Titel
Äschines
,
1) Äschines
, genannt der
Sokratiker, zeichnete sich durch treue Anhänglichkeit und
Liebe zu seinem
Lehrer
Sokrates
aus, lebte eine Zeitlang zu
Syrakus
[* 2] am
Hof
[* 3] des
Dionysios und verfaßte sieben Gespräche moralischen
Inhalts,
wovon nur unbedeutende
Fragmente erhalten sind (hrsg. von
Böckh, Heidelb. 1810; übersetzt von
Pfaff, 2. Aufl., Stuttg. 1883).
2) der Redner, geb. 389 v. Chr. zu Athen [* 4] als Sohn armer Eltern, war in seinen jüngern Jahren in der Elementarschule seines Vaters als Gehilfe, dann als Schauspieler in dritten Rollen [* 5] und später als Schreiber, zwei Jahre sogar als Staatsschreiber thätig. Im Vertrauen auf die in dieser Stellung erworbene Gesetzes- und Geschäftskenntnis und ein bedeutendes Rednertalent, das durch eine wohlklingende Stimme und die Fähigkeit, sich mit großer Würde zu bewegen, unterstützt wurde, trat er 356 als Redner auf und gehörte bald zu den angesehensten Staatsmännern seiner Zeit.
Als Mitglied der 347 an Philipp von Makedonien zum Abschluß eines Friedens geschickten Gesandtschaft ließ er sich von dem König ganz in sein Interesse ziehen und förderte die für Athen so verderblichen Pläne desselben. Deshalb 345 von Demosthenes und Timarchos des Vaterlandsverrats angeklagt, wußte er der drohenden Gefahr durch eine Gegenklage gegen den letztern zu entgehen. Auch als Demosthenes, der ihn als Haupt der makedonischen Partei ebenso bitter haßte, wie er von ihm gehaßt wurde, 342 die durch die Rede von der Truggesandtschaft unterstützte Anklage erneuerte, wußte den Angriff durch seine ebenso betitelte Rede abzuwehren.
Nur das Interesse König Philipps im Auge, [* 6] veranlaßte er als Pylagore zu Delphi 339 den zweiten Heiligen Krieg gegen Lokris und die Übertragung des Oberbefehls an den König und damit den Krieg, der zur Niederlage Athens und Thebens bei Chäroneia und zur Vollendung der makedonischen Oberherrschaft führte. Vergebens suchte er den Volkshaß gegen Demosthenes als Urheber des Unglücks aufzureizen; er mußte sich damit begnügen, gegen Ktesiphon, welcher den Antrag gestellt hatte, den Demosthenes zum Lohn für seine Verdienste um das Vaterland mit einem goldenen Kranze zu ehren, mit einer Klage wegen Gesetzwidrigkeit aufzutreten (336), die aber erst sechs Jahre später (330) zur Verhandlung kam.
Die bei dieser Gelegenheit von Äschines
gehaltene
Rede, die darauf berechnet war, das politische Ansehen des
Demosthenes zu vernichten,
wurde von alters her als ein Meisterstück der
Beredsamkeit betrachtet. Dessenungeachtet errang
Demosthenes mit seiner berühmten
Rede »vom
Kranz« den
Sieg über seinen Gegner, der infolgedessen nach Rhodus ging und hier eine Rednerschule
gründete. Er starb 314 auf der
Insel
Samos. Äschines
hat nur die drei bereits erwähnten
Reden (gegen Timarchos, über die Truggesandtschaft
und gegen
Ktesiphon), die von den Alten als die drei
Grazien bezeichnet wurden, veröffentlicht; sie gehören nächst den
Reden
des
Demosthenes zu den vorzüglichsten Leistungen der griechischen
Beredsamkeit.
Ausgaben (außer in den Sammlungen der attischen Redner) von
Bremi (Zür. 1823, 2 Bde.),
Franke (2. Aufl., Leipz. 1860),
Schultz
(das. 1865), Weidner (Berl. 1872); die
Rede gegen
Ktesiphon von letzterm (Leipz. 1872 u. Berl.
1878). Übersetzungen von
Bremi (Stuttg. 1828, 3 Bde.),
Benseler (Leipz. 1855-60, 3 Bde.).
Die unter Äschines'
Namen vorhandenen zwölf
Briefe sind ohne
Zweifel unecht (am besten in
Herchers »Epistolographi graeci«, Par.
1873).
Vgl. Blaß, Attische [* 7] Beredsamkeit, Bd. 3 (Leipz. 1880);
Marchand,
Charakteristik des Redners Äschines
(Kass. 1872);
Castets, Eschine, étude historique et littéraire (Par. 1875).