ketone, zusammengesetzte Äther etc. Über diese Thatsachen hinaus ist wenig bekannt, was nähere Aufschlüsse über die Bedeutung der ätherischen Öle im Pflanzenleben, ihre Beziehungen zu andern Körpern etc. geben konnte. Erst einige neuere Arbeiten geben tiefere Einblicke und zeigen, welchen Atomgruppierungen die Natur bei den ätherischen Ölen den Vorzug gibt.
In den ätherischen Ölen der Betelblätter findet sich eine Substanz, Chavicol, welche ihrer Struktur nach als Paraallylphenol C6H4.C3H5.OH ^[C6H4.C3H5.OH] aufzufassen ist. Sie ist also abzuleiten von Benzol C6H6 , in welchem zwei Atome H, und zwar das erste und das vierte (Parastellung), durch Allyl C3H5 und Hydroxyl OH vertreten sind. Diese Struktur ist nun für viele ätherische Ö. charakteristisch.
In den Benzolkern C6H4 des Paraallylphenols treten noch ein, zwei oder drei Hydroxyle ein, die ganz oder teilweise durch Methyl CH3 oder Methylen CH2 ätherifiziert werden. Neben Chavicol enthält das Betelöl noch Chavibetol C6H3.C3H5.OH.OCH3 ^[C6H3.C3H5.OH.OCH3], und dieser Körper ist isomer mit dem Eugenol, dem ätherischen Öl der Gewürznelken. Der Unterschied zwischen beiden besteht lediglich darin, daß eine andre Hydroxylgruppe durch Eintritt von CH3 ätherifiziert ist.
Beide enthalten eine freie Hydroxylgruppe, und wenn man diese ätherifiziert, so erhält man aus Chavibetol und aus Eugenol einen und denselben Körper. Chavicol ist ein klares Öl von kreosotartigem Geruch, wirkt fünfmal stärker antiseptisch als Karbolsäure und doppelt so stark wie Eugenol. Man muß annehmen, daß dies bei der Wirkung der Betelblätter auf den Organismus zur Geltung kommt. Wenn im Chavibetol oder Eugenol des Methyl CH3 durch Methylen ersetzt wird, dann werden beide Hydroxylgruppen ätherifiziert, und es entsteht Safrol C6H3.C3H5.OCH2O ^[C6H3.C3H5.OCH2O], der Hauptbestandteil des ätherischen Sassafrasöls, welcher neben Eugenol im ätherischen Öl der Blätter des Sternanisbaums vorkommt.
Safrol bildet eine leicht schmelzbare Kristallmasse, riecht aromatisch und steht in naher Beziehung zur Piperinsäure, die leicht aus dem Alkaloid des schwarzen Pfeffers, dem Piperin, gewonnen wird. Im Apiol, dem kristallinischen Bestandteil des ätherischen Petersilienöls, haben wir einen Körper, der hinsichtlich seiner chemischen Konstitution das Methyleugenol (oder Methylchavibetol) und das Safrol in sich vereinigt. Er ist C6H.C3H5.OCH2O. (OCH3)2 ^[C6H.C3H5.OCH2O. (OCH3)2]. Das Apiol ist eine farblose Kristallmasse, riecht schwach petersilienartig und schmilzt bei 30°. - Die Gruppe C3H5 in den genannten ätherischen Ölen kann entweder, wie oben angenommen, Allyl CH2.CH.CH2 ^[CH2.CH.CH2] oder Propenyl CH.CH2.CH2 ^[CH.CH2.CH2] sein. Das optische Verhalten der ätherischen Öle
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beweist, daß sie in der That Allyl enthalten, wenn man sie aber mit alkoholischem Kali erhitzt, so geht das Allyl in Propenyl über. Nun finden sich aber auch Propenylphenole in ätherischen Ölen. Der Hauptbestandteil des Anisöls, das Anethol, ist nämlich der Methyläther des Parapropenylphenols C6H4.C3H5.OCH3 ^[C6H4.C3H5.OCH3], also isomer mit einem methylierten Chavicol und aus solchem durch Behandeln mit alkoholischem Kali leicht zu erhalten.
Man kann also ohne Schwierigkeit vom Betelöl zum Anisöl gelangen. Dieses Verhalten dürfte auch praktisches Interesse besitzen, da sich die Propenylderivate wesentlich leichter oxydieren lassen als die Allylderivate. Wenn man z. B. das leicht zugängliche Safrol durch Behandeln mit alkoholischem Kali in die isomere Propenylverbindung überführt, so erhält man durch Oxydation leicht den Aldehyd C6H3.CHO.OCH2O ^[C6H3.CHO.OCH2O], das Piperonal, eine Substanz, die unter dem Namen Heliotropin in der Parfümerie benutzt wird.