mehr
immerfort wirksam sind, so ist das
Delta
[* 3] in beständigem Wachstum begriffen, wie man dies an den Nilmündungen deutlich wahrnehmen
kann. Im
Norden
[* 4] hat es eine bogenförmige Begrenzung durch das
Mittelmeer von 270 km
Länge. Seine
Ausdehnung
[* 5] von
Norden nach
Süden zwischen
Kap Burlos und
Kairo
[* 6] beträgt 171 km. Die
Küste des
Delta ist sehr flach und zieht sich meist
als
Sandbank in das
Meer. Der westliche, das
Delta begrenzende Teil von Unterägypten
ist der nordöstliche Teil der großen
Libyschen Wüste.
Große, bassinartige Vertiefungen, welche häufig unter dem Niveau des Nils liegen, bilden teils wirkliche Seen, teils kleine Oasen, wie die an den Natronseen. Da aber diese Bassins ihr Wasser größtenteils vom Nil und seinen Kanälen erhalten, so ist ihr Wasserstand von dem des Flusses und dessen Überschwemmungen ganz abhängig. Das im O. das Delta begrenzende Land ist gleichfalls Wüste und zwar der nordwestlichste Teil der Wüste des Peträischen Arabien. Es stellt sich dem Auge [* 7] als weite, von welligen Hügelreihen durchzogene Sandebene dar und besteht an der Küste, wie das westliche Grenzland, aus den jüngsten Meeresablagerungen.
Ganz Unterägypten
steigt sanft von N. nach
S. an; auf einen Breitengrad kommen kaum mehr als 14 m Steigung längs des
Stroms.
Oberägypten
(Sa'îd), von
Beni Suef bis zum
Wadi Halfa beim zweiten
Katarakt sich erstreckend, trägt schon
mehr den
Charakter eines Gebirgslands
an sich. Der höher werdenden
Ufer wegen muß man hier den natürlichen
Überschwemmungen
des
Nils durch
Kanäle zu
Hilfe kommen, um die segensreichen
Fluten auch den entferntern Gegenden des Uferlands zuzuführen.
Dieses Nilthal ist bei weitem der wichtigste Teil Ägyptens und allein Kulturland im wahren Sinn des Worts. Es ist von Assuân an stromabwärts in der geringen Breite [* 8] von 4-6 km zuerst gerade nach N. gerichtet, wird aber stellenweise durch hervortretende Felswände sehr eingeengt, so namentlich am Dschebel Selseleh (Kettenberg), wo es nur 1 km Breite hat. Erst bei Theben erweitert sich das Thal [* 9] zu einer größern Ebene, wendet sich aber zugleich nach O., bis Farschat sich bogenförmig krümmend.
Dann nimmt es nordwestliche Richtung an, behält diese bis Siut bei und wendet sich endlich unterhalb Kairo wieder etwas nach NO. Etwa 20 km unterhalb Kairo, wo sich der Nil in zwei Hauptarme teilt, endet das Flußthal, und es beginnt hier das Delta. Zwei Gebirgsketten, westlich das Libysche, östlich das Arabische Gebirge, begrenzen die Thalebene, öfters an den Strom heran- und wieder in weiten Bogen [* 10] zurücktretend, jenes mit sanft abgeböschten, dieses mit fast senkrechten Rändern.
Die libysche Gebirgskette teilt sich bei Kairo und verliert sich bald ganz in der Ebene; die arabische steigt von den Umgebungen der genannten Stadt, wo der zu ihr gehörige Mokattamberg sich nur 210 m über die Meeresfläche erhebt, allmählich gegen S. an und erreicht bei Siut und noch mehr bei Theben ihre größte Höhe (640 m), welche sie eine Strecke weit beibehält, bis sie sich gegen die Südgrenze des Landes hin wieder senkt und zuletzt in Hügeln endet. Beide Ketten haben gleiche Höhe und schützen als hohe Dämme das Nilthal vor dem Eindringen des Wüstensands.
Die östliche Begrenzung der Nilthalfurche bildet ein ödes, felsiges Gebirgsland mit spärlicher, aus Büschen bestehender Vegetation. Es enthält keine Oasen und ist nur von einigen unbedeutenden nomadisierenden Volksstämmen bewohnt. In der Nähe der Hafenstadt Koffer am Roten Meer erhebt es sich bis zu 1400 m und bildet in seiner Längenausdehnung nach S., bis 2000 m ansteigend, die Wasserscheide zwischen dem Nil und dem Roten Meer. Die Westgrenze des Nilthals bildet ein breites wasser- und vegetationsloses Plateau von ansehnlicher Höhe, welches von einem Oasenzug unterbrochen wird, der von S. nach N. aus den Oasen Chargeh, Dachel, Farafrah, Bacharieh und Siwah (s. diese Artikel) besteht. Den westlichen Rand des Delta umsäumt eine Kette von Natronseen. Die Oase Siwah bildet eine Depression [* 11] von ca. 29 m. Hart an den Unterlauf des Nils herangedrängt findet sich das Fayûm, welches gleichfalls eine fruchtbare Oase repräsentiert.
Was den geognostischen Charakter des Landes anlangt, so treten im SO. nahe an der Grenze Nubiens, dann im O. in dem höhern Gebirgsrücken kristallinische Gesteine [* 12] auf, und zwar bestehen dieselben größtenteils aus Granit, wie z. B. bei Assuân, wo die Felswände des Nilthals und die Klippen [* 13] der Katarakte aus Granit bestehen, dann aus rotem Porphyr, dunklem, basaltähnlichem Dioritporphyr (zwischen Kenneh und Kosseïr), besonders aber aus Glimmerschiefer (im O.), aus Gneis mit Marmoradern in der Nähe des Granits und aus Talkschiefer.
Hieran schließen sich Massen von Thonschiefer an, die zwischen Kosseïr und Kenneh von den schon im Altertum zu Kunstwerken verarbeiteten Trappbreccien bedeckt sind. Im mittlern Teil des Landes tritt dann bis zu dem großen Oasenzug versteinerungsloser Sandstein aus, welcher auch den Granit von Assuân sowie die eben erwähnten Trappbreccien bedeckt und stellenweise in Quarz übergeht. Noch weiter ist der marine, nummulitenreiche, harte und dunkelrote Kalkstein verbreitet, der im Nilthal eine Tagereise südlich von Esneh beginnt und meist horizontal geschichtet erscheint. Er lieferte das Material zu den Pyramiden.
Den Kalkstein bedeckt in inselartigen, 60 m mächtigen Ablagerungen ein ebenfalls horizontal geschichteter Sandstein. Charakteristisch für die geognostische Beschaffenheit des Landes ist endlich noch der Sand des Wüstenplateaus sowie auch der infolge der Nilüberschwemmungen sich absetzende Schlamm, welcher einen großen Teil der Sohle des Nilthals bedeckt und insbesondere zur Entstehung des Delta Veranlassung gegeben hat. Derselbe bildet eine feine thonige, etwas kalkhaltige, zur Hälfte ihres Gewichts aus organischen Substanzen bestehende Masse, welche getrocknet fast steinhart wird und von jeher zur Ziegelbereitung benutzt wurde. Im Delta wechseln mit ihr dünnere, aus Sand bestehende Lagen.
In den wüsten östlichen Regionen besteht der Sand aus mikroskopisch kleinen Korallenschalen (Bryozoen), [* 14] worin sich aber auch marine Muscheln [* 15] vorfinden. Die geologische Thätigkeit dauert gegenwärtig noch in ausgesprochener Weise fort. Das Ufer des Roten Meers rückt fortwährend, gleich dem gegenüberliegenden arabischen empor. Bei Suez jedoch endigt dieses Streben nach aufwärts, denn ein Sinken der Oberfläche wird im Delta des Nils deutlich sichtbar. So sind die Kleopatrabäder bei Alexandria bereits wieder unter Wasser gesetzt; so entstand 1784 die Lagune bei Abukir durch einen Meereseinbruch; so ist endlich der einst dicht bewohnte Boden des Mensalehsees überschwemmt worden, und noch jetzt sieht man dort unter dem Wasser die verschwundenen Ortschaften.
Nimmt man Unterägypten
mit dem fruchtbaren
Delta aus, so beträgt der kulturfähige
Boden an
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Flächeninhalt kaum mehr als 1/15 des Ganzen, und doch war [* 17] von alters her eins der gesegnetsten Länder. So viel vermögen die Überflutungen des Nils unter dem glühenden Himmel [* 18] Ägyptens. Jene von den periodischen Regengüssen in den tropischen Hochländern, denen der Fluß entströmt, herrührende Nilanschwellung ist für das regenlose Stromthal Ägyptens der einzige Ersatz des mangelnden atmosphärischen Niederschlags und die Quelle [* 19] der Fruchtbarkeit.
Der Nil tritt mit brausenden Stromschnellen ins Land ein, indem er zwischen der Insel Elephantine und der Insel Philä über zahllose Klippen zwischen Felswänden dahinstürzt und sich dabei in viele Arme teilt, zwischen denen man bei hohem Wasserstand 20 Inseln zählt. Bei niedrigem Wasserstand hat er auf dieser Strecke eine Breite von 1000-1200 m. Weiter nördlich im ruhigen Lauf dahinströmend, verengert er sich wieder, so daß er bei Theben nur eine Breite von 400 m hat, die aber bei Siut wieder bis zu 800 m wächst.
Bei Derût geht aus der westlichen Seite der Josephskanal (Bahr Yusuf), ein Werk der Kunst, ab und folgt in seinem 350 km langen Lauf dem Fuß der libyschen Bergkette bis unterhalb Kairo, wo er sich südlich von Terraneh mit dem Rosettearm des Nils vereinigt. Ein Arm desselben wendet sich durch die Schlucht El Lahun nach dem Fayûm, welches durch ihn in vielen Ästen bewässert wird 22 km unterhalb Kairo, wo das Thal sich zur Ebene erweitert, teilt sich der hier ¾ Stunden breite Strom in mehrere Arme, von denen aber nur noch zwei, ursprünglich von Menschenhänden ausgegraben, die von Rosette und Damiette, von Wichtigkeit sind, indem die übrigen im Lauf der Zeit mehr und mehr versandeten.
Das zwischen beiden Armen sich ausbreitende Delta wird von zahllosen Verbindungskanälen der Nilarme quer durchzogen. Im Anschluß
an den Bahr Yusuf wurde von Derût nach Siut der Ibrahimkanal und von Siut bis Sohâg der Sohâgiyekanal
erbaut. Von großer Wichtigkeit auch für den gesamten Wohlstand des Landes ist der Mahmudiehkanal bei Alexandria (s. d.). Ferner
sind in Oberägypten
große Bassins zur Regulierung der Nilüberschwemmungen angelegt und behufs der Schließung und Öffnung
der beiden Hauptarme des Nils an dessen Gabelung große Dammbauten in Angriff genommen, die aber nicht vollendet
worden sind (Barrage des Nils).
Das Anschwellen des Stroms beginnt bei Gondokoro (5° nördl. Br.) im Februar, bei Chartum Ende März, in Dongola Ende Mai, bei
Assuân gegen Ende Juni, bei Kairo Anfang Juli und erreicht in der ersten Hälfte des Oktobers den höchsten Stand. Die darauf
folgende Abnahme ist so langsam, daß der Fluß erst April, Mai und in den ersten Junitagen des folgenden
Jahrs seinen niedrigsten Stand erreicht. Der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Wasserstand beträgt bei Assuân 15 m,
bei Theben 8½ m, bei Kairo 7½ m. Ein Zurückbleiben hinter der normalen Überschwemmung (für unser Zeitalter 8 m)
um nur 1 m hat in Oberägypten
bereits Dürre und Hungersnot im Gefolge, aber schon 50 cm mehr kann furchtbare Verwüstungen
im Delta anrichten.
Mit Hilfe von Ziehbrunnen (Schadufs), welche nur von einem Menschen in Bewegung gesetzt werden, von unsern Baggermaschinen ähnlichen
Schöpfrädern (Sakîye) und hydraulischen Maschinen, auf den Zuckerrohrplantagen des Chedive auch mit Dampfpumpwerken
bringt man das Nilwasser zuweilen durch mehrere übereinander liegende Etagen auch auf höher gelegenes Terrain, wo die Überschwemmungen
nicht
hingelangen. Das ganze kulturfähige Land ist durch Dämme in ungeheure Bassins eingeteilt, in welche das befruchtende
Wasser durch Kanäle eingeführt und so lange auf einer gewissen Höhe erhalten wird, bis die gehörige
Menge Nilschlamm abgesetzt ist. Ein willkürliches Überfluten des Landes ist jetzt ganz ausgeschlossen; Ägypten
hat aufgehört,
zur Zeit der Nilschwelle wie ehemals ein großer See zu sein.
Von andern fließenden Gewässern ist in Ägypten
nördlich von der Mündung des Atbara in den Nil nicht die
Rede. Auch der perennierenden Quellen entbehrt der größte Teil des Landes ganz. Andre Quellen, besonders mineralische, zum Teil
lauwarme, finden sich in dem Querthal zwischen Kosseïr und Kenneh und zunächst der Küste des Roten Meers, dann bei Kairo (Heluan),
besonders aber im Oasenzug, dessen Quellen eisen- oder schwefelhaltig und großenteils Thermen sind. Seen
sind in in ziemlich großer Anzahl vorhanden. Im Innern sind die bedeutendsten der salzige Birket el Kerun am Westrand vom
Fayûm (26,000 Hektar), die Bitterseen (30,000 Hektar) auf der Landenge von Suez und die sechs kleinen Natronseen (zusammen 6000 Hektar)
südöstlich von Alexandria.
Der im Altertum berühmteste aller ägyptischen Seen, der Mörissee, früher irrtümlich mit dem Birket el Kerun identifiziert, ist längst eingetrocknet. Ansehnlicher als diese Binnenseen sind die vom Mittelmeer meist nur durch eine schmale, sandige Landzunge getrennten salzigen Lagunenseen, worunter folgende die bedeutendsten sind: der Birket Mariut (der alte Mareotis) bei Alexandria, der sich erst 1801 wieder füllte, als die englisch-türkische Armee bei der Belagerung von Alexandria die Dämme des die Ebene vom See von Abukir trennenden Kanals von Alexandria durchstach, wodurch eine Fläche von 40,000 Hektar kultivierbaren Bodens bedeckt wurde;
der seichte Maadieh oder See von Abukir (14,000 Hektar), vom vorigen nur durch den Damm des Mahmudiehkanals getrennt;
der Edkusee (34,000 Hektar), zwischen dem vorigen und dem Rosettearm, jetzt fast wasserleer;
der gleichfalls sehr seichte Burlos, zwischen dem Rosette- und Damiettearm, mit vielen Inseln und fischreich (112,000 Hektar), und der Mensaleh (184,000 Hektar), der größte von allen, östlich vom Damiettearm bis Pelusium sich erstreckend und erst in der neuern Zeit infolge der Vernachlässigung der Dammbauten entstanden, 67 km lang, durchschnittlich 33 km breit und 1-1½ m tief, mit vielen Inseln, fischreich und vom Suezkanal durchschnitten.
Merkwürdig sind endlich noch die erst in neuerer Zeit genauer bekannt gewordenen unterirdischen Wasserbecken im westlichen Oasenzug, welche schon im Altertum zum Bohren artesischer Brunnen [* 20] Veranlassung gegeben haben.
Klima.
Die höher gelegenen südlichen Gegenden haben als einzige Jahreszeit nur einen trocknen und heißen Sommer und das ganze Jahr
über eine ziemlich gleichbleibende mittlere Temperatur, die mittlern und nördlichen dagegen eine kühle und eine heiße
Jahreszeit. Jene dauert vom Dezember bis März und gleicht der Herbst- und Frühlingszeit der gemäßigten Länder Europas; diese
umfaßt die übrigen Monate und ist erst trocken, dann feucht. Der mittlern Temperatur nach gehört das südliche Ägypten
zu den
heißesten Ländern der Erde, die außerhalb der Tropen liegen, während das Delta infolge der kühlenden
Einwirkung der Seewinde das südeuropäische Küstenklima teilt.
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In den wasserlosen südlichen Strichen erreicht die Hitze beim Wehen des Chamsîns, eines heißen, aus den Äquatorgegenden kommenden Windes, eine außerordentliche Höhe, zu Theben und Philä von 47-48° C., zu Assuân von 60-70°, wobei der Sand so heiß wird, daß man Eier [* 22] darin hartkochen kann. Um Kairo steigt die Hitze selten über 41°, und im Delta erreicht sie sogar selten 29°. Dezember, Januar und Februar sind die kühlsten Monate. Das Mittel der niedrigsten Temperatur beträgt im Delta etwas über 11°, wobei aber die Differenz zwischen der Tag- und Nachttemperatur oft zwischen 20 und 30° beträgt.
Selbst in Oberägypten
sinkt um diese Zeit das Thermometer
[* 23] um 5 Uhr
[* 24] morgens bis auf 5° herab. Ausnahmsweise
ist zu Alexandria, Rosette und bis Atfeh 1833 Schnee
[* 25] gefallen, und zu Anfang des 9. Jahrh. soll selbst der Nil einmal eine Eisdecke
getragen haben. Häufiger kommt Eisbildung in den das Delta begrenzenden Wüsten und in der Oase Siwah nach
gefallenem Tau und bei starkem Nordwind vor. Im südlichen Ägypten
ist die Atmosphäre außerordentlich trocken, und diese Trockenheit
wird durch die um das Frühlingsäquinoktium eintretenden Südostwinde und besonders durch den erwähnten Chamsin bis zu einem
unerträglichen Grad gesteigert.
Dieser Wind (Chamsîn bedeutet »fünfzig«) pflegt nur in der Epoche von 50 Tagen vor dem Sommersolstitium
aufzutreten. Die ihn begleitenden atmosphärischen Erscheinungen, gelbrötlicher Lichtschein, zuckende Blitze, sind hauptsächlich
elektrischer Natur und vertreten die Stelle unsrer Gewitter. Ihre Gefährlichkeit für Menschen und Tiere ist sehr übertrieben
worden. Dieser Wind heißt in Arabien und in den südlichen Ländern Asiens Samum. Feuchter wird die Atmosphäre,
je mehr man sich dem Mittelmeer nähert. In Unterägypten
wehen die mit Wasserdünsten reichlich geschwängerten Nordwinde
neun, weit er nach S. wenigstens sechs Monate hindurch und veranlassen besonders während der Überschwemmungszeit im August
und September des Abends die Bildung von Nebeln.
Auch im Winter sind Nebel und reichliche Taufälle häufig. Im Sommer aber breitet sich ein ganz reiner
Himmel über dem Land aus, und Regenniederschläge sind, besonders in Oberägypten
, eine seltene Erscheinung. Ungegründet
ist jedoch die Angabe, daß es in Oberägypten
nie regne, denn zu Kenneh und Theben und sogar in dem sehr trocknen Südosten
sind mehr oder weniger heftige Regengüsse beobachtet worden. An der Nordküste regnet es vom Oktober bis
März und April häufig, in den übrigen Monaten aber stellenweise gar nicht.
Das Klima
[* 26] Ägyptens ist im allgemeinen der Gesundheit weit zuträglicher als das vieler andern heißen Länder, mit Ausnahme
der niedrigen sumpfigen Striche an der Küste des Roten Meers, welche für sehr ungesund gelten. Infolge
seiner warmen, trocknen und chemisch reinen Luft gilt Ägypten
als ein treffliches klimatisches Gebiet für Lungenkranke. Unter
den endemischen Krankheiten war die Pest vorherrschend, die jedoch seit 30 Jahren nicht mehr vorkommt, während die Cholera immer
häufiger auftritt. Andre Krankheiten sind Ruhr, Wechselfieber, Aussatz, durch den salzhaltigen Staub hervorgerufene
schlimme Augenübel und Sonnenstich. Durch die Einrichtung des Service médical ist den Epidemien viel von ihrer Schrecklichkeit
genommen worden.
Vgl. Flora, Ärztliche Mitteilungen aus Ägypten
(Wien
[* 27] 1869);
Derselbe, Beiträge zur Klimatologie von Kairo (Leipz. 1870).
Naturprodukte.
Ägypten
ist reich an schätzenswerten Naturprodukten. Am schwächsten sind darunter die Mineralien vertreten.
Doch lieferten seit den ältesten Zeiten die Granite und Syenite ein vortreffliches Material sowohl für Skulpturen als für großartige
massive Bauten. Das unterhalb Assuân beginnende Sandsteinterrain bietet die ergiebigsten Brüche eines festen, fein- und gleichkörnigen
Sandsteins dar, woraus die meisten der noch erhaltenen Tempel
[* 28] und eine große Anzahl von Statuen und andern
Skulpturen bestehen.
Von El Kap an bis an das Meer, also in dem bei weitem größten Teil des Landes, bestehen beide Thalwände aus Kalkstein, dessen
feine und feste Textur die Reisenden noch jetzt an den Pyramiden und den ausgedehnten Nekropolen von Memphis
wie in den mit den schönsten Skulpturen bedeckten Felsengräbern von Theben bewundern. Von andern Mineralien werden Kochsalz,
Salpeter und Alaun
[* 29] in Menge gewonnen, und an einigen Stellen (z. B. bei Dschebel ez Zet am Roten Meer) treten Erdölquellen zu Tage.
Im nördlichen Ägypten
zeigt sich Natronbildung in weiter Verbreitung. Im J. 1850 entdeckte
man bei dem Ras el Dschimsah an der Küste des Roten Meers Schwefellager, die aber den großen auf sie gesetzten Erwartungen
nicht entsprachen. Die einst von den Alten ausgebeuteten Metall- und Alabasterschätze haben aufgehört ergiebig zu sein,
und unbedeutend ist, was man bei Dschebel Ollagi an Gold,
[* 30] bei Dschebel Duchan an Kupfer
[* 31] fand. Die Smaragde
in den Zubarabergen bei Kosseïr, gleichfalls schon von den Alten ausgebeutet, sind unrein und lohnen den Abbau nicht.
Pflanzenwelt. Die außerordentliche Fruchtbarkeit, wegen deren Ägypten
im ganzen Altertum berühmt war, beruht auf dem fetten Marschboden
des Landes, welcher dem landwirtschaftlichen Betrieb einen fast ans Wunderbare streifenden Ertrag gewährt.
Von Cerealien baut man vornehmlich Weizen (mit 25-50fältigem Ertrag) und Gerste,
[* 32] wiewohl auch Roggen und Hafer
[* 33] gut gedeihen. Außerdem
werden in ausgedehntem Maß Erbsen, im Delta Reis (mit 50-100fältigem Ertrag), in den höher gelegenen und trocknern Strichen
Mais und mehrere Hirsearten (Durra) gebaut.
Die Getreideernte fällt, wie bemerkt, zu Anfang März, vier Monate nach der Aussaat; in manchen, besonders günstig gelegenen
Gegenden im S. erzielt man aber durch künstliche Bewässerung eine dreifache Ernte.
[* 34] Eine gute Ernte schätzt man auf 11-16
Mill. hl Weizen, Gerste und Mais, wovon etwa 2 Mill. hl zum Export gelangen. Auch Zuckerrohrpflanzungen geben
einen guten Ertrag, alle übrigen Produkte überragt aber jetzt die nach Ägypten
verpflanzte Baumwollstaude. Der Baumwollbau ist
durch den Vizekönig dermaßen ausgedehnt worden, daß die Ernte in der letzten Zeit jährlich 280-290 Mill. engl. Pfd. betrug.
Berühmt sind die Rosen vom Fayûm, welche zum Behuf der Rosenöl- und Rosenwasserbereitung gezogen werden. Dieselbe Gegend liefert auch vortreffliche Weintrauben, Feigen und Oliven. Überhaupt ist Ägypten reich an den trefflichsten Südfrüchten. Unsre Obstbäume gedeihen zwar, tragen aber unschmackhafte Früchte und werden daher nur in geringer Anzahl gezogen. Der bei weitem verbreitetste und nutzbarste Baum des heutigen Ägypten ist die Dattelpalme (Phoenix dactylifera), welche in vielen Gegenden die Hauptnahrung gewährt und am besten in der Provinz Gizeh gedeiht. ¶