Äōlier,
einer der vier Hauptstämme des griech.
Volks, der seinen Ursprung von
Äolos ableitete. Es sind unter ihnen
diejenigen Pelasgerstämme zu verstehen, welche durch Zuwanderung von
Ioniern und andern Seestämmen und
Vermischung mit ihnen zu einer höhern Kulturstufe gelangten. Der
Name findet sich deshalb an verschiedenen
Orten von
Griechenland,
[* 2] in
Thessalien,
Elis,
Messenien,
Lokris,
Ätolien und Kephallenia. Wichtig war für die Ausbreitung der Äolier
namentlich die
Wanderung
der äolischen Böotier nach
Böotien, von wo nach der dorischen
Wanderung äolische
Stämme, mit
Achäern
gemischt, nach
Kleinasien zogen; hier besetzten sie
Lesbos und
Kyme und eroberten allmählich
Troas und
Mysien. An dem üppigen
Gestade zwischen dem Kaikos und dem
Hermos, auf einem
Raum von 53 km
Länge und ebensoviel
Kilometer
Breite,
[* 3] erhoben
sich 30 äolische
Städte, von denen 11 als die bedeutendsten genannt werden:
Kyme
(Cumä),
Larissa, Neonteichos, Killa,
Notion,
Ägiroëssa, Pitane, Ägää, Myrina, Gryneia, Temnos. Sie hatten untereinander ein
¶
mehr
Schutzbundnis geschlossen, zu welchem eine Zeitlang auch das mächtige Smyrna gehörte, welches später dem Ionischen Bund beitrat.
Bis auf Krösos' Zeit waren die Äolier
frei, unter diesem mußten sie Lydiens, darauf Persiens Oberhoheit anerkennen. Die Perserkriege
gaben ihnen ihre Freiheit zurück, aber der Friede des Antalkidas (387 v. Chr.) brachte sie von neuem unter
persische Herrschaft. Nach Alexanders d. Gr. Tod kamen sie unter syrische Gewalt. Die Römer
[* 5] gestatteten ihnen nach dem Sturz
der syrischen Macht eine scheinbare Unabhängigkeit, bis Sulla Äolien, weil es mit Mithridates verbündet gewesen, zur römischen
Provinz Asien
[* 6] schlug.
Der äolische Dialekt hat kein fest begrenztes Sprachgebiet und keinen scharf ausgeprägten Charakter.
Er bezeichnet mehr eine ältere Periode der griechischen Sprachentwickelung, die gemeinschaftliche Grundlage aller mundartlichen
Verschiedenheiten; in den grammatischen Formen hat er vielfach das Ursprüngliche erhalten und in den Vokalen große Ähnlichkeit
[* 7] mit den italischen Dialekten. Erklärlich ist nach obigem, daß die äolische Litteratur keinen Reichtum bietet.
Am meisten treten noch die Lesbier hervor. Unter ihnen pflegten Sappho, Alkäos und die selten genannte Erinna die leidenschaftlich
bewegte melische Poesie. Nur metrisch bezeichnen die Äolier
eine Epoche (vgl. Sapphischer Vers, Alkäischer Vers).